Oscar-Gala 2015

„Birdman“ flog der Konkurrenz davon

23.02.2015
von  Gunther Baumann
Oscar-Siegerfilm „Birdman“: Nur Hauptdarsteller Michael Keaton ging leer aus © 2015 20th CenturyFox
Vier große Oscars (Bester Film, Regie, Original-Drehbuch und Kamera) für Alejandro González Inárritu und die Showbiz-Komödie „Birdman“. Vier kleine Oscars (Musik, Kostüm-Design, Make-Up und Production-Design) für Wes Andersons Europa-Elegie „Grand Budapest Hotel“: Das ist der Zieleinlauf der 87. Oscar-Verleihung. Überraschend gut schnitt das Jazz-Drama „Whiplash“ ab, das bei fünf Nominierungen drei Mal siegreich war. Die Hauptdarsteller-Preise gingen an Julianne Moore im Alzheimer-Drama „Still Alice“ und an Eddie Redmayne, der in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ den Astrophysiker Stephen Hawking verkörpert.
Gala. Die Show war spröde. Neil Patrick Harris, der Moderator der 87. Oscar-Gala, ging sehr sparsam mit zündenden Witzen um. Die Entscheidungen der mehr als 6.000 Oscar-Juroren hingegen weckten wenig Widerspruch. Mit „Birdman“ wurde einer der klügsten und unterhaltsamsten, mit „Grand Budapest Hotel“ einer der elegantesten Filme des Jahres zum jeweils vierfachen Oscar-Gewinner gewählt.
Durchaus enttäuschend ist aber die Tatsache, dass Richard Linklaters künstlerisch herausragendes Zwölf-Jahre-Projekt „Boyhood“  nur einen Oscar bekam (beste Nebendarstellerin: Patricia Arquette).  Ebenfalls nur einen Preis – in der Nebenkategorie des besten Tonschnitts – gab es für Clint Eastwoods Scharfschützen-Porträt „American Sniper“. Das wiederum fanden  viele Beobachter durchaus beruhigend.
Ein Triumph des bei Konservativen beliebten Eastwood-Kriegsfilms hätte auch gar nicht zur allgemeinen Stimmung in der Oscarnacht gepasst, die politisch eher liberal geprägt war. So verlieh die Jury den Doku-Oscar an „CitizenFour“, einen Film über den vom offiziellen Amerika verfolgten Edward Snowden.
Die Dankesreden waren immer wieder mit politischen und/oder sehr privaten Randbemerkungen durchsetzt. So erhob Patricia Arquette, den Oscar in der Hand, die Forderung nach „gleicher Bezahlung und gleichen Rechten“ für alle Frauen.
Common & John Legend, die mit der kämpferischen Ballade „Glory“ (aus dem Bürgerrechts-Drama  „Selma“) den Filmsong-Oscar gewannen, beklagten anhaltenden Rassismus: „Es gibt heute mehr Gefangene in Amerika als während der Sklaverei“.
Julianne Moore wiederum, die in „Still Alice“ eine Alzheimer-Kranke spielt, plädierte für einen offenen Umgang mit der Krankheit: „Die Menschen, die unter Alzheimer leiden, verdienen es, beachtet und gesehen zu werden.“  Und dann hatte die 54-Jährige noch eine ganz spezielle Verneigung vor der Jury auf Lager: „Man sagt, dass ein Oscar-Gewinn  das Leben um fünf Jahre verlängert. Da muss ich mich bei der Academy besonders bedanken, denn mein Mann ist jünger als ich!“
Hier nun die  komplette Liste der Oscar-Gewinner  und der übrigen Nominierten des Jahrgangs 2015. Insgesamt 60 Filme standen zur Wahl.

Bester Film
Gewinner:
„Birdman“
Michael Keaton brilliert in der Showbiz-Farce „Birdman“ als Ex-Filmstar, dessen Ruhm als einstiger Superhelden-Darsteller immer mehr verblasst und der mit einem Theaterstück am New Yorker Broadway sein Comeback feiern will.
Neun Nominierungen, vier Oscars: Bester Film, Hauptdarsteller (Michael Keaton), Nebendarsteller (Edward Norton), Nebendarstellerin (Emma Stone), Regie (Alejandro González Inárritu), Original-Drehbuch, Kamera, Tonschnitt, Tonmischung.

Ebenfalls nominiert:
„American Sniper“
Clint Eastwood schuf mit dem Dokudrama „American Sniper“ den in den USA finanziell erfolgreichsten Film seiner Regie-Karriere. Bradley Cooper spielt den US-Scharfschützen Chris Kyle, der im Irak-Krieg mehr als 160 Menschen erschoss – und der nach seiner Heimkehr 2013 von einem Kriegs-Veteranen erschossen wurde.
Sechs Nominierungen, ein Oscar: Bester Film, Hauptdarsteller (Bradley Cooper), Adaptiertes Drehbuch, Schnitt, Tonschnitt, Tonmischung.
 
„Boyhood“
Richard Linklater brauchte zwölf Jahre, um „Boyhood“ zu vollenden: Der Film begleitet einen Jungen (Ellar Coltrane) von der Kindheit bis an die Schwelle zum Erwachsensein.
Sechs Nominierungen, ein Oscar: Bester Film, Nebendarsteller (Ethan Hawke), Nebendarstellerin (Patricia Arquette), Regie (Richard Linklater), Original-Drehbuch, Schnitt.
 
„Die Entdeckung der Unendlichkeit“
Der weltberühmte Astrophysiker Stephen Hawking (Eddie Redmayne) steht im Mittelpunkt der Filmbiografie „Die Entdeckung der Unendlichkeit“. Das Werk kümmert sich allerdings mehr um Krankheit und Ehe des genialen Mannes als um seine wissenschaftlichen Leistungen.
Fünf Nominierungen, ein Oscar: Bester Film, Hauptdarsteller (Eddie Redmayne), Hauptdarstellerin (Felicity Jones), Adaptiertes Drehbuch, Musik.
 
„Grand Budapest Hotel“
„Grand Budapest Hotel“ ist eine kunstvolle Kino-Saga von Wes Anderson, in der mit überwältigenden Bildern eine versponnene Story aus dem alten Europa erzählt wird. Die Epoche der 1930er Jahre mit dem aufkeimenden Faschismus liefert das Fundament.
Neun Nominierungen, vier Oscars: Bester Film, Original-Drehbuch, Regie (Wes Anderson), Kamera, Musik,  Schnitt, Kostüm-Design, Make-Up, Production Design.
 
„The Imitation Game“
Dominic Cumberbatch spielt im Drama „The Imitation Game“ den britischen Mathematiker Alan Turing, dem es während des Zweiten Weltkriegs gelang, den als unüberwindbar geltenden Code der deutschen Enigma-Chriffriermaschine zu knacken – und der im Privatleben seine Homosexualität geheim halten musste.
Acht Nominierungen, 1 Oscar: Bester Film, Hauptdarsteller (Benedict Cumberbatch), Nebendarstellerin (Keira Knightley), Regie (Morten Tyldum), Adaptiertes Drehbuch, Musik, Schnitt, Production Design.
 
„Selma“
Der Bürgerrechtler und Nobelpreisträger Martin Luther King (David Oyelowo) und US-Präsident Lyndon B. Johnson (Tom Wilkinson) sind die Hauptfiguren im Bürgerrechts-Drama „Selma“,  das vom Kampf um das uneingeschränkte Wahlrecht der dunkelhäutigen US-Bürger im Jahr 1965 handelt.
Zwei Nominierungen, ein Oscar: Bester Film, Original-Song.
 
„Whiplash“
Das elektrisierende Musikdrama „Whiplash“ von Damien Chazelle erzählt von einem hochbegabten jungen Jazz-Schlagzeuger, der angesichts der sadistischen Unterrichtsmethoden seines Lehrers (J. K. Simmons) beinahe zerbricht.
Fünf Nominierungen, drei Oscars: Bester Film, Nebendarsteller (J.K. Simmons), Adaptiertes Drehbuch, Schnitt, Tonmischung.

Bester Hauptdarsteller
Gewinner:
Eddie Redmayne („Die Entdeckung der Unendlichkeit“)
Ebenfalls nominiert:
Steve Carell („Foxcatcher“)
Bradley Cooper („American Sniper“)
Benedict Cumberbatch („The Imitation Game“)
Michael Keaton („Birdman“)
 
Beste Hauptdarstellerin
Gewinnerin:
Julianne Moore („Still Alice“)
Ebenfalls nominiert:
Marion Cotillard („Zwei Tage, eine Nacht“)
Felicity Jones („Die Entdeckung der Unendlichkeit“)
Rosamund Pike („Gone“)
Reese Witherspoon („Der große Trip – Wild“)
 
Bester Nebendarsteller
Gewinner:
J. K. Simmons („Whiplash“)
Ebenfalls nominiert:
Robert Duvall („The Judge“)
Ethan Hawke („Boyhood“)
Edward Norton („Birdman“)
Mark Ruffalo („Foxcatcher“)
 
Beste Nebendarstellerin
Gewinnerin:
Patricia Arquette („Boyhood“)
Ebenfalls nominiert:
Laura Dern („Der große Trip – Wild“)
Keira Knightley („The Imitation Game“)
Emma Stone („Birdman“)
Meryl Streep („Into The Woods“)
 
Beste Regie
Gewinner:
Alejandro González Inárritu („Birdman“)
Ebenfalls nominiert:
Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“)
Richard Linklater („Boyhood“)
Bennett Miller („Foxcatcher“)
Morten Tyldum („The Imitation Game“)
 
Bestes adaptiertes Drehbuch
Gewinner:
„The Imitation Game“ (Graham Moore)
Ebenfalls nominiert:
„American Sniper“ (Jason Hall)
„Die Entdeckung der Unendlichkeit“ (Anthony McCarten)
 „Inherent Vice“ (Paul Thomas Anderson)
„Whiplash“ (Damien Chazelle)
 
Bestes Original-Drehbuch
Gewinner:
„Birdman“ (Alejandro González Inárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris Jr. & Armando Bo)
Ebenfalls nominiert:
„Boyhood“ (Richard Linklater)
„Foxcatcher“ (E. Max Frye & Dan Futterman)
„Grand Budapest Hotel“ (Wes Anderson & Hugo Guiness)
„Nightcrawler“ (Dan Gilroy)
 
Bester Animationsfilm
Gewinner:
„Baymax“
Ebenfalls nominiert:
„Die Boxtrolls“
„Drachenzähmen leicht gemacht 2“
Die Legende der Prinzessin Kaguya“
„Song of the Sea“
 
Bester Dokumentarfilm
Gewinner:
„CitizenFour“
Ebenfalls nominiert:
„Finding Vivian Maier“
„Last Days In Vietnam“
„Das Salz der Erde“
„Virunga“
 
Bester fremdsprachiger Film
Gewinner:
„Ida“ (Polen)
Ebenfalls nominiert:
„Leviathan“ (Russland)
„Tangerines“ (Estland)
„Timbuktu“ (Mauretanien)
„Wild Tales“ (Argentinien)
 
Beste Filmmusik
Gewinner:
„Grand Budapest Hotel“ (Alexandre Desplat)
Ebenfalls nominiert:
„Die Entdeckung der Unendlichkeit“ (Jóhann Jóhansson)
 „The Imitation Game“ (Alexandre Desplat)
„Interstellar“ (Hans Zimmer)
„Mr. Turner“ (Gary Yershon)
 
Bester Film-Song
Gewinner:
„Glory“ (aus „Selma“)
Ebenfalls nominiert:
„Everything Is Awesome“ (aus „The Lego Movie“)
 „Grateful“ (aus „Beyond The Lights“)
„I’m Not Gonna Miss You“ (aus Glen Campbell… I’ll Be Me“)
„Lost Stars“ (aus „Begin Again“)
 
Beste Kamera
Gewinner:
„Birdman“ (Emmanuel Lubezki)
Ebenfalls nominiert:
„Grand Budapest Hotel“ (Robert Yeoman)
„Ida“ (Lukasz Zal & Ryszard Lenczewski)
„Mr. Turner“ (Dick Pope)
„Unbroken“ (Roger Deakins)
 
Beste visuelle Effekte
Gewinner:
„Interstellar“ (Paul Franklin, Andrew Lockley, Ian Hunter & Scott Fisher)
Ebenfalls nominiert:
„Captain America: The Return Of The First Avenger“ (Dan DeLeeuw, Russell Earl, Bryan Grill & Dan Sudick)
„Guardians Of The Galaxy“ (Stephane Ceretti, Nicolas Aithadi, Jonathan Fawkner & Paul Corbould)
 „Planet der Affen: Revolution“ (Joe Letteri, Dan Lemmon, Daniel Barrett & Erik Winquist)
„X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ (Richard Strammers, Lou Pecora, Tim Crosbie & Cameron Waldbauer)
 
Bester Filmschnitt
Gewinner:
„Whiplash“ (Tom Cross)
Ebenfalls nominiert:
„American Sniper“ (Joel Cox & Gary D. Roach)
„Boyhood“ (Sandra Adair)
„Grand Budapest Hotel“ (Barney Pilling)
„The Imitation Game“ (William Goldenberg)
 
Bestes Production Design
Gewinner:
„Grand Budapest Hotel“ (Adam Stockhausen & Anna Pinnock)
Ebenfalls nominiert:
„The Imitation Game“ (Maria Djurkovic & Tatiana Macdonald)
„Interstellar“ (Nathan Crowley & Gary Fettis)
„Into The Woods“ (Dennis Gassner & Anna Pinnock)
„Mr. Turner“ (Suzie Davies & Charlotte Watts)
 
Bestes Kostümdesign
Gewinnerin:
„Grand Budapest Hotel“ (Milena Canonero)
Ebenfalls nominiert:
„Inherent Vice“ (Mark Bridges)
„Into The Woods“ (Colleen Atwood)
„Maleficent (Anna B. Sheppard & Jane Clive)
„Mr. Turner“ (Jacqueline Durran)
 
Bestes Make-Up:
Gewinner:
„Grand Budapest Hotel“ (Frances Hannon & Mark Coulier)
Ebenfalls nominiert:
„Foxcatcher“ (Bill Corso & Dennis Liddiard)
„Guardians Of The Galaxy“ (Elizabeth Yenni-Georgiou & David White)
 
Bester Tonschnitt:
Gewinner:
„American Sniper“ (Alan Robert Murray & Bub Asman)
Ebenfalls nominiert:
„Birdman“ (Martin Hernández & Aaron Glascock)
„Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere“ (Brent Burge & Jason Canovas)
„Interstellar“ (Richard King)
„Unbroken“ (Becky Sullivan & Andrew DeCristofaro)
 
Beste Tonmischung
Gewinner:
„Whiplash“ (Craig Mann, Ben Wilkins & Thomas Curley)
Ebenfalls nominiert:
„American Sniper“ (John Reitz, Gregg Rudloff & Walt Martin)
„Birdman“ (John Taylor, Frank A. Montano & Thomas Varga)
„Interstellar“ (Gary A. Rizzo, Gregg Landaker & Mark Weingarten)
„Unbroken“  (John Taylor, Frank A. Montano & David Lee)
 
Bester Kurzfilm (Spielfilm)
Gewinner:
„The Phone Call“
Ebenfalls nominiert:
„Aya“
„Boogaloo & Graham“
„Butter Lamp“
„Parvaneh“
 
Bester Kurzfilm (Animation)
Gewinner:
„Feast“
Ebenfalls nominiert:
„The Bigger Picture“
„The Dam Keeper“
 „Me And My Moulton“
„A Single Life“
 
Bester Kurzfilm (Dokumentation)
Gewinner:
„Crisis Hotline: Veterans Press 1“
Ebenfalls nominiert:
„Joanna“
„Our Curse“
„The Reaper“
„White Earth“