DIE STORY: Der gloriose Film „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“, nominiert für acht Oscars, ist eine fesselnde Mischung aus Geheimdienst-Thriller, Biografie und Wissenschafts-Drama. Erzählt wird die wahre Geschichte des britischen Mathematik-Genies Alan Turing (Benedict Cumberbatch). Der wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in das Team geholt, das die deutsche Enigma-Chiffriermaschine entschlüsseln sollte.
Die Deutsche Wehrmacht gab mit der Enigma alle ihre Meldungen und Befehle durch. Sie zu knacken, schien aussichtslos: Sie bot, so heißt es einmal im Film, „160 Millionen Millionen Millionen“ Möglichkeiten der Verschlüsselung – und alle 24 Stunden wurden die Codes neu programmiert.
Alle Versuche, die Enigma mit Grips und mathematischen Formeln zu überlisten, scheiterten. Dann hatte Turing einen entscheidenden Vorschlag: „Was, wenn Maschinen Maschinen besiegen können?“ Also baute er eine Rechenmaschine, ein zimmerfüllendes Ungetüm (in dem viel Grundlagenwissen der heutigen Computertechnik enthalten ist). Doch auch dieser Koloss, von Turing auf den Namen Christopher getauft, blieb wirkungslos – bis den Briten eine Zufalls-Erkenntnis auf die Sprünge half.
Schlussendlich schafften es die Allierten, die Enigma-Botschaften zu dekodieren. Nazi-Deutschland konnte dadurch, so schätzen britische Militär-Historiker, um zwei Jahre früher besiegt werden.
Die Leistung von Alan Turings Dechiffier-Strategen, zu denen auch die Mathematikerin Joan Clarke (Keira Knightley) gehörte, blieb freilich als Staatsgeheimnis vor der Öffentlichkeit verborgen. Bis in die frühen 1950er Jahre. Da weckte Alan Turing wegen einer anderen Angelegenheit das Interesse der Behörden. Der Wissenschaftler führte nämlich nicht nur beim Militär ein streng geheimes Leben…
DIE STARS: Der Brite Benedict Cumberbatch, der durch die BBC-Serie „Sherlock“ berühmt und seither zu einem der gefragtesten neuen Stars in Hollywood wurde, bekam für die Darstellung des Alan Turing eine Oscar-Nominierung als bester Hauptdarsteller. Die gleiche Ehre widerfuhr Keira Knightley (beste Nebendarstellerin), die in „The Imitation Game“ mal wieder demonstrieren kann, dass sie weit mehr drauf hat, als süße und romantische junge Damen zu spielen.
Weitere Oscar-Nominerungen gab es für den norwegischen Regisseur Morten Tyldum, für das Drehbuch (Graham Moore), die Musik (Alexandre Desplat), das Production Design und den Schnitt. Fehlt noch was? Ach ja: „The Imitation Game“ ist auch einer von acht Kandidaten für den Hauptpreis des besten Films des Jahres.
DIE KRITIK: „Heil bloody Hitler!“ rufen die Briten höhnisch und entzückt, als ihnen der entscheidende Durchbruch gelingt. Durch Zufall kommen Alan Turing (Dominic Cumberbatch) und seine Dechiffrier-Spezialisten drauf, dass die Deutschen immer wieder eine bestimmte Wortkombination verwenden, wenn sie Funksprüche mit der Enigma verschlüsseln. Nach der Eingabe dieser Buchstaben wird Turings britische Anti-Dechiffrier-Maschine auf einmal scharf.
Sie wird, benannt nach ihrem Schöpfer, zur „Turing-Bombe“, die den Briten verrät, wo die Deutschen U-Boot-Attacken oder Infanterie-Offensiven planen. Endlich haben die Allierten einen entscheidenden taktischen Vorteil gegen die Nazi-Truppen.
Wenn dieser Moment im Film passiert, sind die Figuren auf der Leinwand (und das Publikum) schon durch schwere Stürme gegangen. Nicht nur, weil die Aufgabe, die Enigma zu knacken, lange Zeit unlösbar schien. Sondern auch, weil die technische Aufgabe von menschlichen Querelen aller Art behindert wurde.
Der Offizier Denniston (Charles Dance), der die ganze Aktion befehligt, mag den arroganten Mathematiker Turing nicht. Turing wiederum (Benedict Cumberbatch legt ihn mit genialischen und autistischen Zügen an) mag im Grunde überhaupt niemanden – und umgekehrt. Die von ihm entwickelte Maschine mag lange Zeit keine Resultate liefern, und auch sonst gibt’s Zores en masse.
Mal wird die Truppe vom Geheimdienst MI6 der Spionage verdächtigt, mal gibt’s Probleme mit Joan Clarke (Keira Knightley), der einzigen Frau im Team. Die ist schon Mitte Zwanzig und noch immer nicht verheiratet. So kann das nicht weitergehen, findet sie und will das abgeschottet lebende Anti-Enigma-Team verlassen.
Da hat Mr. Turing die rettende Idee. Er macht Joan einen Heiratsantrag. Die willigt sofort ein, auch wenn Turing die Verlobung nur mit einem Küsschen garniert. Und nicht gleich mit einer erotischen Offensive.
„The Imitation Game“ verbindet auf überwältigende Weise Thriller und Drama. Man wird Zeuge einer spannungsgeladenen Story über ein kriegsentscheidendes Projekt – und man blickt zugleich auf ein nicht minder fesselndes Zeitgemälde, das von gesellschaftlichen Zwängen und Freuden erzählt.
Autor Graham Moore hat obendrein noch Rückblenden aus Alan Turings Schulzeit geschrieben und eine Rahmenhandlung, die 1951 spielt. Regisseur Morten Tyldum gelingt das Bravourstück, all diese Bestandteile zu einer Collage zu montieren, die von der ersten bis zur letzten Sekunde wie aus einem Guss auf die Leinwand kommt.
„The Imitation Game“ ist ein großer Film über Krieg und Frieden, über Liebe und Eifersucht, über bahnbrechende Erfindungen und eine muffige, verklemmte Gesellschaft, in der es vorkommen kann, dass genialen Geistern im Namen des Rechts schweres Unrecht widerfährt. Unbedingt sehenswert.
IDEAL FÜR: alle Filmfreunde. Dieses meisterliche Thrillerdrama lässt niemanden unberührt.