Festival Cannes 2015

Heiße Action, flotte Sprüche und ein dunkles Märchen

14.05.2015
von  Peter Beddies, Gunther Baumann
ZweiTop-Stars in Cannes: Tom Hardy, der neue Mad Max (li.), und Regisseur George Miller © Katharina Sartena
Starker Start für das Festival Cannes 2015. Die Auswahl des beinharten Sozialdramas „La Tête Haute“ von Emmanuel Bercot für die Eröffnungsgala war ein politisches Statement. Die Europapremiere von „Mad  Max: Fury Road“ mit Tom Hardy, Charlize Theron und Regisseur George Miller stillte den Hunger nach Glamour im Hollywood-Stil. Und die ersten Filme des Wettbewerbs - Salma Hayek etwa glänzt im dunklen Märchen „Tale of Tales“ - boten bereits viel Stoff für Diskussionen. Kein Wunder, dass die Stars der Festivals mit bestens gelaunten Statements von sich hören machen.
Action. Das Filmfest ist noch keine drei Tage alt - und schon gibt es den ersten Festival-Liebling in Cannes. Die Action-Super-Extravaganza „Mad Max: Fury Road“ wurde am 14. Mai an der Croisette heftig gefeiert.
 
Schon bei der Presse-Vorführung am Morgen (Beginn: 8:30 Uhr) gab es mehrfach Bravorufe und Szenenapplaus von den 2.300 Medienvertretern aus aller Welt. Was durchaus bemerkenswert ist, denn viele Journalisten sind um diese Zeit noch etwas müde und vertrauen ihre Reaktionen lieber Notizbüchern und digitalen Schreibgeräten an, anstatt sich lautstark zu äußern. Als der Film endete, waren ein paar ganz zaghafte Buhrufe zu hören. Die aber gingen im Meer der Begeisterung unter.  
 
Action-Extravaganza: „Mad Max: Fury Road“ mit Tom Hardy und Charlize Theron © Warner Bros.

Mad Max & Mad George. George Miller, der Erfinder, Autor und Regisseur aller vier „Mad Max“-Blockbuster, gab sich anschließend im Pressegespräch grinsend als Mad George zu erkennen: „Während des Drehs verging kein Tag, an dem ich mich nicht fragte, ob ich verrückt geworden bin.“
 
Denn dem Phantasieprodukt Film standen gewaltige reale Probleme gegenüber: „Wir drehten mit echten Menschen und echten Fahrzeugen sieben Monate lang in einer echten Wüste. Die Crew bestand aus 1.000 Leuten. Unsere größte Sorge war ihre Sicherheit. Aber alles ging gut. Es gab keine gebrochenen Knochen.“ Was angesichts der atemraubenden Stunt- und Actionszenen in „Fury Road“ fast unglaublich wirkt.
 
Ein paar Knochen allerdings sind im Film nicht gebrochen – sie sind weg. Charlize Theron spielt als kämpferische Furiosa die erste Action-Heldin mit einem amputierten Unterarm. „Die Idee, dass ihr ein Arm fehlen sollte, entstand sehr früh, und ich habe sie realisiert, obwohl ich wusste, dass das sehr teuer wird“, sagte George Miller, im erlernten Beruf Doktor der Medizin. Charlize Theron, im Vollbesitz aller ihrer Gliedmaßen, erklärte, warum: „Ich hatte einfach keine Lust, mir den Arm abschneiden zu lassen.“

Stets für schräge Sprüche gut: Cannes-Juroren Ethan (li.) und Joel Coen © Katharina Sartena

Coen Brothers. Ins Rennen um die Goldene Palme wird „Mad Max: Fury Road“ übrigens nicht eingreifen. Der Film lief – wie bei Blockbustern in Cannes oft üblich – außer Konkurrenz. Obwohl man mutmaßen darf, dass die Vorsitzenden der Jury, die Oscar- und Goldene-Palme-Besitzer Joel & Ethan Coen,  an diesem Bilder-Orkan ihre Freude haben dürften.
 
Bei der Vorstellung der Jury am 13. Mai  überraschten die Coens wie immer mit schrulligem Humor und mit Bemerkungen, bei denen man nicht sicher sein kann, dass sie der Wahrheit entsprechen. So tat Ethan Coen kund: „Wir schauen generell kein Fernsehen“. Ein tolles Statement von einem Filmemacher, bis Pfingsten über die Qualität der 19 Kinofilme im Wettbewerb urteilen muss. Joel, der Ältere der Coen Brothers, verriet noch: „Über Filmgeschmack reden wir eigentlich nie. Dass wir uns jetzt hier als Jury-Chefs jeden Tag erklären, daran werden wird uns wohl erst gewöhnen müssen“.
 
Wettbewerb. Schon die ersten beiden Wettbewerbsfilme dürften für reichlich Gesprächsstoff unter den Juroren gesorgt haben. Der Japaner Hirokazu Koreeda, Startnummer 1, überraschte mit einem edel gefilmten Appell an die Liebe und die Familie. „Our Little Sister“ – es geht um drei Schwestern, die nach einem Todesfall noch eine Halbschwester bei sich aufnehmen - ist die Art Film für Menschen, die Kontemplatives mögen. Zugespitzt könnte man auch sagen, für Filmfans, die gern dem Rasen beim Wachsen zuschauen.
 
Ganz anders wirkt der zweite Film, das dunkle Kinomärchen  „Tale of Tales“, den Jurymitglied Guillermo del Toro (Regisseur von „Pans Labyrinth“ und „Hellboy"2) sicher mit einem fetten Grinsen gesehen und schon mal für einen der großen Preise vorgemerkt hat.

Zwei Stunden lang taucht der italienische Regisseur Matteo Garrone (sein letzter Hit war der Mafia-Thriller „Gomorra“) in die Märchenwelt des 17. Jahrhunderts ein, als die Geschichten noch nicht geglättet und kindertauglich umgeschrieben waren. Es geht, anhand der Erlebnisse drei KönigInnen,  um all die Brutalitäten, die eben auch Bestandteil von Märchen sein können.

 
Eine Königin verspeist das Herz eines Ungeheuers: Salma Hayek in „Tale of Tales“ © Festival Cannes

Salma Hayek. Die wie entfesselt aufspielende Salma Hayek ist eine Königin, die ihren Kinderwunsch teuer bezahlen muss. Die Szene, in der sie das Herz eines Meeresungeheuers im Ganzen als Speise auf ihrem Teller hat, sieht schwer nach einem Gemälde von einem Albtraum aus.
 
Vincent Cassell ist ein erotomanischer König, der sich in eine schöne Frauenstimme verliebt und erkennen muss, dass Äußerlichkeiten nicht alles sind. Toby Jones als sehr verschrobener König wiederum züchtet einen Floh zu solch monströser Größe heran, bis der mühelos in jedem David-Cronenberg-Film mitspielen könnte.
 
Hollywood-Stars als Cannes-Juroren: Jake Gyllenhaal und Sienna Miller © Katharina Sartena

Jake Gyllenhaal. Tja, und wie werden die neun Juroren, unter denen sich Stars wie Jake Gyllenhaal, Sophie Marceau oder Sienna Miller befinden, nun in den kommenden Tagen die Filme schauen und diskutieren? Jake Gyllenhaal machte folgenden Vorschlag: „Wie bei einigen dieser Shows im Fernsehen bilden wir zwei Teams. Das Team Joel Coen und das Team Ethan Coen“. Dass die Jury-Vorsitzenden diesen nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag nicht kommentierten, muss man verstehen. Denn die beiden schauen ja kein Fernsehen.