Martin Freeman
über seine Rolle als Bilbo Beutlin in „Der Hobbit“
„Ich hatte keine Ahnung, wer Bilbo ist und was er so tut!“
11.12.2014
Interview:
Peter Beddies
„Der Hobbit“: Der Mittelerde-Trip geht nun auch für Martin Freeman zu Ende. Dreimal hat der Engländer vor der Kamera von Regisseur Peter Jackson den Haupt-Hobbit gegeben. Am Ende kommt sein Bilbo Beutlin wieder im Auenland an. Hat reichlich Abenteuer erlebt. Bringt den Ring der Ringe mit. Und setzt sich zur Ruhe. Wie hat Martin Freeman, 43, diese lange Filmreise erlebt? Und wie geht er nun damit um, dass aus ihm, dem „Sherlock“-Star, den nur in England jeder kannte, ein weltweiter Star geworden ist?
Filmclicks: Wie fühlt sich das an, wenn man einen Helden der Kindheit insgesamt drei Mal im Blockbuster-Kino gespielt hat?
Martin Freeman: Wie meinen Sie das?
War denn „Der Hobbit“ nicht Teil Ihrer Kindheit?
Nein, überhaupt nicht. Wenn Sie mich bei Peter Jackson nicht verpetzen – obwohl, mittlerweile macht es keinen Unterschied mehr – das Buch habe ich 2010 zum ersten Mal in die Hand genommen. Peter fragte mich, ob ich Bilbo spielen würde. Und anstatt vor Freude auszuflippen, musste ich mich erst einmal entschuldigen und nachlesen, worum es überhaupt geht.
Hatten Sie nach dem Lesen das Gefühl: „Zwerge und Zauberer und so – darüber müsste ich erstmal nachdenken“?
Nur, wenn auch Donald Trump darüber nachdenkt, ob er denn noch eine weitere Milliarde verdienen soll. Nein, natürlich nicht! Ich hatte die drei „Herr der Ringe“-Filme gesehen und außerordentlich geschätzt. Dass ich jetzt Teil davon sein durfte, fand ich toll. Ich hatte nur erstmal keine Ahnung, wer Bilbo ist und was er so zu tun hat.
Mit der Zeit müssen Sie mitbekommen haben, dass es Millionen und Abermillionen Mittelerde-Fans gibt. Wurde der Druck bei Ihnen immer größer, deren Wünschen gerecht zu werden?
Um ehrlich zu sein, da war nie ein Druck da. Das mag bei Peter Jackson anders gewesen sein. Aber nicht umsonst ist er einer der ganz wenigen Filmemacher auf der Welt, die man einen Filmstar nennt. Auch wenn es sicher noch mehr verdient hätten. Aber Peter Jackson hatte eine äußerst präzise Vision von diesen Filmen. Wissen Sie, ich vergleiche das immer ganz gern mit der alten Jacke, die man vom Haken nimmt. Sie passt wunderbar. Genau so war das auch hier. Also nicht mit dem Kostüm. Sondern mit der Rolle. Ich wusste genau, was Peter von Bilbo und damit von mir wollte.
Kann es sein, dass Sie auch deshalb so gut als Bilbo sind, weil dieser Hobbit – mehr oder weniger – britisch ist?
Das ist ganz lustig. Zu Beginn dachte ich ein paar Mal: „Wie würde das wohl ein englischer Schauspieler anlegen?“. Bis mir wieder einschoss, dass ich ja Engländer bin. Peter hat ein paar Mal – besonders zu Beginn – angemerkt. „Mach Bilbo englischer!“ Was für mich bedeutete, etwas herzustellen oder besser gesagt mich an etwas zu erinnern, das wohl in meinen Genen festgeschrieben sein muss. Der Deutsche ist pflichtbewusst. Der Franzose lebt gern. Und der Engländer ist halt gemütlich und schätzt eine gewisse Häuslichkeit. Ist geradeheraus und zugleich verletzlich. Das musste ich nicht besonders spielen. Das war irgendwo in mir und ich musste es nur finden.
Viele der Schauspieler mussten für die Filmreihe extra trainieren, Muskeln aufbauen.
OK, das musste ich jetzt nicht. Bilbo ist ja nicht der typische Superheld. Er ist wohl die Art Held, die ich glaubhaft spielen kann. Aber es war natürlich eine gewisse Art der Vorbereitung nötig. Die Dreharbeiten für die Filme - zuerst waren ja zwei, erst später dann drei Teile geplant – dauerten insgesamt 18 Monate in Neuseeland. Für jeden Teil mussten wir dann immer noch mal zu Dreharbeiten einfliegen. Diese Monate waren sehr intensiv. Da durfte man nicht eben mal so ausfallen. Deshalb waren auch die von uns, deren Muskeln nicht aufgepumpt waren, extrem auf den Punkt fit.
Wir sprechen hier von Blockbuster-Kino, das auf einem Kinderbuch basiert. Haben Sie Bilbo trotzdem so angelegt, dass dabei auch eine Entwicklung der Rolle herauskommt, die Sie fordert?
Das eine muss das andere nicht ausschließen. Gute Kinderliteratur erzählt ja immer ein bisschen mehr als „nur“ das Märchen. Hinter der Oberfläche tut sich was, wenn es ein gutes Buch ist. Und „Der Hobbit“ ist meiner Ansicht nach ein gutes Buch. J.R.R. Tolkien hat es zwar als Gute-Nacht-Geschichten für seine Kinder geschrieben. Aber er hätte es niemals in dieser Intensität schreiben können, wenn er nicht im ersten Weltkrieg gewesen wäre. All das Schreckliche, das er da erlebte, steckt in der Figur des Bilbo drin. Welche entsetzlichen Dinge der Mensch dem Menschen antun kann. Da findet auf jeden Fall eine Entwicklung statt, die mich auch als Schauspieler gereizt hat.
Wie beendet Bilbo die Reise?
Als ein Hobbit, der die kommenden Jahre und Jahrzehnte genießen wird. Aber er kann sie umso mehr genießen, weil er nun die Welt kennt. Und damit auch wesentlich mehr weiß als die anderen Bewohner des Auenlandes. Dass sich nämlich nicht alles um sie dreht. Er hat viel von seiner Selbstbezogenheit auf dieser Reise verloren.
Wie sieht es mit Ihrer Bereitschaft zum Abenteuer aus?
Die habe ich in dem Moment unter Beweis gestellt, als ich beschlossen hatte, Schauspieler zu werden.
Die vielen Charaktere, die man spielen kann?
Von wegen. Ja, das natürlich auch. Aber ich meine etwas völlig anderes. Wenn man Schauspieler wird, lässt man sich auf einen Beruf ein, in dem nichts geregelt ist. Keine festen Arbeitszeiten. Keine festen Löhne. Kein Anspruch auf Urlaub. Sicher, Sie können jetzt auf mich zeigen und meinen, dass es mir gut geht. Stimmt auch! Aber was glauben Sie, wie viele Menschen gleichzeitig mit mir den Traum hatten, auf einer Bühne zu stehen oder vor einer Kamera? Und nur die kleine Gruppe, der man manchmal das Etikett Star verleiht, hat gewisse Freiheiten. Für alle anderen ist das berufliche Überleben das reine Abenteuer.
Hat sich Ihr Leben durch den Erfolg des „Hobbit“ wesentlich verändert?
Nein, kann ich nicht sagen. Ich mache den Beruf ja nun schon eine Weile. War bisher in Großbritannien ganz gut bekannt. Dort hat man mir auch schon mal im Restaurant auf den Teller geblickt. Das geschieht nun weltweit – Yippie! Die Freude ist groß, das dürfen Sie mir glauben. Ich rede natürlich nicht von den Fans, die meine Arbeit schätzen. Aber der ganze Rummel, der immer dann veranstaltet wird, wenn ein Film in die Kinos kommt, der könnte mir getrost gestohlen bleiben.
Werden Sie Bilbo vermissen?
Ich halte es ziemlich britisch. Alles muss ein Ende haben. Selbst das Leben. Und wenn sogar die Beatles irgendwann mal aufgehört haben, als Band zu existieren. was soll ich dann sagen?! Es ist gut, wenn Dinge abgeschlossen werden. Wie soll man sonst vernünftig zurückschauen können. Wenn ich mir vorstelle, dass ich die nächsten 30 Jahre immer wieder Bilbo spielen müsste? Für mich wäre das eine Horrorvorstellung!
Und wie sieht es mit „Sherlock“ aus?
Ehrlich gesagt dachte ich zu Beginn: Bei diesen miesen Drehbüchern kommen wir über eine Staffel nicht hinaus! Aber die Qualität hat sich verbessert, die Fans mögen uns Jahr um Jahr, Benedict Cumberbatch ist ein großartiger Kollege. Bis 2016 geht es auf jeden Fall noch weiter.
Zum Schluss noch eines, Mister Freeman: Werden Sie künftig wie in „Der Hobbit“ auch behaarte Füße tragen?
Nicht, wenn ich es irgendwie vermeiden kann. Jeden Morgen musste ich beim Dreh mit frisch rasierten Beinen in die Garderobe kommen. Dort warteten schon zwei Damen auf mich. Nachdem ich noch Puder auf meine Füße gestreut hatte, wurde dieses Teil - im Prinzip wie ein Strumpf - über mein Bein gestülpt. Das allein hat zehn Minuten pro Bein gebraucht. Und dann konnte ich mit dem Rest des Kostüms beginnen. Danke nein, das brauche ich in diesem Leben nicht mehr!