Ricki - Wie Familie so ist

Meryl Streep lässt es rocken


FilmClicks:
Pure Lebensfreude auf der Bühne: Ricki (Meryl Streep) und Greg (Rick Springfield) rocken © Sony
DIE STORY: „Ricki - wie Familie so ist“ (oder, so der zündende Originaltitel, „Ricki and The Flash“) erzählt vom Rock’n’Roll und von der Familie.
Meryl Streep spielt die Titelfigur. In einem früheren Leben war diese Ricki mal sehr bürgerlich verheiratet und wurde dreifache Mutter. Dann aber siegte die Liebe zur Rockmusik. Sie verließ die Familie, um die Bühne zu erobern. Zum Ruhm hat’s da zwar nie gereicht, aber Ricki genießt die Auftritte mit ihrer Band The Flash in kleinen Clubs. Nebenbei jobbt die hippe 60-Jährige an der Kasse eines Supermarkts.
Rickis Leben gerät aus dem Rhythmus, als sie einen Anruf von ihrem Exmann Pete (Kevin Kline) erhält. Die gemeinsame Tochter Julie (Mamie Gummer) wurde von ihrem Verlobten verlassen und geriet in eine große Krise. Ricki fliegt hin, um Beistand zu leisten. Doch sie gerät in eine Familiensituation, die mit dem Wort dysfunktional noch höflich umschrieben ist.

Tochter und Mutter: Mamie Gummer und Meryl Streep © Sony

DIE STARS: Die dreifache Oscar-Gewinnerin Meryl Streep hat auf der Leinwand schon oft bewiesen, wie gut sie singen kann - Country-Songs, Abba-Pop („Mamma Mia!“) oder, zuletzt, anspruchsvolles Musical („Into The Woods“). Als Ricki zeigt sie jetzt, dass sie auch im Classic Rock sattelfest ist. Kompliment!
Zusammen mit Mamie Gummer Mutter und Tochter zu spielen, fiel Meryl Streep gewiss nicht schwer. Schließlich ist die hochbegabte Mamie auch im wirklichen Leben Meryls Tochter.
Rick Springfield, der im Film Rickis Musikerkollegen und Verehrer Glen spielt, kennt das Gefühl, als Musiker großem Erfolg zu haben. Er ist ein veritabler Rockstar - mit beachtlichem schauspielerischem Können.
Regisseur Jonathan Demme ist mit epochalen Filmen wie „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Philadelphia“ einer der großen Meister seiner Zunft.
 
DIE KRITIK: Wenn es stimmt, dass Gegensätze einander anziehen - dann müssten die Rockerin Ricki und ihr Ex-Mann Pete eigentlich ein Traumpaar sein. Kevin Kline spielt diesen Pete so glattgebügelt bürgerlich, dass man ihn sich ohne Krawatte gar nicht vorstellen kann. Dabei so reich, dass er seine Protzvilla hinter den hohen Mauern einer geschützten Siedlung versteckt.
Und sie? Als Ricki im Film bei Pete ankommt, muss sie ihn erstmal ums Kleingeld fürs Taxi bitten. Meryl Streep porträtiert Ricki als Künstlerin, die feste Strukturen hasst und das spontane Leben liebt. Sehr attraktiv, aber mit erkennbaren Jahresringen.
Die gemeinsame Tochter Julie (Mamie Gummer) wirkt wie eine wilde Mischung aus Mom und Dad. Einerseits wäre sie bereit, mittels Eheschließung ins bürgerliche Leben einzusteigen. Andererseits ist sie unzähmbar wild und stets zu direkten, auch verletzenden Sprüchen fähig. Und sie ist unsagbar böse auf die Mutter. Weil die es vorzug, in zweitklassigen Bars erstklassige Rock-Hits nachzuspielen, anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern.
Die Oscar-gekrönte Autorin Diablo Cody („Juno“) hat hier eine Familienaufstellung konstruiert, die von der ersten bis zur letzten Minute heißen Stoff zum Streit (aber auch zur Versöhnung) bietet. Doch trotz aller Stürme bleibt die Story erstaunlicherweise in Summe ein bisschen brav. Weil vorhersehbar. Erst durch den Rock’n’Roll und, vor allem, durch Meryl Streep wird „Ricki“ so richtig zum Erlebnis.
Wenn Ricki and The Flash auf die Bühne klettern, brennt die Atmosphäre. Regisseur Jonathan Demme gibt der Musik gottlob breiten Raum. Meryl Streep hat für den Film eigens Gitarre gelernt, und sie fällt nicht ab gegen ihre Begleiter, die nur so tun, als wären sie eine Vorstadtband (in Wahrheit sind sie höchst renommierte Musiker). Der Spirit des Rock kommt echt und unverfälscht aus den Lautsprechern und auf die Leinwand.
Und natürlich ist Meryl Streep - wie sollte es anders sein - auch als Schauspielerin ein Gedicht. Mit rauer Stimme (die Folge von Zigaretten und Alkohol?) und irrlichterndem Ego (die Folge der Wirkung von bewusstseinserweiternden Substanzen?) ist ihre Ricki eine Frau, die schon bessere Zeiten gesehen hat, sich aber kein besseres Leben vorstellen kann. Die Träume von der großen Karriere sind längst erloschen, doch ein paar Akkorde genügen, um das künstlerische Feuer wieder lodern zu lassen. Großartig.
Und besonders toll sind die Szenen zwischen der Streep und ihrer Tochter Mamie Gummer. Wie da alle Emotionen auflodern zwischen kaum verhüllter Aggression und stark verhüllter Zuneigung. Und wie da zwei Lebensmenschen miteinander im Clinch liegen, um - mal unbewusst, mal ganz gezielt - doch wieder den Weg einander zu finden: Das hat eine außergewöhnliche Qualität.
 
IDEAL FÜR: Meryl-Streep-Fans und Rock-Fans.






Trailer
LÄNGE: 100 min
PRODUKTION: USA 2015
KINOSTART Ö: 03.09.2015
REGIE:  Jonathan Demme
GENRE: Drama|Komödie|Musikfilm
ALTERSFREIGABE: ab 6


BESETZUNG
Meryl Streep: Ricki
Mamie Gummer: Julie
Kevin Kline: Pete
Rick Springfield: Greg
Audra McDonald: Maureen

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