DIE STORY: „Lucy“ ist ein schussgewaltiger Action-Thriller von Luc Besson, der gewagte Ausflüge in ein fremdes Terrain riskiert. Es geht (auch) um Wissenschaft und Spiritualität.
Der Plot: Als sich die Studentin Lucy (Scarlett Johansson) in Taipeh dazu breitschlagen lässt, einen silberglänzenden Koffer abzuliefern, da ist sie im Grunde schon selbst geliefert. Denn der Empfänger des Gepäckstücks ist die chinesische Mafia, und der Inhalt ein kobaltblaues Pulver namens CPH4, das als Droge magische Wirkung entfalten soll.
Lucy bekommt ein Paket CPH4 in den Körper implantiert. Sie soll das Zeug nach Europa schmuggeln, doch etwas geht schief. Bei einem Kampf mit den Gangstern platzt der Beutel in ihrem Inneren. Das CPH4 beginnt sich in Lucy auszubreiten.
Die Folgen? Machen wir einen Sprung zu Professor Norman (Morgan Freeman), der als Wissenschaftler folgendem Thema nachgeht: „Durchschnittlich nützt jeder Mensch nur zehn Prozent seiner geistigen Fähigkeiten. Was passiert, wenn man 100 Prozent erreicht?“
Nun, Lucy trägt die Antwort auf diese Frage, so will es der Film, in sich. Die konzentrierte Droge in ihrem Körper führt dazu, dass ihre Intelligenz, ihre Sensibilität und ihre Leistungsfähigkeit innerhalb weniger Stunden explodieren. Bis sie irgendwann bei den vollen 100 Prozent anlangt.
Spätestens dann hat die naive Blondine mehr drauf als alle Superhelden Hollywoods zusammen. Und die Grenzen von Zeit und Raum sind komplett aufgehoben: „Wir sterben niemals wirklich. Ohne die Zeit existieren wir nicht. Ich bin überall.“
DIE STARS: Scarlett Johansson – sexy, schussgewaltig und im Laufe des Films von Minute zu Minute schlauer -, untermauert einmal mehr, warum sie zu den Megastars in Hollywood gehört. Oscar-Gewinner Morgan Freeman („Million Dollar Baby“) punktet in einem Metier, das er besonders gut beherrscht: Als nachdenklicher Intellektueller mit väterlicher Aura. Der koreanische Darsteller Min-sik Choi, aus dem blutigen Fernost-Thriller „Oldboy“ bekannt, gibt einen sehr, sehr bösen Gangsterboss.
DIE KRITIK: Der französische Action-Guru Luc Besson watete in den letzten Jahren, als Autor und Produzent, durch die Untiefen des Popcorn-Kinos. Mediokre Thriller wie
„Brick Mansions“ oder
„3 Days To Kill“ floppten bei der Kritik und an der Kinokasse. Doch mit „Lucy“ hat Besson, der diesmal auch inszeniert, den Anschluss an seine großen Hits wie „Das fünfte Element“ wieder hergestellt.
„Lucy“ ist zunächst einmal ein Actionfilm, der die Zuschauer nach allen Regeln der Kunst auf eine Achterbahnfahrt schickt. Es wird geschossen und gekämpft, es gibt Intrigen, Machtspiele und Verfolgungsjagden. Die Figuren bleiben eindimensional wie in einem Comic, doch das schadet nicht: Besson montiert die Szenen und Bilder mit einem solchen Höllentempo, dass man während der kurzen 90 Filmminuten sowieso keine Sekunde zum Nachdenken kommt.
Das gilt auch für die wissenschaftlichen Themen, die „Lucy“ zu einem außergewöhnlichen Actionfilm machen. Besson reißt die Fragen nach der Intelligenz und nach dem Sinn unseres Seins nur ganz kurz an, zwischen Faustkämpfen, Überfällen und den übernatürlichen Verwandlungen seiner Titelfigur.
Auch hier hat man im Actiongewitter keine Chance, die Thesen zu reflektieren. Und es gibt Kritiker, die „Lucy“ mit geradezu wutschnaubenden Verrissen als pseudowissenschaftlichen Quatsch denunzieren.
Ich persönlich tendiere zu einer anderen Ansicht. „Lucy“ ist ein raues, rohes und knallbuntes Stück Actionkino, das zugleich auch über eine unbestimmte Ahnung vieler Menschen erzählt: Jene, dass es in unserer Existenz viel mehr Wahrheiten und Möglichkeiten gibt, als wir wahrnehmen. „Lucy“ entwickelt mit zunehmender Dauer immer mehr spirituelle Momente. Wer sich auf so eine Story einlassen mag, der wird sich prächtig unterhalten.
IDEAL FÜR: Action-Fans, die auch gegenüber übernatürlichen Gedanken offen sind. Und umgekehrt.