GESAMTEINDRUCK: „Juliet, naked“ ist ein ziemlich hinreißender Film über Liebe, Beziehungsfrust und Indie-Pop, der auf dem gleichnamigen Roman von Nick Hornby basiert.
DIE STORY: Die Engländerin Annie (Rose Byrne) lebt in einer freudlosen Beziehung mit dem Hochschulprofessor Duncan (Chris O’Dowd), dessen Leidenschaft dem Werk des mysteriösen Indie-Rockers Tucker Crowe gehört. Als Duncan eine Demo-CD mit dem Titel „Juliet, naked“ in die Hand bekommt – Tucker Crowes erstes Werk nach 25 Jahren Pause – schreibt er eine Hymne darüber in seinem Blog. Und Annie schreibt einen Verriss. Kurze Zeit später erhält sie ein Mail von einem Absender, der sich als Tucker Crowe ausgibt. Ein Briefwechsel beginnt. Dann folgt eine Begegnung. Kein Zweifel, der Mann (Ethan Hawke) ist wirklich Tucker Crowe. Er und Annie kommen einander näher.
DIE STARS: Mit Bestsellern wie „Fever Pitch“ („Ballfieber“), „High Fidelity“ oder „About A Boy“ ist Nick Hornby einer der wichtigsten Autoren der Pop-Literatur. Sein Roman „Juliet, naked“ erschien 2009.
Regisseur Jesse Peretz ist ein Filmemacher mit engen Beziehungen zum Indie Rock. Er begann seine Laufbahn in den Achtzigern als Bassist und Mitbegründer der Band The Lemonheads.
Für die Rollen des unglücklichen Paars aus England, Annie und Duncan, wählte Peretz die Australierin Rose Byrne („X-Men: Erste Entscheidung“) und den Iren Chris O‘Dowd („Immer Ärger mit 40“) aus. Byrne und O’Dowd standen schon im Komödien-Hit „Brautalarm“ gemeinsam vor der Kamera. US-Star Ethan Hawke („Before Sunrise“, „Boyhood“) hat im Lauf seiner langen Karriere bereits vier Oscar-Nominierungen gesammelt.
DIE KRITIK: Aus unglücklichen Beziehungen wächst eine glückverheißende Begegnung: Nick Hornby hat sich für seine Romanze „Juliet, naked“ ein gelungenes Grundrezept ausgedacht, das durch die vielen Querverweise zur Popmusik eine besondere Würze erhält.
Denn: Welche Musikfreundin würde es sich nicht wünschen, so wie Annie einmal von einem veritablen Rockstar angemailt zu werden? Auch wenn die große Zeit dieses Stars lang vorbei ist und wenn seine neue Musik der Adressatin gar nicht gefällt? Auf alle Fälle liegt die Vermutung nahe, dass der (nicht mehr ganz so) berühmte Mann auf ein interessantes Leben zurückblicken kann, über das es sich zu reflektieren und zu diskutieren lohnt.
So kommt’s dann auch in dieser Geschichte. Die scheue Annie und der gern mal irrlichternde Sänger Tucker Crowe entbrennen nicht in einer Amour fou füreinander. Sie lernen einander erst mal ganz prosaisch durch eine Art Brieffreundschaft kennen. Und wenn sie dann erstmals zueinander finden, hat Autor Hornby genug Hindernisse eingebaut, damit keine feurige Liebe auf den ersten Blick entstehen kann. Dazu braucht‘s dann schon den zweiten Blick oder den dritten.
Stichwort Blicke: „Juliet, naked“ ist nicht nur eine Romanze, sondern auch eine Story über das, was wir wahrnehmen – und was nicht.
Der rockbegeisterte Professor Duncan ist so auf sein Forschungs- und Verehrungs-Objekt Tucker Crowe konzentriert, dass er seine Lebenspartnerin Annie schon lange nicht mehr wahrnimmt. Annie wiederum spürt zwar eine undifferenzierte Sehnsucht nach einem aufregenderen Leben (und nach einem Kind!), hat sich aber mehr oder minder freiwillig Scheuklappen aufgesetzt, die ihr die Sicht auf die weite Welt verstellen. Bis Tucker Crowe kommt.
Dem wiederum sind alle Wahrnehmungen wurscht, mit denen er von seinem Ultra-Fan Duncan charakterisiert wird. Nach egozentrischer Künstler-Manier hat er sein Leben lang nur das wahrgenommen, was er gerade wollte. Dafür muss er jetzt bezahlen: Seine Karriere ist im Eimer. Sein Familienleben (er hat fünf Kinder von vier Frauen) ist ein giftig blubberndes Gebräu, aus dem ständig unangenehme heiße Fontänen aufsprühen können.
Nick Hornby und Filmregisseur Jesse Peretz destillieren aus dieser schwierigen Gemengelage eine Komödie, in der die Probleme zwar ernst genommen, aber vorzugsweise mit augenzwinkernder Heiterkeit attackiert werden. Natürlich sind die groteskesten Momente zugleich die komischsten (etwa dann, wenn Edel-Fan Duncan erstmals Tucker Crowe gegenübersteht, den Star aber einfach nicht erkennt). Der Film lacht mit und manchmal auch über seine Protagonisten, steht ihnen aber letztlich stets in großer Solidarität zur Seite. Und so eröffnen sich für Duncan, Tucker und Annie schlussendlich neue Sichtweisen aufs Leben, auch wenn „Juliet, naked“ einen großen Bogen um ein Happy End der konventionellen Art macht.
So bietet dieser feine Film, in dem Indie-Rock nicht nur immer wieder ein Thema, sondern auch zu hören ist, prächtige Unterhaltung mit viel Tiefgang. Daran haben natürlich auch die drei Protagonisten ihren Anteil. Ethan Hawke ist brillant als verpeilter Künstler, der seine Defizite mit klugen Gedanken und einer Riesenportion Charme ausgleichen kann. Rose Byrne porträtiert Annie als kluges, aber allzu duldsames Wesen, das einen kräftigen Anstoß von außen braucht, um endlich mal richtig Gas zu geben. Und Chris O`Dowd hat als nicht mehr ganz junger Fanboy zwar die undankbarste Rolle, gibt seinem Duncan aber so viel Substanz, dass er der Gefahr, lächerlich zu wirken, entgeht.
IDEAL FÜR: Alle Fans von Indie-Pop. Indie-Romanzen und von den Geschichten von Nick Hornby.