Viennale: Neue Direktorin Eva Sangiorgi

„Die beste der Besten gefunden“

11.01.2018
von  Gunther Baumann
Eva Sangiorgi: Die Italienerin übernimmt für die nächsten drei Jahre die Direktion der Viennale © Viennale
Die Viennale hat eine neue Direktorin. Die 39-jährige Eva Sangiorgi tritt Ende März die Nachfolge des im Vorjahr verstorbenen Hans Hurch an; ihr Vertrag läuft vorerst drei Jahre. Die Italienerin muss auf dem Weg nach Wien nicht die Alpen, sondern den Atlantik überqueren: Sie kommt aus Mexico City, wo sie 2010 das internationale Filmfestival FICUNAM gründete, das sie seither leitet. Die Viennale ist ihr als Mitglied des „professionellen Publikums“ vertraut: „Ich war schon sieben oder acht Mal beim Festival in Wien. Es ist eine große Ehre, nun als Direktorin eines so visionären Projekts zu arbeiten.“
Vorstellung. Strahlende Gesichter auf dem Podium: „Die internationale Ausrichtung der Viennale wird durch die Bestellung von Eva Sangiorgi noch verstärkt“, sagte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny am 11. Jänner bei der Vorstellung der neuen Direktorin im Metro Kinokulturhaus.
 
Der interimistische künstlerische Leiter Franz Schwartz lobte den „fantastischen Ablauf“ der Ausschreibung und Viennale-Geschäftsführerin Eva Rotter blickte bereits in die Zukunft: „Das Team der Viennale freut sich riesig auf die Zusammenarbeit mit einer wunderbaren Persönlichkeit, die viel Erfahrung und internationale Kontakte mitbringt.“ Nachsatz: „Eva Sangiorgi ist eine hervorragende Programmiererin.“  
 
Verantwortung. Letzteres sei sehr wichtig, denn die Viennale will auch mit der neuen Direktorin eine Tradition aus der Ära Hans Hurch aufrecht erhalten: „Eine einzige Person wählt die Filme aus, kann jede einzelne Entscheidung begründen und übernimmt dafür die volle Verantwortung.“
 
Eva Rotter hatte schon zu Beginn der Ausschreibung weit über Österreichs Landesgrenzen geblickt: „Für das Festival wäre eine internationale Lösung fantastisch“, sagte sie im November 2017 in einem FilmClicks-Interview. „Ich glaube, dass dies auch Hans Hurch bevorzugen würde: Dass man eine neue Leitung findet, die nicht mit den Wiener Cliquen verbunden ist.“

Viennale-Leitung: Direktorin Eva Sangiorgi und Geschäftsführerin Eva Rotter © Viennale

Doch auch heimische Bewerber hätten ihre Chance gehabt, betont Franz Schwartz als Mitglied der Findungskommission: „Bei der Ausschreibung gab es zwölf internationale und 18 österreichische Bewerbungen. Alle wurden gleich behandelt. Wie ließen uns in keiner Weise von der Nationalität beeinflussen; auch die deutsche Sprache war kein Kriterium. Mit Eva Sangiorgi haben wir die beste der Besten gefunden.“
 
Ausrichtung. Die künftige Direktorin skizzierte im Pressegespräch erste Ideen für die Ausrichtung der Viennale. „Ich möchte die derzeitige Programmstruktur dieses einzigartigen Festivals ein wenig modifizieren und die Trennung zwischen Dokumentar- und Spielfilm aufheben, da die Grenzen dieser Genres immer mehr verschmelzen. Außerdem werde ich größeres Augenmerk auf Produktionen von bis dato unbekannten Filmschaffenden legen, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Ich schlage fixe, allabendliche Gespräche zwischen Filmschaffenden und Publikum im Festivalzentrum vor.“

„Signal für weltoffene Kulturpolitik“: Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny © Viennale / Tuma

Unterstützung. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny sicherte der Viennale und ihrer neuen Direktorin die Unterstützung der Politik zu. „Die Stadt ist mit einem Zuschuss von knapp 1,5 Millionen Euro pro Jahr der wichtigste Partner der Viennale. und das wird selbstverständlich so bleiben.“ Das Engagement von Eva Sangiorgi nannte er „ein Signal für eine weltoffene Kulturpolitik – in einer Zeit, die durch den verengten Blick und durch Nationalismus geprägt wird. Doch Kunst und Kultur können nur aus Vielfalt entstehen. Abschottung ist Provinzialismus – die Viennale ist das Gegenteil davon.“ Kurze Pause. „Außerdem freue ich mich, dass wieder eine Frau eine Kultur-Institution in Wien leitet.“
 
Eva Sangiorgi hörte bei diesen Worten lächelnd zu, musste sich die Bedeutung aber übersetzen lassen. Denn die polyglotte Ialienierin spricht zwar außer ihrer Muttersprache auch Englisch, Spanisch und Französisch, doch (noch) kein Deutsch. Das soll sich bald ändern. Eva Rotter über Eva Sangiorgi: „Sobald sie Ende März nach Wien übersiedelt, wird sie auch Deutschkurse besuchen.“

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Willkommen!
Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny staunte bei der Vorstellung von Eva Sangiorgi darüber, dass der Name der neuen Viennale-Direktorin bis zum Pressegespräch geheim geblieben war: „Das ist mir in Wien noch nie passiert.“
Das Ausbleiben von Gerüchten könnte einen einfachen Grund haben: Die Italienerin Sangiorgi, die seit 2010 als Festivalchefin in Mexico City agiert, ist in unseren Breiten bis dato eher unbekannt. Nur Insider kennen ihre Arbeit.
Die Viennale schwärmt in einer Aussendung darüber, mit Eva Sangiorgi eine „Größe des Festivalgeschehens“ engagiert zu haben, die „international vernetzt, anerkannt und fest verankert“ ist. Bei der Präsentation im Metro Kinokulturhaus hinterließ die Italienerin nicht nur einen sympathischen, sondern auch einen kompetenten Eindruck.
Natürlich beginnt in der Szene jetzt die Diskussion, ob man für die Nachfolge von Hans Hurch nicht eine österreichische Lösung hätte finden können. Klar, hätte man. Aber diese Diskussion ist kleinkariert. Film ist eine globale Kunstform. Die Viennale ist ein internationales Festival. Warum also soll sie nicht eine Direktorin bekommen, die den Blick von außen nach Wien mitbringt?
Eva Sangiorgi steht vor einer anspruchsvollen Aufgabe. Hans Hurch hat das kleine Wiener Festival im Lauf der Jahre zu einem großen Festival gemacht, das von Filmkünstlern und vom Publikum gleichermaßen geliebt wird. Ob es die neue Direktorin schaffen wird, dieses Niveau zu halten oder gar zu übertreffen, werden wir nach der Viennale 2018 sehen. Bis dahin heißen wir Eva Sangiorgi in Wien herzlich willkommen – und wünschen ihr viel Erfolg!    bau