Viennale 2017

Programm: Starke Filme, Christoph Waltz und eine Hommage an Hans Hurch

16.10.2017
von  Gunther Baumann
Das Fest kann beginnen: Gespannte Viennale-Atmosphäre im Wiener Gartenbau-Kino © Viennale
Die Viennale 2017 hat am 19. Oktober gebonnen. Zwei Drittel des Programms wurden noch von Langzeit-Direktor Hans Hurch zusammengestellt, der am 23. Juli in Rom so tragisch an einem Herzinfarkt verstarb. In den 15 Festival-Tagen bis zum 2. November sind rund 200 Filme zu sehen.  Das Programm besteht wie immer aus herausragenden Werken des internationalen Filmjahres und berühmten Klassikern. FilmClicks präsentiert die Höhepunkte des Wiener Filmfestivals.
Viennale-Eröffnungsfilm „Lucky“: Harry Dean Stanton in seiner letzten Rolle © Viennale

Eröffnung.
Der Eröffnungsfilm der Viennale 2017 heißt „Lucky“ und ist eine Ankunft und ein Abschied zugleich. Die Ankunft: Der Schauspieler John Caroll Lynch gibt sein Debüt als Regisseur. Der Abschied: Für den Hauptdarsteller Harry Dean Stanton, der am 15. September 91-jährig starb, wurde „Lucky“ der letzte Film seiner Karriere. Die Viennale nennt den Film „einen klugen, wehmütigen Liebesbrief von einem Charakterdarsteller an einen anderen. John Caroll Lynch führt Harry Dean Stanton noch einmal zurück in die staubigen Wüstenlandschaften, durch die er vor 33 Jahren in ,Paris, Texas‘ geschlurft ist.“. Regisseur John Caroll Lynch kommt zur Viennale-Eröffnungsgala am 19. Oktober nach Wien.   
 
Finale. Für den Festival-Ausklang am 2. November hat man ein besinnliches Familiendrama aus Europa ausgewählt. Der französische Regisseur Robert Guédiguian erzählt in „La Villa“ die Geschichte eines Patriarchen, der an seinem Heimatort, einem malerischen Dorf am Meer nahe Marseille, ins Wachkoma gefallen ist. Seine erwachsenen Kinder kehren zur Betreuung des Alten ins Dorf zurück. Was als melancholischer Familientreff beginnt, entwickelt sich zu einem Diskurs über Generationenkonflikte und Klassenunterschiede, aber auch über das Schicksal von Flüchtlingen, die in Europa Sicherheit suchen.

Goldener-Löwe-Siegerfilm: „The Shape of Water“ von Guillermo del Toro © Viennale

Hauptprogramm.  Die Spielfilme und Dokumentationen im Hauptprogramm bieten wie immer eine feine Auswahl aus Festival-Höhepunkten und Neuentdeckungen.  Einige besonders interessante Spielfilme: „The Shape Of Water“ ist das neue düstere Fantasy-Märchen von Guillermo del Toro, mit dem der Regisseur im September den Goldenen Löwen von Venedig gewann. Weitere vielversprechende Titel: Der ungewöhnliche Geisterfilm „A Ghost Story“ (Regie: David Lowery; mit Casey Affleck und Rooney Mara), die Arthaus-Romanze „L'Amant d‘ un Jour“ (Regie: Philippe Garrel), die Fassbinder-Hommage „Casting“ (Regie: Nicolas Wackerbarth; mit Andrea Sawatzki und Andreas Lust), das stille Familiendrama „Hannah“ (Regie: Andrea Pallaoro; mit Charlotte Rampling), die grelle Pop-Collage „How To Talk To Girls At Parties“ (Regie: John Cameron Mitchell; mit Nicole Kidman und Elle Fanning), oder die libanesische Polit-Farce „The Insult“ (Regie: Ziad Doueiri), die beim Festival Venedig Furore machte. „Last Flag Flying“ (mit Steve Carell, Bryan Cranston und Laurence Fishburne) ist der neue Film von Richard Linklater.

Bei den Dokumentationen gibt’s einige interessante Produktionen zu Kultur-Themen. Um den Film geht es zum Beispiel in „78/52“ (Alexandre O. Philippe widmet sich Hitchcocks „Psycho“) oder in „Becoming Cary Grant“ (Mark Kidel begibt sich auf Spurensuche nach dem einstigen Megastar).Musik ist das Thema der FilmemacherInnen Sophie Fiennes „Grace Jones: Bloodlight And Bami“), Tabbert Fiiller  (in „The Public Image Is Rotten“ geht es um Ex-Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten) und Romuald Karmakar („Denk ich an Deutschland in der Nacht“ ist ein Porträt von Pionieren der elektronischen Musik). Frederick Wiseman zeigt im 196-Minuten-Werk „Ex Libris – The New York Public Library“, dass eine große Bücherei viel mehr Funktionen haben kann als jene, Lesestoff bereitzustellen.
 
Österreich.  Filme aus Österreich sind bei der Viennale gut vertreten. Im Spielfilm-Bereich gibt’s zum Beispiel das Künstler-Drama „Licht“, mit dem Regisseurin Barbara Albert schon bei den Festivals in Toronto und San Sebastian beeindruckte. Astrid Johanna Ofner schuf mit „Abschied von den Eltern“ eine Verfilmung der gleichnamigen autobiografischen Erzählung von Peter Weiss. Im Dokumentar-Bereich  beleuchtet „Cry Baby, Cry“ von Antonin Svoboda die Sorgen von Jungfamilien, deren Babys eine problematische Geburt hatten. Ruth Kaaserer widmet sich in „Gwendolyn“ der Anthropologin und Gewichtheberin Gwendolyn Leick, die nach einer Krebserkrankung einen neuen Anlauf ins Leben nimmt.
 
„Der Gott des Gemetzels“: Viennale-Stargast Christoph Waltz mit Kate Winslet © Viennale

Stars.
Der berühmteste Viennale-Besucher dieses Jahres ist Christoph Waltz. Der zweifache Oscar-Preisträger aus Wien kommt am 24. Oktober zu einer Gala ins Gartenbau-Kino. Im Tribute-Programm „Actor Unchained“ sind Hollywood-Hits von Waltz zu sehen, wie etwa Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“, aber auch frühe Werke aus Europa wie Ernst Josef Lauschers „Kopfstand“ (1980) oder das Roy-Black-Biopic „Du bist nicht allein". Obendrein kommen etliche renommierte RegisseurInnen nach Wien, unter ihnen Amos Gitai, Mathieu Amalric, Arnaud Desplechin, Valeska Grisebach und Vanessa Redgrave, die mit der Doku „Sea Sorrow“ ihr Regie-Debüt präsentiert.
 
Hans Hurch: Dem verstorbenen Viennale-Chef ist eine Hommage gewidmet © Viennale / Pelekanos

14 Freunde, 14 Filme.
Das wichtigste Sonderprogramm der Viennale 2017 ist ihrem langjährigen Direktor Hans Hurch gewidmet. An jedem Festival-Tag gibt’s um 18 Uhr im Stadtkino einen Film zum Gedenken an den Festival-Chef, der am 23. Juli in Rom völlig unerwartet verstarb. 14 Freunde von Hans Hurch aus aller Welt haben die Filme ausgesucht. Patti Smith etwa wählte den spanischen Klassiker „Der Geist des Bienenstocks“. Agnès Varda schlug Godards „Bande à Part“ vor, Jean-Marie Straub stellte sich mit Howard Hawks‘ Western „The Big Sky“ ein. Die Hommage endet am 2. November auf Vorschlag von Tilda Swinton mit Hans Hurchs Lieblingsfilm, „Au Hasard Balthazar“ von Robert Bresson.

Special Programs. Die Spezialprogramme des Wiener Filmfests haben höchst unterschiedliche Themen. In „Napoli! Napoli!“ geht es um die Entstehung des Neuen Neapolitanischen Kinos seit 1990. „Duell im Osten“ ist eine Werkschau der in Wien ausgebildeten deutschen Regisseurin Valeska Grisebach.  Das Programm „Carmen Cartellieri“, eine Retrospektive des Filmarchiv Austria,  ehrt eine fast vergessene Stummfilm-Diva aus Österreich.
 
Retrospektive. Die alljährliche Retrospektive der Viennale mit dem Österreichischen Filmmuseum trägt dieses Jahr den Titel „Utopie und Korrektur“. Es werden 30 Filme aus zwei bedeutsamen Aufbruchsphasen des sowjetischen Kinos gezeigt, die zu 15 dialogischen Paaren angeordnet sind. Werke aus dem 1920er und 1930en Jahren begegnen solchen aus der Zeit während und nach der Tauwetter-Periode, die auf Stalins Tod folgte.
  
MehrWert-Filmnacht. Der Viennale-Hauptsponsor Erste Bank lädt die Festival-Besucher in der Nacht der Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit zur MehrWert-Filmnacht ein. Im Gartenbau-Kino beginnt am 28. Oktober um 23 Uhr die Vorstellung von Jerry Lewis‘ berühmter komödie „Ladies Man“. Damit wird die Vorstellung zur Hommage an den legendären Komödianten Lewis, der am 20. August im Alter von 91 Jahren verstarb. Gratistickets gibt’s an den Viennale-Vorverkaufskassen.

Das Metro-Kinokulturhaus ist mit zwei Sälen Viennale-Schauplatz © Viennale

Schauplätze, Tickets, Infos. Die Viennale bespielt wie immer die Wiener Innenstadt. Wichtigster Schauplatz ist das Gartenbau-Kino mit 750 Plätzen. Dazu kommen das Urania-Kino, das  Stadtkino im Künstlerhaus und das Metro-Kino mit seiner Zweit-Spielstätte, dem Eric-Pleskow-Saal, im neuen Kinokulturhaus. Als quasi assoziiertes Kino wird auch das Filmmuseum in der Albertina genutzt, wo die Viennale-Retrospektive „Utopie und Korrektur“ gezeigt wird.
Für Diskussionen, Präsentationen und die allabendlichen Partys hat vom 20. Oktober bis 2. November täglich von 18 Uhr bis 4 Uhr früh das neue Viennale Festivalzentrum  in der Kunsthalle Wien im Museumsquartier (Wien 7., Museumsplatz 1) geöffnet. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen und Konzerten ist frei.
Der Ticketverkauf läuft. Einzelkarten kosten unverändert 9,50 Euro. Bei Abnahme von mindestens zehn Karten zahlt man 9 Euro pro Ticket, ab 20 Karten sind es dann 8,30 Euro.
Karten im Vorverkauf gibt es im Metro Kinokulturhaus (bis 2. 11.), im Viennale-Kiosk am Schottentor (bis  21. 10.) und im Gartenbau-Kino (bis 19. 10.). Natürlich sind die Kassen aller Festival-Kinos bei allen Vorstellungen geöffnet.
Darüber hinaus kann man Tickets auch telefonisch über die Nummer 01 526 594 769 bestellen (Bezahlung mit Kreditkarte). Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, Tickets via www.viennale.at online zu erwerben.
 
Alle detaillierten Programm- und Termin-Informationen: www.viennale.at




Interview
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