Arrival
Genre: Science Fiction
Regie: Denis Villeneuve (Kanada)
Star-Faktor: Hoch (Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker)
Venedig-Premiere: Im Wettbewerb um den Goldenen Löwen
Was Kanadas Star-Regisseur Dennis Villeneuve („Sicario“) in „Arrival“ entfacht, ist, wenn man so möchte, das intelligente Gegenstück zu Filmen wie „Independence Day“. Also: Auch hier kommen Aliens zur Erde. Aber sie schießen nicht. Und ihre Raumschiffe messen auch nicht 5.000 Quadratkilometer im Durchmesser. Sie gleichen eher wunderschönen schwarzen Lava-Steinen.
Zwölf Raumschiffe sind in „Arrival“ in verschiedenen Ländern der Welt gelandet. Dort herrschen Verwirrung und Angst. Denn die Aliens sind jetzt einfach da, tun aber in den ersten Stunden überhaupt nichts. Erste Kontaktaufnahmen über den Grund des Besuchs ergeben keinen Sinn, denn die Aliens sprechen keine Sprache, die etwas mit dem zu tun hat, was wir darunter verstehen. Es brummt und grummelt und zischt ein wenig.
An dieser Stelle kommt Amy Adams als Linguistin Dr. Louise Banks ins Spiel. Sie soll herausfinden, was die Außerirdischen wollen, gemeinsam mit dem Wissenschaftler Ian Donelly (Jeremy Renner). Forest Whitaker als Colonel Weber überwacht ihre Arbeit und drängt ständig darauf, dass Fortschritte in der Kommunikation erzielt werden müssen. Denn die Hardliner machen längst mobil: Unter anderem überlegt China, ob man nicht militärisch aktiv werden müsste.
„Arrival“ hat einen beinahe meditativen Fluss. Louise Banks hat ständig Visionen von ihrer Tochter, die sie gleich zu Filmbeginn zu Grabe tragen muss. Die Musik ist sehr atmosphärisch. Die Bilder sind zum Teil sehr dunkel gehalten, im Inneren des Raumschiffs wieder extrem klar und in den Visionen betörend schön.
Und die Story? Man darf nicht zu viel von diesem Puzzle zwischen Menschen und Außerirdischen verraten. Ja, die Aliens haben eine Mission und Louise steht im Mittelpunkt der Geschichte. Nein, der Film ist nicht linear erzählt und erst mit den letzten Bildern versteht man den Sinn der ganzen Sache. Und ja, auch Denis Villeneuve musste sich den Hollywood-Zwängen beugen und am Ende mehr erklären, als dem Film guttut.
(bed)
Kinostart: 10. November 2016
Kinochancen: Mittelhoch, da hier – bei aller Spannung – Intellekt vor Unterhaltung kommt
Gesamteindruck: Großer, kluger Science-Fiction-Film mit Oscar-Chancen
Nocturnal Animals
Genre: Thriller
Regie: Tom Ford (USA)
Star-Faktor: Hoch (Amy Adams, Jake Gyllenhaal, Michael Shannon)
Venedig-Premiere: Im Wettbewerb um den Goldenen Löwen
Der Modeschöpfer Tom Ford, der 2009 mit dem eindrucksvollen schwulen Beziehungsdrama „A Single Man“ sein Filmtalent entdeckte, hat sich für seine zweite Regie einen klassischen Thriller ausgesucht. Allerdings einen mit literarischen Anklängen. „Nocturnal Animals“ basiert auf einem Roman von Austin Wright, und ein Roman spielt auch in der Story eine wichtige Rolle.
Im Mittelpunkt steht Amy Adams in ihrem zweiten Venedig-Film nach „Arrival“. Diesmal spielt sie eine steinreiche, aber unglücklich mit einem Finanzjongleur verheiratete Kunsthändlerin, die eines Tages Nachrichten aus ihrer Vergangenheit erhält.
Diese Susan Morrow war einst mit einem aufstrebenden Literaten namens Edward Sheffield (Jake Gyllenhaal) verheiratet, den sie (auch) deshalb verließ, weil sie nicht an sein Talent glaubte. Nun, nach vielen Jahren, schickt er ihr ein Roman-Manuskript. „Nocturnal Animals“.
Susan beginnt sofort mit der Lektüre – und kann sich von der grausamen Geschichte nicht mehr lösen. Der Roman handelt von einem Mann (wieder gespielt von Jake Gyllenhaal), der mit seiner Familie bei einer nächtlichen Autofahrt durch Texas von jugendlichen Chaoten überfallen wird. Frau und Tochter des Mannes werden von den Gangstern getötet; er selbst kommt knapp mit dem Leben davon. Und er beginnt, gemeinsam mit einem texanischen Ermittler (hinreißend knorrig: Michael Shannon) nach den Tätern zu suchen.
Bei der Leserin Susan löst der Text Albträume aus. Denn sie erkennt, dass der Roman voller Chiffren steckt. Zwar gibt es keine Parallelen zwischen der nächtlichen Tragödie auf der Autobahn und der Liebestragödie zwischen Susan und Edward. Aber Edward hat zahllose Hinweise in sein Buch gepackt, die Susan bewusst machen, wie falsch ihre Entscheidung war, sich von ihm zu trennen.
„Mein Film handelt davon, dass wir die Konsequenzen unserer Lebensentscheidungen gut überlegen sollten – in einer Gesellschaft, in der viele auch ihre Beziehungen einfach wegwerfen“, kommentiert Tom Ford. In „Nocturnal Animals“ wird diese Botschaft in elegantes, wildes und blendend gespieltes Hochspannungs-Kino verpackt.
(bau)
Kinostart: 22. Dezember 2016
Kinochancen: Hoch – starker Thriller mit viel Tiefgang
Gesamteindruck: Der berühmte Modedesigner Tom Ford punktet mit einem Star-Ensemble einmal mehr als Filmregisseur
Die schönen Tage von Aranjuez
Genre: 3D-Drama nach Peter Handkes Theaterstück
Regie: Wim Wenders (Deutschland)
Star-Faktor: Im Leading Team hoch (Wim Wenders, Peter Handke und Nick Cave)
Venedig-Premiere: Im Wettbewerb um den Goldenen Löwen
Wim Wenders muss niemandem mehr etwas beweisen. Der 71jährige Regisseur ist einer der wenigen, dessen Meisterwerke, von „Paris, Texas“ bis zu „Der Himmel über Berlin”, überall auf der Welt gezeigt wurden und extrem erfolgreich waren. Wenn er sich nun in „Die schönen Tage von Aranjuez“ filmisch einem Theaterstück von Peter Handke annimmt, dann macht er das radikal und ohne Kompromisse.
Handke und Wenders, das ist eine Partnerschaft, die bis 1972 zurückreicht. Damals verfilmte Wenders „Die Angst des Tormann beim Elfmeter“. Beim neuen Film setzt der Regisseur wieder einmal aufs 3D-Format. Erneut ist es wunderschön zu sehen, wie herrlich unaufgeregt und natürlich Wenders dieses Stilmittel jeglicher Sensationsgier beraubt und in seinen Film integriert.
„Die schönen Tage von Aranjuez“ ist ein Dialogtext, der sich aufs Wesentliche beschränkt. Eine Villa oberhalb von Paris. Ein Schriftsteller denkt sich folgende Situation aus: Ein Paar sitzt vor ihm auf der Terrasse und unterhält sich über das Leben. Der Mann (Reda Kateb) schildert gern, was ihn in der Natur so bewegt. Die Frau (Sophie Semin) hingegen quält sich mit ihren Gefühlen. Beide reden konstant aneinander vorbei. Die Sommertage gehen ins Land. Mitten in der Unterhaltung tragen beide plötzlich andere Kleidung oder es ist statt Mittag plötzlich Abend: Der Fluss der Zeit.
Irgendwann – kaum einer verarbeitet Musik so schön wie Wim Wenders – stellt der Schriftsteller an einer alten Wurlitzer (für alle Spätgeborenen - eine Art iPod mit Schallplatten, nur viel grösser und schöner) den Nick-Cave-Klassiker „Into my Arms“ ein. Prompt sitzt dann Cave persönlich am Klavier und spielt. Eine wundervolle Szene.
Fazit: Ein Film, leicht wie eine Sommerbrise. Man nimmt wahr, was geschieht. Die Wahrscheinlichkeit, dass man im Kinosessel mal wegnickt, ist nicht gering. Und am Ende hat man den Kinokopf wieder mal freigepustet bekommen und hat ein wenig über das Leben gelernt.
(bed)
Kinostart: 24. November 2016
Kinochancen: Eher gering
Gesamteindruck: Wim Wenders liefert einen sehr altersweisen, aber auch extrem wortlastigen Film ab, der Arthaus-Kinogänger faszinieren könnte
The Light Between Oceans
Genre: Schicksalsdrama
Regie: Derek Cianfrance (USA)
Starfaktor: Hoch: (Alicia Vikander, Michael Fassbender, Rachel Weisz)
Wenn es einen Oscar für den Kino-Schmachtfetzen des Jahres gäbe – „The Light Between Oceans“ würde als großer Favorit ins Rennen gehen.
Als Roman war die Story von M. L. Stedman (deutscher Titel: „Das Licht zwischen den Meeren“) ein Welterfolg. Die Leser kennen sich aus: Es geht um ein junges Paar (Alicia Vikander & Michael Fassbender) auf einer einsamen Insel, dessen Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Sie erleidet zwei Fehlgeburten hintereinander. Doch dann wird eines Tages ein Boot an Landgespült. Darin liegen ein toter Mann und ein Baby, das überlebt hat.
Die Frau beschließt, das Mädchen als eigene Tochter großzuziehen. Ihr Mann, der Leuchtturmwächter, willigt widerstrebend ein. Als aber Jahre später herauskommt, dass die wahre Mutter (Rachel Weisz) in der Nähe an der Küste lebt und noch immer nach ihrem Kind sucht, nimmt das Schicksal seinen düsteren Lauf.
Regisseur Derek Cianfrance („Blue Valentine“) hat diese Geschichte fürs Kino tief im Schmalzfass versenkt. Das beginnt bei der Akustik: Auch wenn die Bilder ruhiges Wetter anzeigen, heult stets ein Sturm von Windstärke zwölf durch die Lautsprecher. Begleitet von einem aufdringlichen Edelkitsch-Soundtrack, bei dem man niemals annehmen würde, dass er vom großen Filmmusik-Komponisten Alexandre Desplat stammt.
Im Gegensatz zum Sturm aus allen Tonkanälen liegt das Spieltempo nahezu bei Null. Der Film lahmt; er braucht annähernd eine Stunde, um ein bisschen in Fahrt zu kommen. Doch wenn dann das Schicksal zuschlägt, wird auf der Leinwand sichtbar, dass große Schauspieler nicht immer große Leistungen abrufen können. Mal schreckensstarr, mal zornesrot, mal bebend vor Trauer und Schmerz: Die hochverehrten Mimen Alicia Vikander, Michael Fassbender und Rachel Weisz agieren geradezu grotesk überdreht. Das tut dem Film nicht gut und den Darstellern schon gar nicht.
Kinostart: 8. September 2016
Kinochancen: Hoch. Die Fans des Romans sind eine riesige Zielgruppe
Gesamteindruck: Der schmalzigste Film des Jahres