Girls Of The Sun
Genre: Kriegsfilm
Regie: Eva Husson (Frankreich)
Starfaktor: Mittel (Hauptrollen: Golshifteh Farahani und Emmanuelle Bercot)
Cannes-Premiere: Im Wettbewerb um die Goldene Palme
Der Titel verspricht eine luftige und helle Story, aber das Gegenteil ist der Fall. „Girls Of the Sun“ ist ein beinharter Kriegsfilm über eine Einheit jener kurdischen Kämpferinnen, die mit dem Sturmgewehr in der Hand zum Kampf gegen die IS-Truppen antraten.
Die Story beginnt bei der französischen Kriegsreporterin Mathilde (Emanuelle Bercot), die bei einem Einsatz in Homs ein Auge verloren hat, aber trotzdem unter allen Umständen zurück an die Front fliegen will. Dort begleitet sie die Einheit der Kurdin Bahar (Golshifteh Farahani), die einen Angriff auf eine vom IS gehaltene Kleinstadt plant. Der Weg dorthin führt durch einen Tunnel. Die Frauen schweben von der ersten Minute an in Lebensgefahr.
Der Film schildert sehr realistisch die Grausamkeit des Krieges, in dem nur überleben kann, wer bereit ist, zu töten. Die Angst der Frauen wird aus den Bildern genauso spürbar wie ihr fatalistischer Mut, trotzdem in den Kampf zu ziehen. Einige von ihnen sinken, tödlich getroffen, in den Staub.
In Rückblicken erfährt man eine Menge über die Herkunft der Kämpferinnen. Sie haben die Hölle bereits hinter sich. Bahar etwa, im Zivilberuf Anwältin, wurde nach einem IS-Überfall von Mann und Sohn getrennt und gemeinsam mit anderen Frauen in ein IS-Lager verschleppt, in dem sexueller Missbrauch an der Tagesordnung ist. Den Frauen gelingt es, zu flüchten. Danach ziehen sie in den Kampf.
„Girls Of The Sun“ ist ein sehr konventionell gestrickter Film; die Schilderung der Figuren ist streckenweise sehr klischeehaft. Das ändert nichts an der Wirkung dieser offenkundig genau recherchierten Geschichte, die hoch emotional über das Schicksal von Frauen im Krieg erzählt.
Ein zusätzlicher interessanter Aspekt ist das Porträt der Kriegsreporterin Mathilde. Die Frau hat durch den Beruf nicht nur ein Auge verloren, sondern auch ihren Mann, ebenfalls Kriegsreporter, der in Libyen ums Leben kann. Daheim in Paris wartet eine fünfjährige Tochter. Durch den gefährlichen Einsatz bei den Kurden riskiert sie, ihre Tochter zur Vollwaise zu machen. Ist es eine Form von Kriegs-Sucht, die die Beobachterin trotzdem an die Front treibt? Diese Frage bleibt offen.
bau
Kinostart: Noch kein Termin
Kinochancen: Beschränkt auf Zuschauer, die vor einem Kriegsfilm nicht zurückscheuen
Gesamteindruck: Hartes Kriegsdrama über Frauen, die von den Umständen dazu getrieben werden, in den Krieg zu ziehen
Another Day Of Life
Genre: Animationsfilm
Regie: Raúl de Fuente, Damian Nenow (Spanien/Ungarn)
Star-Faktor: Nicht vorhanden
Cannes-Premiere: In der Reihe Séance Spéciale
Der Name Ryszard Kapuscinski dürfte wohl nur den wenigsten Menschen etwas sagen. Unter Journalisten - oder besser gesagt: unter Kriegsreportern - genießt er hingegen einen legendären Ruf. Der Pole war in den 1970er Jahren für die polnische Nachrichtenagentur auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs.
1975 kam Kapuscinski nach Angola, als dort die portugiesischen Kolonialherren abzogen und das Land sich selbst überließen. Worauf sich neue Gruppen wie die UNITA und die MPLA bildeten und begannen, sich gegenseitig zu bekämpfen. Im Süden des Landes sollte es einen linken Anführer geben, den Kapuscinski unbedingt treffen und dessen Geschichte er erzählen wollte. Obwohl ihn alle Bekannten von der Reise Richtung Süden abhalten wollten, machte er sich auf den Weg.
Kapuscinski wurde nun zum Protagonisten des Films „Another Day Of Life“, der in Cannes Premiere hatte. Auch wenn bei den meisten Kinogängern bei den Begriffen Afrika, Kriegsreporter, 1975 und polnischer Reporter nicht sofort das Lämpchen für unbedingtes Interesse aufleuchten dürfte: Den Regisseuren Raúl de Fuente und Damian Nenow ist ein kleines Meisterwerk gelungen, an dem sie fast zehn Jahre gearbeitet haben. „Another Day Of Life“, ein faszinierendes Hybrid aus Trick- und Realfilm, ist aus der Perspektive von Kapuscinski erzählt.
Der Reporter stellt dem Zuschauer das Land Angola und dessen Hauptstadt Luanda vor. Er berichtet davon, was ihn dort so begeistert. Die Regisseure setzen immer da echte Bilder ein, wo es sie gibt. Wenn im vibrierenden Nachtleben von Luanda Menschen tanzen, dann ist da Material zu sehen, das die Regisseure in den letzten Jahren vor Ort gedreht haben. Geht es dann wieder um Kapuscinski, wechselt der Film, ohne dass man den Bruch sofort bemerkt, in den Zeichentrick. Der ist übrigens erstklassig geraten. Die Szenen sind vor allem in einem Studio in Hamburg entstanden.
Besonders faszinierend sind die schrecklichen Szenen des Krieges in Angola. Da fühlt man sich in Bilder von Hieronymus Bosch hineinversetzt. Und wenn Weggefährten von dereinst, die noch am Leben sind, über Kapuscinski berichten, geht man als Zuschauer den Weg in die Kriegswirren gern mit: Zu einem Mann, der verstehen wollte, was damals in Afrika abging. Entstanden ist so auch ein Werk über stille Helden der Kriege in Afrika, die nur zu leicht aus der Erinnerung verschwinden. Den Namen Ryszard Kapuscinski wird man nach diesem Film nicht mehr so schnell vergessen.
bed
Kinostart: Ende 2018
Kinochancen: Gar nicht schlecht
Gesamteindruck: Packender Animationsfilm für Erwachsene; Kriegsfilm und Geschichtsstunde zugleich