Klassenfahrt. „Welcome to Mockingjay City Tours”, scherzt Eike Wolf, der Sprecher des Studio Babelsberg, im Bus. Ein bisschen fühlt es sich an wie eine Klassenfahrt mit Hollywoodprominenz. Ein Reisebus voller Journalisten, und vorne in der ersten Reihe, wo sonst der Lehrer sitzt, hat diesmal der Regisseur Francis Lawrence Platz genommen, gemeinsam mit seiner Produzentin Nina Jacobson.
Die „Panem“-Serie ist ja die erfolgreichste Jugendbuchverfilmung nach „Harry Potter“, und Lawrence liefert eine erste kleine Erklärung ab, wo die Teile drei und vier in Deutschland gedreht wurden.
In Berlin wählte man drei Schauplätze aus: Das alte Kraftwerk in Mitte, den stillgelegten Flughafen Tempelhof und das einst futuristische Kongresszentrum ICC am Messegelände, ein Beton-Monster aus den Siebziger Jahren. Dazu kamen noch Locations im benachbarten Bundesland Brandenburg: Rüdersdorf und Krampnitz.
Crew. Sechs Wochen lang waren Cast und Crew im Sommer letzten Jahres in der Stadt. Regisseur Francis Lawrence (ein Amerikaner, der in Wien zur Welt kam) schwärmt von der Qualität des Teams hinter der Kamera: „Die deutsche Crew war fantastisch. Das ist keine Selbstverständlichkeit und immer ein Sicherheitsrisiko. Selbst in Amerika, wenn man außerhalb der großen Filmzentren in New York oder L.A. arbeitet. Aber die Motivation und die Fähigkeit der Leute hier hat mich überrascht, ich habe manchmal sogar vergessen, dass wir gar nicht in Amerika drehen“.
Die erste Location auf der „Panem“-Tour: das alte Kraftwerk in der Köpenicker Straße in Berlin Mitte, ein imposanter Betonkasten. Mit einem alten, quietschenden Fahrstuhl geht es nach oben, dreißig Meter über die Stadt in eine riesige, langgezogene Halle ohne Fenster.
Distrikt 13. Für den Film war die Halle perfekt, ein Drehort hoch oben, der im Film unter der Erde liegt – Teile aus Distrikt 13 wurden hier gedreht. „Wir hätten es auch bauen können, aber die Größe hier hätten wir in keinem Studio nachempfinden können. Wir haben etwas gesucht, das sich wie Untergrund anfühlt, ohne viele Türen, Fenster und Öffnungen“ erinnert sich Lawrence. Es ist fast schon klaustrophobisch in dieser Halle, nahezu perfekt für die Stimmung in Distrikt 13. Dennoch war der Ort nur ein Zufallsfund – eigentlich kam Lawrence aus anderen Gründen.
Architektur. „Vor allem die Architektur der Stadt hat uns begeistert. Wir haben nach etwas gesucht, das Brutalität mit klassischer Architektur vereint. Die Grundlagen unseres Setdesigns für das Kapitol basierten auf den Entwürfen von Germania (dem monumentalen, gottlob nie realisierten Berlin-Zentrum von Hitler-Architekt Albert Speer, Anm.). Damit nach Berlin zu kommen und Originalbauten aus dieser Zeit als Kulisse benutzen zu können, hat perfekt gepasst.“
Eine der Kulissen ist der frühere Flughafen Tempelhof mitten in der Stadt. Dort geht es zu Fuß auf der kleinen „Panem“-Rundreise im Gänsemarsch wieder nach unten. Durch das ehemalige Versorgungstunnelsystem auf die Rückseite der imposanten Gebäude.
Der Ausgang des Tunnels ist Schauplatz einer Schlüsselszene des Films. Allerdings muss man auch hier zweimal hingucken. „Wenn Sie den Film sehen, werden Sie merken, dass das Ausstattungs-Departement ganze Arbeit geleistet und viele Dinge hinzugefügt hat. Wir hatten einen Green-Screen für die Berge im Hintergrund. Wir haben sogar unsere eigenen Schienen verlegt und hatten einen funktionierenden Zug. Das gab uns die Möglichkeit, die Szene in einer einzigen Einstellung drehen zu können.“
Für die Verwandlung von Tempelhof in Panem hat unter anderem das Studio Babelsberg gesorgt, das als ausführende Produktionsfirma angeheuert wurde. 250 Leute waren festangestellt, mit Zulieferern kam die Produktion auf 500. Allein 120 Handwerker haben die Kulissen gebaut.
Styropor. Aufwendig, aber machbar, so der Unternehmenssprecher vom Studio Babelsberg, Eike Wolf: „Wir mussten wegen der ganzen Ruinen, die wir für den Set brauchten, vornehmlich mit Styropor arbeiten. Allein in Tempelhof hatten wir 16 Vierzigtonner im Einsatz. Das heißt: Alle Kulissen wurden in Babelsberg vorgefertigt und dann hierher transportiert.“
Styropor statt echtem Stein – gerade bei den Szenen mit Explosionen und Kämpfen war das für die Sicherheit der Schauspieler unerlässlich. Nur ein Problem, das ließ sich nicht so leicht lösen, erzählt Regisseur Francis Lawrence fast schon lachend: durch das kulturelle Angebot in der Hauptstadt musste er ab und zu auf seine Schauspieler warten. Die saßen nämlich lieber im Biergarten oder überzogen, wie Woody Harrelson, den Drehbeginn auf der anderen Straßenseite in der Columbiahalle bei einem Konzert.