Wüste. Nicole Kidman in der Titelrolle, dazu die Topstars Robert Pattinson (als D. H. Lawrence), James Franco und Damian Lewis: Es ist erstaunlich, welch glanzvolle Besetzung Werner Herzog für sein Wüsten-Werk „Queen Of The Desert“ zusammenbekommen hat.
Erstaunlich ist allerdings auch, wie wenig der deutsche Regie-Star mit diesem Ensemble anzufangen weiß. Herzog, der einst mit „Fitzcarraldo“ zeigte, dass er großes Erlebniskino im kleinen Finger hat, baute bei „Queen Of The Desert“ eine optisch wunderschöne, inhaltlich aber wackelige Collage aus Politthriller, Emanzipationsdrama, Romanze und Expeditions-Abenteuer zusammen. Der Film beginnt mit einer satirisch angehauchten Szene, in der Winston Churchill und andere britische Granden über Landkarten brüten – es geht um die Neuaufteilung des nach dem Ersten Weltkrieg zerfallenen Osmanischen Reichs. Einhellige Meinung: „Gertrude weiß am meisten.“
Dann folgt ein Zeitsprung zwölf Jahre zurück. Nicole Kidman, 47, spielt mit Grandezza und jugendlicher Aura die junge Gertrude Bell, eine selbstbewusste Frau aus dem britischen Geldadel, die in ihrem Leben etwas Besseres will als eine Existenz als Ehefrau in der besseren Gesellschaft.
Der Film begleitet Gertrude nach Teheran, wo sie sich unsterblich in einen jungen Gesandten (James Franco) verliebt. Und er begleitet sie später, nach dem tragischen Tod des Galans, in die Wüste. Die blonde Engländerin entwickelt eine fanatische Leidenschaft für Arabiens Landschaften und Menschen. In Begleitung einiger Einheimischer bricht sie zu großen Expeditionen auf, die sie nicht nur einmal in lebensgefährliche Situationen bringen. Und die ihr erst die Achtung der lokalen Stammesfürsten und dann den Ruf der „Queen Of The Desert“ eintragen.
So eine Geschichte ist ein satter, schmatzender Filmstoff, der allerdings in dieser US-Produktion mit einer Überdosis Hollywood-Kitsch gewürzt wurde.
Werner Herzog gelingen atemraubende Bilder und er spornt seine Stars zu sehenswerten Leistungen an (Nicole Kidman zeigt nicht nur ihr kunstvoll gepflegtes Gesicht, sondern auch große Schauspielkunst). Doch die kräftig angeschmalzten romantischen Sequenzen tun dieser rauen Geschichte aus Tausendundeiner Nacht nicht gut. Unterm Strich trägt „The Queen of Arabia“ weniger die Handschrift des großen Filmemachers Werner Herzog als jene einer konventionellen US-Großproduktion.
Polarwinter. Ähnlich zwiespältig, wenngleich aus anderen Gründen, wirkt der Berlinale-Eröffnungsfilm „Nobody Wants The Night“. Die spanische Regisseurin Isabel Coixet, die mit dem Todesdrama „Mein Leben ohne mich“ berühmt wurde, schildert die große Polar-Reise der Josephine Peary, deren Todesmut nicht ihr selbst, sondern ihren Begleitern zum Verhängnis wurde.
Die Globetrotterin Josephine Peary braucht in „Nobody Wants The Night“ kaum zwei Minuten, um es sich mit einem Teil des Publikums zu verscherzen. Da hat die Dame, gespielt von Juliette Binoche, einen Eisbären erschossen. Jubel: „Mein Bär, mein erster Bär!“ Auch im weiteren Fortgang des Films trägt sie ihre Flinte fast immer griffbereit.
Josephine Peary ist mit Robert E. Peary verheiratet, einem Polarforscher, dessen Lebensziel die Entdeckung des Nordpols ist. 1908 will sie ihn, von Grönland aus, quasi auf dem Rückweg abholen. Alle Warnungen der Polar-Experten vor der Expedition schlägt sie in jenen Wind, der ihr bald mörderisch entgegenstürmen wird. Die Ausfahrt, die mit drei Hundeschlitten beginnt, endet rasch im Fiasko. Die Männer sterben oder kehren um – Josephine bleibt am Leben. Ihre einzige verbliebene Begleiterin: Die junge Inuit-Frau Allaka (Rinko Kikuchi), die schwanger ist – wie sich herausstellt, von Josephines Mann.
Der Polarwinter mit seiner monatelangen Dunkelheit und seinen schweren Stürmen beginnt. Den beiden Frauen bleibt nur noch ein Iglu als einziger Zufluchtsort. Das Baby kommt zur Welt. Doch die Lage der drei ist faktisch ausweglos: Zu essen gibt es nichts mehr…
„Nobody Wants The Night“ zeigt einerseits spannendes Abenteuer-Kino, irritiert aber andererseits mit einer elitären Weltsicht, in der sich Josephine, die egomanische Abenteurerin aus der Zivilisation, der Inuit-Frau mächtig überlegen fühlt. Dabei hat sie es nur Allaka zu verdanken, dass sie in der Polarnacht so lange überlebt. Dass sie dann tatsächlich gerettet wird, Allaka und das Baby aber nicht, ist im Fall von Josephine verbürgt, und im Fall der beiden anderen eine Erfindung für den Film.
„Nobody Wants The Night“ und „Queen Of The Desert“ laufen beide im Wettbewerb um den Goldenen Bären – Anwärter auf große Preise sind sie wohl eher nicht. Da machte am 6. Februar viel eher ein kleiner Film aus dem Iran auf sich aufmerksam. „Taxi“.
Teheran. Am Steuer des Wagens, der durch Teheran kreuzt, sitzt der zu 20 Jahren Berufsverbot verdonnerte Regisseur Jafar Panahi. Doch das Fahren ist natürlich nur Nebensache. Jafar Panahi nutzt den Wagen, um seinen Gegnern im Regime ein Schnippchen zu schlagen. Denn unterwegs wird gedreht; Panahi tauscht sich mit seinen Fahrgästen über das Leben im Iran und über sein eigenes Dasein aus. Starker Beifall im Publikum.