Steven Spielberg über seine Filme, seine Themen, seinen Stil und seine österreichischen Wurzeln


„Meine Fantasie läuft immer noch auf Hochtouren“

22.07.2016
Interview:  Matthias Greuling

Steven Spielberg: „Das Filmen ist für mich ein Hobby, ein Geschenk und eine große Freude“ © Constantin

Sein Name ist ein Markenzeichen. Wer einen Film von Steven Spielberg anschaut, weiß, dass ihn schillernde Figuren, opulente Geschichten und überwältigende Bilder erwarten. Das gilt auch für Spielbergs jüngstes Werk, das Fantasy-Märchen „BFG – Big Friendly Giant“, das jetzt in unseren Kinos angelaufen ist. Im FilmClicks-Interview erzählt der Regisseur  über die Magie des Kinos, über seine unermüdliche Arbeitslust – und über die Wurzeln seiner Familie, die in Spielberg in der Steiermark liegen.


FilmClicks: Mr. Spielberg, vielen Filmfreunden gelten Sie als Kino-Magier. Ist das Kino für Sie ein magischer Ort?  
Steven Spielberg: Ja, unbedingt! Ich glaube, es ist manchmal sehr gut, sich in einem Märchen zu verlieren, denn dafür sind Filme ja gemacht: Um eine Pause von der realen Welt zu haben. Um darin vielleicht eine neue Sicht auf die Welt zu finden, aus dem Kino zu kommen und eine geschärfte Vorstellungskraft zu haben. Und auch die Hoffnung gefunden zu haben, dass man seine eigenen Träume verwirklichen kann. Das kann einem in der heutigen Welt nicht schaden.

„Im Kino eine neue Sicht auf die Welt finden“: Fantasy-Märchen „BFG“ © Constantin

Es gibt in Ihrer Filmografie eine Zweiteilung in märchenhafte Fantasy-Filme wie jetzt „BFG – Big Friendly Giant“ und Dramen mit sehr ernsten Themen. Brauchen Sie diese Genrewechsel als Korrektiv?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich muss sagen, ich habe keinerlei Plan, was meine Karriere betrifft. Ich setze keine bewussten Kontrapunkte zu dem, was ich zuletzt gemacht habe. Ich treffe meine Entscheidungen nicht nach dem Motto: Zuerst einen Film für die ganze Familie, danach einen für eine bessere Gesellschaft. Alles, was ich für die Gesellschaft mache, das mache ich privat zusammen mit meiner Frau. Aber in meiner Kunst suche ich nicht nach einer Balance. Sondern da geht es nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Wenn mir eine Geschichte mir auf die Schultern klopft und zu mir sagt: Wie schlecht würdest du dich fühlen, wenn du mich nicht erzählst? – dann erzähle ich sie.
 
Sehr oft sind Kinder die Stars Ihrer Filme, so auch in „BFG – Big Friendly Giant“. Was ist das Geheimnis in der Zusammenarbeit mit Kindern?
Das Geheimnis ist, dass ich Kinder am Set nicht von oben herab behandle, sondern auf Augenhöhe. Ich nehme sie als vollwertige Menschen ernst. Ich erinnere mich an die Dreharbeiten zu „E.T.“ (1982), als mir meine Drehbuchautorin Melissa Mathison zuflüsterte, ich solle mit Drew Barrymore nicht stehend sprechen, sondern mich zu ihr niederknien, um auf ihrem Körperniveau mit ihr zu sprechen. Diesen Ratschlag befolge ich seither immer wieder, wenn ich mit Kindern drehe. Alles muss auf einem Level stattfinden. Kinder wollen außerdem ohnehin nie wie Kinder behandelt werden, sondern wünschen sich  nichts mehr, als endlich erwachsen zu sein, was man als Eltern ja überhaupt nicht will. Man muss Kinder respektieren und ihnen zuhören, denn sie haben großartige Ideen.

„BFG“-Premiere: Spielberg mit den Darstellern Mark Rylance und Ruby Barnhill © Constantin

Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Gabe eines Regisseurs?
Zu wissen, wann es genug ist. Also, wann man eine Szene im Kasten hat, wann sie von der geschriebenen Vorlage zum Leben erweckt wurde. Dann braucht es keine weitere Einstellung mehr zur Sicherheit. Das habe ich über die Jahrzehnte gelernt. Als ich jünger war, drehte ich oft 30 Takes von einem einzigen Close-Up und saß dann etwas ratlos im Schneideraum. Heute bin ich viel effizienter geworden und gehe zur nächsten Szene, wenn ich spüre, dass ich habe, was ich brauche.
 
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren frühen Film „Duell“ von 1971, der Ihre Karriere begründete? Dieses Drama eines Autofahrers, der von einem Lastwagen verfolgt wird, gilt bis heute als epochal.
Meine Sekretärin gab mir damals diese Kurzgeschichte von Richard Matheson mit dem Titel „Duell“, die im Playboy erschienen war. Sie meinte, ich sollte mich darum bemühen, diesen Stoff zu verfilmen. Ich hatte gerade eine Folge von „Columbo“ mit Peter Falk gedreht und schnitt sie möglichst rasch zusammen, um damit bei einem Produzenten vorzusprechen, der mir daraufhin den Job gab. Für mich war der Film ein einzigartiger, unheimlicher Plot, sehr in der Tradition von Alfred Hitchcock. Ich dachte nicht, dass dieser Film für mich ein Karriere-Katapult werden würde. Aber „Duell“ eröffnete mir die Möglichkeit, meine Karriere als Kinofilmregisseur zu beginnen, denn davor hatte ich vier Jahre lang Fernsehen gemacht.
 
Sie werden Ende des Jahres 70. Warum arbeiten Sie immer noch so viel?
Für mich ist das Filmemachen keine Arbeit. Wäre es das, würde ich es nicht machen. Für mich ist es ein Hobby, ein Geschenk und eine große Freude. Ein Privileg, für das ich sehr dankbar bin. Natürlich: Wir arbeiten alle hart und der Job ist unglaublich anstrengend, aber ich würde diese Tätigkeit nicht in dieselbe Wortgruppe mit Arbeit stecken. Es ist wie eine kreative Notwendigkeit, diesen Beruf auszuüben, wie ein permanentes Jucken auf dem Rücken, das ich mit den Händen nicht erreichen kann und das mich antreibt. Meine Fantasie läuft immer noch auf Hochtouren. Solange mich meine Frau arbeiten lässt, werde ich das tun. Meinen Kindern hat das jedenfalls nie gefallen, denn ich bin spät nach Hause gekommen, oder sie haben mich am Set besucht und wollten Zeit mit mir verbringen, aber ich hatte kaum Zeit für sie und das lange Warten hat sie zermürbt. Das ist wohl auch der Grund, dass keines meiner sieben Kinder Regisseur geworden ist.
 
Ihr Nachname Spielberg…
…stammt von einem kleinen Ort in Österreich! Spielberg in der Steiermark hat mir vor zehn Jahren sogar das Ortsschild geschickt! Ich wusste nicht mal, dass es eine Stadt gibt, die so heißt wie ich. Aber im Ernst: Ich habe einmal meinen Vater gefragt, woher unser Name stammt, und er konnte unsere Familiengeschichte bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Wir waren angeblich Diener eines gewissen Baron von Spielberg, bei dem es üblich war, dass seine Untertanen ihre Namen ablegten und den ihres Herren annahmen. Unser Name ist also nicht Teil unserer genetischen Familiengeschichte. Wir wissen nicht, wer wir waren, sondern nahmen einen Namen an, der uns nicht gehörte.
 
Letzte Frage: Was ist die beste Entscheidung Ihres Lebens gewesen?
Kate Capshaw zu heiraten. Was für ein schöner Satz zum Schluss!



Kritik
BFG - Big Friendly Giant
Steven Spielberg schuf mit „BFG – Big Friendly Giant“ (nach der Kindergeschichte von Roald Dahl) ein großes Fantasy-Märchen, das außer den kleinen auch die erwachsenen Kinobesucher begeistern kann.   Mehr...