„Wir wussten, da ist uns etwas gelungen“
04.03.2016
Interview:
Matthias Greuling
„Zoomania“ ist der neueste Streich aus dem Hause Disney, bei dem die Animations-Filmkünstler wirklich alles richtig gemacht haben. Die Geschichte einer kleinen Häsin, die vom Land in die Metropole Zoomania reist, um dort Polzistin zu werden, ist nicht nur witzig, actionreich und intelligent, sondern steckt auch voller Referenzen an frühere Disney-Klassiker. Obendrein bietet der Film in jeder Einstellung immer wieder neue Entdeckungen. Der Film garantiert einen wunderbaren Kinobesuch für die ganze Familie. Ein Interview mit den Regisseuren Byron Howard und Rich Moore.
FilmClicks: In „Zoomania“ verstecken sich so viele Details, dass man den Film Bild für Bild studieren könnte und immer wieder etwas Neues entdeckte. Ist das Absicht, um später die DVD-Verkäufe anzukurbeln?
Rich Moore: (lacht) Es hat uns Spaß gemacht, all diese kleinen Details einzubauen, denn darum geht es ja in einem Film: Um die Details. Das macht eine Filmerfahrung ungleich reicher für den Zuschauer, wenn er Bilder entdecken kann. Im Fall von „Zoomania“ war für uns von vorne herein klar, dass eine Geschichte, die in einer Metropole spielt, visuell sehr komplex werden würde. Schließlich sind Städte von Natur aus komplex und vielschichtig. Es gibt eine Menge Straßenschilder, viel Verkehr, Reklame und Licht. Und dann gibt es natürlich die Anpassungen für die unterschiedlich großen Tiere in der Stadt. Es gibt kleine Türen, mittlere Türen und Türen in Elefantengröße. „Zoomania“ war eine echte Design-Herausforderung. Wir wollten, dass alles sehr organisch aussieht, als ob diese Tiere ihre Welt um sich herum selbst geschaffen hätten.
Byron Howard: Hinzu kommt, dass man sich in dieser Geschichte ja leicht verlieren kann, weil sie auch Spannung erzeugt. Weshalb es für uns sehr wichtig war, die Stadt Zoomania als eigenständige Figur des Films einzuführen und auch beizubehalten. Daran haben wir uns während der Arbeit immer erinnert: Die Story ist das wichtigste. Aber die verschiedenen Türgrößen sind es, die den Spaß verstärken.
Hat man als Regisseur eigentlich die Kontrolle über jede Einstellung eines solchen Films?
Howard: Nein, überhaupt nicht, denn jeder, der hier mitgearbeitet hat, hat sich auf die eine oder andere Art im Film verewigt. Wir wissen zwar viel, aber bei weitem nicht alles. Unser Figurendesigner hat sich mit seinem Geburtsdatum 914, also dem 14. September, im Film verewigt, und ich kann Ihnen garantieren, dass jede Nummer, Ziffer und jeder Buchstabe im Film etwas bedeutet – jede Nummerntafel hat hier eine tiefere Bedeutung. Wir haben sogar Micky Maus in den Film eingebaut, und zwar als kleines Stofftier. Wo, verraten wir nicht. Aber die Referenzen an alte Disney-Filme sind zahlreich.
Wo lag denn der Ausgangspunkt für „Zoomania“?
Howard: Wenn man eine solche Film-Idee das erste Mal vorstellt, dann will John Lasseter (der Disney-Pixar-Animations-Chef, Anm.), dass man in sein Büro kommt, das Licht ausmacht und zu erzählen beginnt. Ihm geht es dabei um drei bis sechs kleine Ideen. Das sind noch keine Geschichten, sondern eher „Was wäre wenn“-Fragen. „Was wäre, wenn Tiere ihre eigene Stadt bekämen?“, zum Beispiel. Wenn diese Frage unsere Vorstellungskraft anregt, dann hat das Thema eine Chance. In Produktion gelangen nur Stoffe, für die wir eine Leidenschaft entwickeln. Schließlich verbringt man dann vier oder fünf Jahre mit ein und derselben Geschichte. Im konkreten Fall war es so, dass wir einen Film mit sprechenden Tieren machen wollten, wie es ihn zuvor noch nicht gab. Lasseter schickte uns zu einer achtmonatigen Recherche, um herauszufinden, welche frischen Zugänge es gibt.
Dabei scheint die akkurate Größendarstellung der Tiere untereinander ein Schlüsselelement zu sein.
Moore: Genau. In Trickfilmen hat man bisher sehr gerne mit den Größen der Tiere gespielt. Man hat kleine Tiere oft sehr groß dargestellt, dafür große wiederum sehr klein und niedlich. Wir wollten den Tieren aber ihre tatsächliche Größe im Verhältnis zu den anderen zu lassen. Daraus speist sich sehr viel Witz in diesem Film. Und das definiert auch den visuellen Stil. Wenn es also eine Szene mit einer Maus und einem Elefanten gibt, dann sehen beide auch so aus wie eine Maus und ein Elefant: Sehr klein und sehr groß. So etwas gemeinsam in eine Einstellung zu packen, ist durchaus neu im Trickfilm. Unser Kameramann hatte allerdings schlaflose Nächte. In vielen Momenten dachten wir wirklich, ob es nicht einfacher wäre, sich von diesem Vorhaben zu verabschieden und die Größen nicht so wichtig zu nehmen. Aber am Ende hat es sich ausgezahlt, dass wir doch dabei geblieben sind.
Als Hauptfigur von „Zoomania“ haben Sie ein Hasenmädchen ausgewählt. Man hat lange keine weibliche Heldin mehr gesehen.
Moore: Wir lieben es, unseren Figuren Hindernisse in den Weg zu legen. Je mehr sie davon überwinden, desto mehr mag man am Ende den Film. Dieses kleine, schmächtige Hasenmädchen namens Judy, das so süß und so weich wirkt, muss also etwas wollen, das schier unmöglich für sie ist. Also haben wir uns überlegt, dass sie unbedingt Polizistin werden möchte. Cops sind Beschützer, weshalb der Job in Zoomania meist von großen, starken Tieren gemacht wird, zum Beispiel von Löwen oder Nashörnern. Judy hat als Bunny gegen diese Kerle im Grunde keine Chance. Und genau deshalb verliebt sich das Publikum auch gleich in sie: Weil sie sehr bestimmt ihre Ziele verfolgt und einen Weg sucht, es trotzdem zu schaffen.
Bei ihrem Ausflug in den Mäusebezirk von Zoomania ist Judy dann aber plötzlich überlebensgroß – höher als die sechsstöckigen Wohnhäuser der Mäuse.
Moore: Das ist ein gutes Beispiel, wie die Größenverhältnisse auch dramaturgisch eingesetzt wurden. Gerade war Judy noch ein Zwerg, schon muss sie aufpassen, dass sie keine Mäuse niedertrampelt.
Und dann gibt es da noch das Faultier Flash: Einen Beamten, der alles in Zeitlupe macht.
Howard: Die Idee dafür kam uns sehr schnell, innerhalb eines Tages. John Lasseter lachte sich halb tot, als wir ihm von unserem Faultier am Kraftfahrzeug-Amt erzählten. Wir saßen zusammen und spielten die Szene sofort durch, um das Tempo und den Rhythmus zu finden. Jede dieser Szenen wurde exakt geplant, und noch bevor unsere Grafiker mit der Umsetzung begannen, korrigierten wir mehrmals das Tempo: Alles wurde immer langsamer. Bevor wir die Szene das erste Mal einem Testpublikum vorführten, dachten wir, sie sei viel zu lang, doch als wir die Reaktionen sahen, stellte sich heraus: Diese Szene war wie Sprengstoff. Die Leute haben sich zerkugelt. In dem Moment wussten wir: Da ist uns echt etwas gelungen.