„Ich hatte große Angst vor diesem Projekt“
06.10.2017
Interview:
Peter Beddies
Er ist der Mann hinter „Blade Runner 2049“. Der franko-kanadische Regisseur Denis Villeneuve etablierte sich mit den Thrillern „Prisoners“ (2013) und „Sicario“ (2015) sowie mit dem SciFi-Drama „Arrival“ (2016, Oscar-Nominierung) in der Spitzengruppe der amerikanischen Filmemacher. Als man ihm dann „Blade Runner 2049“ anbot, bekam Villeneuve vor lauter Respekt aber erst einmal schlotternde Knie: „Es hat mich einen Monat gekostet, bis ich zugesagt habe.“
FilmClicks: Vom ersten „Blade Runner“ existieren insgesamt acht Versionen, denn Regisseur Ridley Scott war nie so ganz zufrieden und ging immer wieder in den Schneideraum. Welche Version ist Ihre liebste?
Denis Villeneuve: Da gibt es eine schöne Geschichte. Also, ich hatte den „Blade Runner“ für mich entdeckt, als ich so ungefähr 14 Jahre alt war. War sofort begeistert. Habe ihn immer und immer wieder angeschaut. Das war die erste Version, die damals ins Kino kam…
..die mit Harrison Fords Erzählerstimme aus dem Off…
…die Ridley Scott überhaupt nicht mochte. Genau! Diese Version hatte ich im Kino mehrfach gesehen. Das war übrigens auch die erste VHS-Cassette, die ich mir gekauft habe. Bis heute einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Und was musste ich Jahre später lesen? Dass die Kritiker den Film verrissen hatten, dass „Blade Runner“ nicht der strahlende Erfolg war, den ich immer vermutet hatte.
Heute würde man das mit einem kurzen Blick ins Internet rauskriegen.
Haha, gab es damals noch nicht. Jedenfalls war mir völlig unverständlich, wie man diesen visionären Film nicht mögen konnte. Der „Blade Runner“ war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Nichts war danach so wie es vorher war. Eine Offenbarung, nichts geringeres als das. Deshalb war mir auch ganz wichtig, dass mein „Blade Runner“-Film eine Verneigung vor dem Original sein sollte. Aber, um Ihre Frage zu beantworten. Ridleys Final-Cut ist meine Lieblings-Version, gleich gefolgt von der Version meiner Jugend.
Wie findet man einen neuen Ansatz für die Fortsetzung von so einem Kultfilm, der schon so häufig analysiert wurde?
Ganz einfach. Indem man irgendwann aufhört, den Film wieder und wieder zu befragen. Man stellt aber die Suche nicht ein. Mir kam die Idee, mich mit der „Blade Runner“-Buchvorlage von Philip K. Dick zu beschäftigen, „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ Dort habe ich all die Antworten gefunden. In dem Buch geht es um die Paranoia der Menschen den Androiden gegenüber. Diese Replikanten sind so perfekt designt, dass die Menschen nicht mehr wissen, wer Mensch ist und wer Maschine. Sie misstrauen allem. Sie vertrauen ihrer eigenen Identität nicht mehr, auch nicht ihren eigenen Erinnerungen. Das fand ich enorm spannend.
Haben Sie eigentlich sofort zugesagt, als Sie die Regie von „Blade Runner 2049“ angeboten bekamen? Oder überwog erst einmal die Angst, in diesem Kult gefangen zu sein und nicht mehr die eigene Vision verfilmen zu können?
Na ja, ich hatte schon eine ziemlich große Angst vor diesem Projekt. Es hat mich einen Monat gekostet, bis ich zugesagt habe. Aber irgendwie musste es wohl mal so kommen.
Wieso?
Weil ich vor einigen Jahren mal ein Meeting mit Hollywood-Typen hatte. Nach einer Weile standen die auf und meinten, sie müssten jetzt weiter. Ridley Scott würde in einem Büro nebenan warten. Es ginge um einen neuen „Blade Runner“. Und ich dachte nur: „Ahh, Fuckers!“ Zum einen fand ich es eine total bescheuerte Idee, meinen Lieblingsfilm fortzusetzen. Aber wenn es schon sein musste –
warum fragten die nicht mich? Tja, ein paar Jahre später haben sie es dann doch getan.
Und dabei hätten Sie fast absagen müssen wegen Ihres Films „Arrival“, der 2016 herauskam.
Was heißt hier fast? Ich
habe abgesagt, weil beide Filme zur selben Zeit gedreht werden sollten. Aber dann gab es die Übereinkunft, dass ich erst „Arrival“ machen konnte. Und dann „Blade Runner 2049“. Was aber auch bedeutete, dass ich mit den Dreharbeiten des einen Films fertig war, für ein Wochenende nach Hause fliegen konnte. Und am Montag ging der Dreh in Budapest los. Doch der Druck war vergessen, als ich mit dem Drehen beginnen konnte
Der Schatten des großen Ridley Scott...
…hing über diesem Film weit weniger, als man denken würde. Ridley hatte vor drei Jahren eingesehen, dass er nicht gleichzeitig seinen neuen „Alien“-Film und „Blade Runner 2049“ inszenieren konnte. Also zog er sich bei „Blade Runner“ zurück. Er hat auf den Titel bestanden und ich konnte ihn jederzeit fragen, wenn etwas unklar war. Aber ansonsten hat er sich sehr angenehm zurückgehalten.
Wer kam auf die Idee, Harrison Ford und Ryan Gosling die Hauptrollen anzubieten?
Das ging auch über Ridley Scott. Also zum Teil. Als er sich durchgerungen hatte, dass es eine Fortsetzung geben würde, rief er sofort Harrison an und fragte ihn, ob er mit dabei wäre. Hätte Ford Nein gesagt, dann würde es „Blade Runner 2049“ nicht geben. Und als wir so überlegten, wer gut zu Harrison Ford passen würde, kam schnell die ldee mit Ryan Gosling auf. Ridley fand das gut. Aber man sollte auch die anderen nicht vergessen. Gerade die jungen Damen Carla Juri, Ana de Armas und Sylvia Hoeks – meine Güte, was für eine verdammt heiße Bande!
Wenn man Ihr Gesamtwerk anschaut, von „Prisoners“ über „Sicario“ bis „Arrival“, dann gewinnt man den Eindruck, dass Ihre Filme ganz schön düster sind.
Ja, ist mir auch schon aufgefallen. Als ich an „Sicario“ arbeitete und wusste, dass recht bald darauf „Arrival“ folgen würde, da dachte ich zwischendurch mal daran, etwas ganz anderes zu machen. Es sollte etwas Leichtes und Komisches sein. Also habe ich mich hingesetzt und begonnen zu schreiben.
Warum hat die Welt davon bis heute nichts erfahren?
Eigentlich dachte ich, dass ich etwas so Abgefahrenes wie „Doktor Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ schreiben könnte. Vielleicht gelingt mir das eines Tages. Aber damals, als ich an der Komödie saß, ging es letztendlich um das Ende der Welt
(lacht). Ehrlich gesagt, war ich der Einzige, der das Material lustig fand. Alle anderen waren deprimiert, als sie es gelesen hatten. Ich komme wohl vorläufig aus meiner dunklen Ecke nicht heraus.
Noch einmal zurück zum ersten „Blade Runner“. Wie wir wissen, hat Ridley Scott Jahre gebraucht, um seinen Director’s Cut zu finden. Wie lange…
…ich brauchen werde, um die finale Version von „Blade Runner 2049“ zu zeigen? Die ist jetzt im Kino zu sehen. Ich arbeite seit Jahren mit denselben kreativen Köpfen zusammen. Die halten mir den Rücken frei und sorgen auch dafür, dass ich gleich das drehen kann, was man einen Director`s Cut nennt. Mir redet bei meiner Version niemand hinein. Sollte ich also nie wieder einen Film machen können – was ich nicht hoffe –, dann könnte ich sagen, dass „Blade Runner 2049“ genau der Film geworden ist, den ich machen wollte.