DIE STORY: „Blade Runner 2049“: Am Beginn des Presse-Screenings stand eine Bitte von Regisseur Denis Villeneuve an die Journalisten: „Ich ersuche Sie darum, dem Publikum die Möglichkeit zu geben, den Film genauso zu erleben wie Sie… ohne Details über den Plot zu kennen.“
Da wollen wir uns doch gern dran halten und beschränken uns auf jene kurze Inhaltsangabe, die das Sony-Studio ausgeschickt hat: „30 Jahre nach den Ereignissen des ersten Films fördert ein neuer Blade Runner, der LAPD Polizeibeamte K (Ryan Gosling), ein lange unter Verschluss gehaltenes Geheimnis zu Tage, welches das Potential hat, die noch vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen ins Chaos zu stürzen. Die Entdeckungen von K führen ihn auf die Suche nach Rick Deckard (Harrison Ford), einem seit 30 Jahren verschwundenen ehemaligen LAPD Blade Runner.“
Alles klar? Natürlich nicht! Aber genau so wollen es Regisseur Villeneuve und sein Executive Producer Ridley Scott (der 1982 bekanntermaßen den ersten „Blade Runner“ inszenierte) auch haben. Die Einzelheiten der Handlung treten auf der Leinwand Stück für Stück langsam zutage.
DIE STARS: Der Blade Runner, dessen Aufgabe es war, menschenähnliche Maschinenwesen, die Replikanten, in den (ewigen) Ruhestand zu befördern, wurde 1982 eine der großen Paraderollen von Harrison Ford. In „Blade Runner 2049“ lässt sich Ford zwar 100 Minuten lang Zeit bis zu seinem Auftritt – aber der hat es dann in sich.
Davor und danach ist Ryan Gosling („La La Land“, „Drive“) der Chef auf der Leinwand, Als neuer Blade Runner ist er nicht nur Replikanten auf der Spur, sondern auch familiären und gesellschaftlichen Geheimnissen.
Die weiblichen Hauptrollen gehören Robin Wright („House of Cards“) und der noch weitgehend unbekannten Holländerin Sylvia Hoeks, die sehr gegensätzliche Standpunkte vertreten.
DIE KRITIK: Eines vorweg: „Blade Runner 2049“ ist visuell ein überwältigender Film. Die gelegentlich grau und oft gelb getönten Landschaften, die Kameramann Roger Deakins auf die Leinwand zaubert, sind abweisend und anziehend; sie sind verstörend und elegant zugleich.
Es ist keine schöne neue Welt, die sich Deakins für das Kalifornien des Jahres 2049 ausgemalt hat. Es ist in jeder Hinsicht eine Wüste, mal überfüllt (in Los Angeles) und mal menschenleer (fast überall sonst). Und ganz egal, welche Karriere der Film nun vor sich hat: Der nächste Gewinner des Oscars für die beste Kamera sollte – nein: wird – Roger Deakins heißen.
Gleich zu Beginn erlebt man den Polizisten K, wie er in seinem Hi-Tech-Flugmobil patrouillierend über bizarre Landschaften gleitet. Ryan Gosling spielt großartig. Nahezu emotionslos; mit unbewegter Miene und offenbar auch unbewegtem Herzen: Wenn er den Auftrag bekommt, einen Replikanten aufzuspüren und in die ewigen Jagdgründe zu befördern („to retire“ heißt das sarkastisch im englischen Original), dann führt er diesen Auftrag auch aus.
Ridley Scott ließ im ersten „Blade Runner“ offen, ob die Titelfigur ein Mensch war oder selbst ein Replikant, eine menschenähnliche Hilfskraft also. Regisseur Denis Villeneuve macht hingegen im neuen Film kein Geheimnis daraus, dass der Blade Runner K ein Replikant ist. Und dem gelingt eine Entdeckung, die der Geschichte einen völlig neuen Drall gibt.
Ohne zu viel zu verraten: „Blade Runner 2049“ wird dann ein Film, in dem es vordringlich um die Wege zur Selbstfindung und zur Selbstbestimmung geht; um jene von Personen und von Volksgruppen. Die starken Bilder werden hier allerdings immer wieder von erstaunlich kraftlosen Worten begleitet.
Die postulierten Thesen könnten streckenweise aus dem Handbuch von Revolutionären oder von Befreiungsbewegungen jener Art stammen, bei denen man nicht ganz sicher ist, ob es ihnen wirklich um die Freiheit geht oder viel eher um die Macht. All das wird zwar wuchtig vorgetragen, ist aber auch ein bisschen trivial.
Der Einzelgänger K geht jedenfalls seinen eigenen Weg, um eine Lösung auf die Fragen zu finden, die der Film aufwirft. Eine wichtige Spur führt dabei zu seinem Blade-Runner-Vorgänger Rick Deckard (Harrison Ford), den er schließlich auch findet.
Dass bis dahin schon fast eindreiviertel Stunden Spielzeit verstrichen sind, liegt weder an Gosling noch an Ford, sondern am sehr getragenen Stil des Films. Regisseur Villeneuve lässt den Thriller (Gesamtdauer: 163 Minuten) ausgesprochen langsam ablaufen.
Zwischen den Sätzen der Dialoge gibt es immer wieder große Pausen; zwischen den Actionszenen, die natürlich nicht fehlen dürfen, wirkt „Blade Runner 2049“ oft wie ein besinnliches Film-Essay.
Die beiden Blade Runner K und Rick Deckard schließen jedenfalls keine Freundschaft auf den ersten Blick und geraten einander mächtig in die Haare, bevor sie erkennen, dass sie auch gemeinsame Ziele haben. Als Duo ziehen sie schließlich los, um jene Geheimnisse zu entschlüsseln, die sich der Film fürs eindrucksvolle – und wieder visuell spektakuläre – Finale aufgehoben hat.
Der Gesamteindruck? Für viele Rezensenten ist „Blade Runner 2049“ der beste Science-Fiction-Film seit Jahren. Wir neigen allerdings zur Auffassung, dass Regisseur Denis Villeneuve diesen Superlativ bereits mit seinem letzten Film verdient hat: Mit dem Alien-Drama
„Arrival“, das 2016 Furore machte.
Und eines noch: Zum besseren Verständnis von „Blade Runner 2049“ kann es keinesfalls schaden, wenn man vor dem Kinobesuch den „Blade Runner“ von 1982 anschaut oder zumindest eine Inhaltsangabe liest. Denn sonst bleibt man gelegentlich ziemlich ratlos zurück.
IDEAL FÜR: Science-Fiction-Fans, die den Original-„Blade Runner“ lieben und die auch bei einem Blockbuster einen entschleunigten Spielstil schätzen.