Devid Striesow über Hape Kerkeling und „Ich bin dann mal weg“


Ein Bravourstück auf dem Jakobsweg

23.12.2015
Interview:  Peter Beddies

Gut gelaunt bei der Galapremiere von „Ich bin dann mal weg“: Kerkeling-Darsteller Devid Striesow © Warner Bros.

Von „Die Fälscher“ über den „Hamlet“ bis zum „Tatort“: Devid Striesow, 42, zählt zu den vielseitigsten – und besten – deutschen Schauspielern der Gegenwart. In der Verfilmung von „Ich bin dann mal weg“ gelingt ihm jetzt ein Bravourstück: Er spielt den Autor und Entertainer Hape Kerkeling auf dem Jakobsweg. Und zwar so authentisch, dass Kerkeling im Kino das Gefühl hatte, seine eigene Stimme zu hören. Dabei hatte sich Striesow zur Vorbereitung gar nicht mit Hape getroffen.  „Ich musste einen Zugang zum Menschen Kerkeling finden“, sagt er im FilmClicks-Interview. „Und den findet man nur in einem selbst. Nicht in dem Menschen, den man spielen möchte."


FilmClicks: Wann haben Sie zum ersten Mal von Hape Kerkelings Wander- und Sinnfragen-Buch „Ich bin dann mal weg“ gehört? 
Devid Striesow: Das war ziemlich zeitig. Also vor vielen Jahren, als das Buch gerade erschienen war. Da habe ich es mir gleich gekauft.
 
Wissen Sie noch, warum?
Ja. Weil ich mit Mitte 30 das Gefühl hatte, mir manche Fragen öfter zu stellen. Diese Sinnfragen. Was ist Erfolg? Wie geht man mit ihm um? Wie geht es weiter? Es ist für mich sehr angenehm, mich mit tieferen Fragen zu beschäftigen, anstatt ewig an der Oberfläche rumzuwursteln. Ich habe das Buch jedenfalls gekauft, war begeistert und habe es nach der Lektüre gleich weiter verschenkt.
 
Was hat Sie an „Ich bin dann mal weg“ so begeistert?
Die Beschreibung der Situationen (auf dem Jakobsweg) fand ich toll. Und die humorvolle Art, bei der die Tiefe nicht verloren geht. Aber ich glaube, dass dies generell Kerkelings Markenzeichen ist. Als Leser seiner Bücher fühlt man die eigenen Zerrissenheiten aufgehoben.
 
Klingt so, als wären Sie Feuer und Flamme gewesen, ihn zu spielen?
Nein, eher nicht. Ich habe sogar nach dem erfolgreichen Casting nochmal abgesagt. Ich wusste nicht, ob ich der Richtige für diesen Film war.

Das Original und sein Darsteller: Der echte Hape Kerkeling (re.) und Devid Striesow © Warner

Was hat Sie dann überzeugt? Die Gespräche mit Kerkeling?
Nein, den habe ich vor dem Dreh und während des Drehs nie getroffen. Erst vor ein paar Wochen sind wir uns zufällig über den Weg gelaufen, bei einer Gala. Er sollte fotografiert werden, ich wollte gehen. Da hat er mir nur zugerufen: „Habe den Film gesehen, finde ihn ganz toll und wünsche euch und uns alles Gute“. Dann hat er kurz gezögert und gefragt: „Sage mal, am Anfang habe ich das Gefühl, dass ich die Texte spreche. Aber das bist ja Du. Hast Du mich etwa nachgemacht?“. Und dann „Man sieht sich“ - und weg war er.
 
Und haben Sie ihn nachgemacht?
Natürlich nicht! Ich habe mich einfach mit ihm und seiner Arbeit auseinander gesetzt.
 
Wie lange?
Ungefähr sechs Monate. Dann wusste ich, wie ich klingen musste, um nicht 100 Prozent Hape zu sein. Ich habe ja nicht irgendwelche Kunstfiguren gespielt, die Hape Kerkeling erfunden hat. An so einem Film hätte ich auch kein Interesse gehabt. Ich musste einen Zugang zum Menschen Kerkeling finden. Und den findet man nur in einem selbst. Nicht in dem Menschen, den man spielen möchte.
 
Sie mussten für den Film Gewicht aufbauen. Robert de Niro hätte es sich angefuttert.
Ha, das sagt man immer so leicht. Stimmt ja auch. Aber die lassen sich in Hollywood dann auch entsprechend Zeit. Da wird der Teil mit dem dicken Robert gedreht und dann pausiert man für mehrere Monate, während der Star Diät macht. War bei uns nicht drin. Ich habe zehn Kilo zugenommen und den Rest haben wir mit Fat Suits ausgeglichen.

Wohlbeleibt auf dem Jakobsweg: Devid Striesow als Hape Kerkeling © Warner

Wäre der Jakobsweg auch etwas für Sie, wenn Sie mal pilgern wollen?
Nein, der Jakobsweg muss es nicht sein. Ich brauche auch nicht so ein Dokument, dass ich dort war. Das sehen andere Leute anders. Mein Ansatz wäre, dass ich – ob am Meer oder in den Bergen - mal für längere Zeit wandere und schaue, ob ich es mit mir allein aushalte. Das wäre eine spannende Sache.
 
Hape Kerkeling ist da auf dem  Weg etwas passiert. Er ist in gewisser Weise Gott begegnet. Halten Sie das für möglich?
Schwer zu sagen. Ich kann nur sagen, wie ich das gespielt habe. Aus psychologischer Sicht gesehen ist meiner Ansicht nach folgendes geschehen: Diese Begegnung entspricht dem, was passiert, wenn man einen Triggerpunkt (eine Muskelverhärtung, Anm.) anspricht. Da löst sich etwas. Und das kann so weit gehen, dass man hinterher das Gefühl hat, ein anderer Mensch zu sein.
 
Wo erleben Sie solche Momente? Jetzt zu Weihnachten in der Kirche?
Also ich bin zwar konfessionslos. Aber zum einen bin ich totaler Weihnachtsfanatiker. Und zum anderen ist die Heilige Messe am Weihnachtsfest für mich fester Bestandteil. Einfach weil sie klar ist, weil sie die Urform von Theater ist und weil sie für die Menschen, die sie miteinander feiern, ein allgemeines Wohlgefühl auslöst.
 
Diese innigen Momente, die einem mehr geben als nur Unterhaltung, die finden viele Menschen auch in der Musik.
Geht mir genauso. Mag daran liegen, dass ich in der Kindheit und Jugend viel klassische Musik gehört habe. Ich kann das auch nicht steuern. Aber wenn ich zum Beispiel Beethoven höre, 9. Symphonie, 4. Satz – da geht das sofort los. 



Kritik
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