Oliver Stone über seinen Polit-Thriller „Snowden“


„Obama wird Edward Snowden nicht begnadigen“

23.09.2016
Interview:  Peter Beddies

„Snowden“-Premiere München: Regisseur Oliver Stone mit Stars Shailene Woodley & Joseph Gordon-Levitt © Universum

John F. Kennedy, Richard Nixon, George W. Bush, Hugo Chavez – Starregisseur Oliver Stone, das ewige Enfant Terrible des amerikanischen Films, hat in seinen Filmen ein Faible für Persönlichkeiten aus der Politik. Für sein aktuelles Projekt „Snowden“ hat er sich nun den Ex-Agenten Edward Snowden vorgenommen, der die Überwachungs-Praktiken von CIA und NSA enthüllte. Im offiziellen Washington verteufelt man den  Whistleblower als Landesverräter, in Europa feiert man ihn als Held. Und wie sieht Oliver Stone die Zentralfigur seines neuen Films? FilmClicks hat mit dem Regisseur bei der Europa-Premiere von „Snowden“ in München gesprochen.    


FilmClicks: Oliver Stone und ein Film über Edward Snowden. Das passt doch perfekt zusammen, oder?
Oliver Stone: Dabei wollte ich diesen Film überhaupt nicht machen!
 
Wie das?
Ich wusste vom Fall Snowden und hatte auch schon ein paar Mal gedacht, dass es schon irre ist, wenn so ein junger Mensch sein Leben wegwirft, um es in den Dienst einer großen Sache zu stellen. Aber als Filmstoff sah ich das erstmal nicht. Der britsche Journalist Glenn Greenwald, der Edward Snowden interviewt hatte, bat mich mal um meine Meinung zu einem Snowden-Buch. Aber ansonsten, nein.
 
Wer oder was hat Sie umgestimmt?
Das war 2013 ein Anruf von Snowdens russischen Anwälten. Es hieß, Edward Snowden würde mich gern in seinem Exil in Moskau treffen. Also bin ich hingeflogen und habe mit ihm gesprochen.
 
Wie war Ihr erster Eindruck?
Auf jeden Fall war Snowden kein Sean-Connery-James-Bond-Charakter. Ich traf auf einen aufgeschlossenen, aber auch sehr schüchternen Menschen. Einen, den ich dafür bewunderte, wie entschlossen er in seinen jungen Jahren schon für seine Sache eintrat. Ich wäre in seinem Alter keinesfalls so weit gewesen.

„Schüchtern, aber entschlossen“: Joseph Gordon-Levitt (li.) als Edward Snowden im Film © Universum

Dann sind Sie mit dem Snowden-Filmprojekt zu amerikanischen Studios gegangen.
Und damit fingen die Probleme an, das kann ich Ihnen sagen. Es war eine ganze Serie von Albträumen, die da auf uns wartete.
 
Warum?
Weil kein US-Studio diesen Film wollte. Ich konnte sie weder mit meinem Namen überzeugen noch mit den jungen Stars. Den Amerikanern war das einfach zu heiß.
 
Sie haben „Snowden“ dann letztendlich großteils in München gedreht. Wie kam  es dazu?
Es heißt bei uns in Amerika immer, dass Deutschland hervorragende Filmfachleute besitzt und dass man Crews gern unterstützt. Das wollte ich gern genauer wissen und fand hier perfekte Möglichkeiten, um den Film zu drehen.
 
Also das komplette Gegenteil Ihrer Erfahrungen in den USA?
Naja, nicht ganz. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Man wird ja beim Filmdreh gern von Firmen unterstützt. Wir hatten bei „Snowden“ schon fast einen Deal mit BMW. Aber dann wurden die aus Amerika zurückgepfiffen. Ich meine, hallo BMW, was ist denn bei euch nicht in Ordnung?! Aber was soll’s. Der Film ist fertig.
 
Haben Sie ihn Edward Snowden schon zeigen können?
Ja, wir haben ihn gemeinsam in Moskau gesehen. Er hat ihn sich sogar zweimal angeschaut. Und er meinte, für eine Fiktion wäre das verdammt dicht dran an seinem Leben. Mit anderen Worten: Der Film hat ihm gefallen.
 
Wie groß sind die Chancen, dass Edward Snowden eines Tages in die USA zurückkehren kann?
Vielleicht wird ihm das eines Tages mal gelingen. Aber nicht in nächster Zeit. Obama hätte die große Chance gehabt, ihn zum Ende seiner Amtszeit zu begnadigen. Aber das wird er nicht tun. Kann sein, dass er eines Tages mal sagen wird, dass er Snowden als Privatperson OK findet. Aber als US-Präsident wird es nicht tun. Und was nach ihm kommt…

Wie schauen Sie auf den US-Wahltag im November? Haben Sie und Ihre Landsleute die Wahl zwischen Pest und Cholera?
(lacht) Ja, genau könnte man es ausdrücken. Es wird ein sehr trauriger Tag für Amerika. Wir haben einfach keine Demokraten mehr im Land. Hillary Clinton hängt so sehr an der Macht und hat sich mit den falschen Leuten eingelassen. Bei uns regiert nur noch das Geld, einfach furchtbar. Ich will gar nicht daran denken, was mit Edward Snowden passieren würde, wenn Trump an die Macht käme.
 
Eigentlich hätte es ja auch die Möglichkeit gegeben, dass Edward Snowden in Deutschland Asyl bekommt.
Das wäre naheliegend gewesen. Aber auch bei Ihnen sind die konservativen Strömungen so stark, dass man sich nicht gegen die USA stellt. Wie hieß gleich noch dieser wunderbare deutsche Politiker? Der sich gegen den Krieg im Irak ausgesprochen hat.
 
Das war Kanzler Gerhard Schröder.
Exakt. Für mich ein Held. Sich heute gegen mein Land zu stellen, das dabei ist, größenwahnsinnig zu werden und im Titanentum zu versinken, das finde ich toll.
 
Ich nehme an, Sie sind kein Fan von Angela Merkel?
Warum sollte ich das sein? Ihre Sparpolitik in Griechenland ist katastrophal. Sie beteiligt sich wie alle anderen Westeuropäer an dieser Blockade gegen Russland. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie aus Washington gesteuert wird.
 
Zurück zu „Snowden“. Was hat Sie der Film über den Umgang mit der Technik gelehrt – Computerkameras abkleben und Smartphones wegschmeißen?
Auf keinen Fall. Obwohl das mit dem Abkleben keine schlechte Idee ist. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas zu meinen Lebzeiten einmal sagen würde. Aber die totale Überwachung überall, die stört mich extrem. Erinnern Sie sich noch an George Orwell und „1984“? Diese erschreckende Zukunftsvision ist längst Realität geworden. In so einer Welt möchte ich eigentlich nicht leben.
 
Also was tun?
Auf jeden Fall so viel wie möglich verschlüsseln. Dazu noch schwer zu knackende Passwörter. Und generell empfehle ich den Menschen dieser Tage, sich mal wieder grundlegende Fragen zu stellen. Was will ich vom Leben? Bin ich mit dem, was mich umgibt, zufrieden? Und wenn ich irgendetwas von einem Missstand weiß, tue ich alles nötige, um die Wahrheit aufzudecken oder schaue ich weg?
 
Sie sind vor ein paar Tagen, am 15. September,  Siebzig geworden - herzlichen Glückwunsch noch. Hatten Sie Zeit, zu feiern?
Oh doch, für eine kleine Feier in New York hat es gereicht. Aber es war kein großes Fest.

Und nun, erstmal Ruhe für lange Zeit oder wartet schon wieder das nächste Projekt?
Momentan weiß ich nicht, ob ich überhaupt nochmal die Kraft aufbringe für einen ganzen Film. „Snowden“ hat mich so geschlaucht, dass ich völlig fertig bin. Doch eigentlich war es nie anders. Wenn es mir möglich gewesen wäre, den leichten Weg zu gehen, hätte ich ihn genommen und viel weniger Stress gehabt. Aber das kann ich nun mal nicht. Meine Filme sind immer schwer zu finanzieren, weil irgendwer immer meint, sie wären kontrovers. Daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern.



Kritik
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