Ridley Scott über „Alien“, Kino-Grusel und die Lust am Filmen


„Zeig‘ das Biest so spät wie möglich!“

15.05.2017
Interview:  Peter Beddies

Ridley Scott (mit Hauptdarsteller Michael Fassbender): „An Ruhestand habe ich noch nie gedacht“ © 2017 20thCentury Fox

Ridley Scott wird Ende des Jahres 80 Jahre alt, aber ein Ende seiner langen Karriere scheint nicht in Sicht zu sein: Der Regie-Großmeister ist ausgebucht und wälzt schon wieder neue Pläne. So hat er beispielsweise vor, nach seinem aktuellen Werk „Alien: Covenant“ noch „zwei bis sechs“ weitere „Alien“-Filme zu drehen. Im Interview erzählt er, warum die „Alien“-Serie so erfolgreich ist („weil sich Menschen im Kino gern erschrecken“) - und er verrät sein Grundrezept für perfekten Kino-Grusel: „Wenn du ein gutes Monster hast, dann zeig‘ das Biest so spät wie möglich!“


FilmClicks: Selbst die „Alien“-Fans haben langsam die Kontrolle verloren. Ist Ihr neuer Film „Alien:  Covenant“ eher „Prometheus 2“ oder „Alien 5“ oder nichts von beidem?
Ridley Scott: Das ist schnell geklärt. Aus dem „Alien“-Universum hatte ich mich nach dem ersten Film ja zurückgezogen.
 
Haben Sie die Fortsetzungen gesehen und wie fanden Sie die?
Gesehen habe ich sie, aber ich werde mich nicht über die Arbeit der Kollegen auslassen. Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist folgendes: Zehn Jahre nach dem vierten „Alien“-Film habe ich mich an das Studio gewandt, bei dem die Rechte lagen und habe nachgefragt, ob wir nicht gemeinsam einen neuen Anlauf wagen sollten. Das hat dann ein Weilchen gedauert und endete 2012 in „Prometheus“.
 
 „Prometheus“ wurde ein Erfolg. Daraufhin gab es Meldungen, er würde fortgesetzt.
 Stimmt, diese Idee hatte ich auch. Aber nach einer Weile merkte ich, dass es zu schwierig werden würde – für die Fans, aber auch für mich. Also haben wir Figuren aus „Prometheus“ genommen und mit ihnen jetzt eine offizielle „Alien“-Fortsetzung gemacht.
 
Gibt es eine Regel, die Sie 1979 schon beim ersten „Alien“ befolgt haben und die heute noch gilt?
Auf jeden Fall. Sie lautet: Wenn Du ein gutes Monster hast – und die von HR Giger geschaffenen Kreaturen sind sehr gut – dann zeige es so spät im Film wie nur irgend möglich. Baue Spannung auf und dann lass das Biest los! Galt damals, gilt heute, wird immer gelten.
 
Erinnern Sie sich noch daran, wie „Alien“ damals aufgenommen wurde?
Das war ein grandioser Erfolg. Allerdings erinnere ich mich auch, was vor und nach „Alien“ passierte“. Mein erster Film hieß „Die Duellisten“. Kam gar nicht gut an. Hätte es damals schon einen Mogul wie Harvey Weinstein gegeben, dann hätte er daraus einen Hit gemacht. Nach „Alien“ kamen dann „Blade Runner“ und „Legende“. Zwei Flops. Seit dieser Zeit lese ich keine Filmkritiken mehr.
 
Als Ihr „Alien“ 1979 auf die Leinwände kam, meinten viele Menschen, so ein Wesen könne nur einem Albtraum entstiegen sein.
Möglich. Hat bei mir aber einen anderen Grund. Ich versuche immer wieder, Sachen zu zeigen, die so noch nie zu sehen waren. Deshalb hat es mich auch so geärgert, als ich nach „Blade Runner“ ständig gefragt wurde, warum es in dem Film so dunkel ist und es stets regnet. Die Antwort ist einfach: „Weil ich es verdammt nochmal genauso haben wollte!“
 
Da Sie gerade „Blade Runner“ ansprechen. Da kommt im Herbst eine Neuauflage, bei der Denis Villeneuve Regie führt. Hätten Sie den Film gern inszeniert?
Sagen wir mal so. ich hätte es mir vorstellen können. Es muss so um die drei oder beinahe vier Jahre her sein, da habe ich mich mit den Leute getroffen, die die Rechte für eine Neuverfilmung gekauft hatten und wir haben über alles Mögliche gesprochen. Ich glaube, da sah es für eine Weile mal so aus, als könnte ich da Regie führen. Aber dann wurden die Pläne für „Alien: Covenant“ immer konkreter. Und ich musste mich schlicht zwischen den beiden Projekten entscheiden. Aber ich habe ein gutes Gefühl, dass der neue „Blade Runner“ ganz stark wird. Denis Villeneuve als Regisseur ist eine großartige Wahl. 
 
Ist das bei Ihnen immer so, dass Sie sich zwischen zwei oder mehr Projekten entscheiden müssen?
Manchmal wäre ich froh, wenn es nur zwei oder drei sind. Momentan habe ich vier Filme, die ich gern in den kommenden zwei Jahren inszenieren möchte. Aber wenn ich alle Projekte bedenke, die ich betreue – also auch die fürs Fernsehen – sind es eher um die 40, die ich ständig im Kopf habe.
 
Wie schaffen Sie das?
Mit einer guten Mannschaft im Rücken. Ich habe zwei Büros – eines in Los Angeles und eines in London. Dort habe ich sehr gute Leute, die für mich Projekte vorantreiben. Mit denen treffe ich mich regelmäßig und dann entscheide ich mich, bei welchem Film ich Regie führe, wo ich als Produzent mitmache und so weiter.          
  
Lassen Sie uns nochmal knapp 40 Jahre zurückgehen. Als Sie Ihren ersten „Alien“ geplant hatten, war Ihnen da bewusst, dass Sie mit Sigourney Weaver eine Ikone installieren?
Überhaupt nicht. Ich dachte halt: „Probieren wir es mal mit einer Frau in der Hauptrolle“. Damals war ich zwar als Filmemacher von Spielfilmen ein Anfänger. Aber ich hatte schon Büros in New York und Paris sowie Los Angeles. Als Regisseur von Werbefilmen war ich Business-Profi genug, um was Neues zu probieren. Auch Sigourney war sich nicht bewusst, was sie da ge- und erschaffen hat. Sie war einfach perfekt in der Rolle. Das ist die ganze schlichte Wahrheit. Geplant war nichts. Was dann passierte, geschah aufgrund der Qualität des Films.
  
Warum hat „Alien“ über die Jahre hinweg nichts von seiner Faszination verloren?
Weil sich Menschen im Kino gern zu Tode erschrecken! Obwohl, wenn ich an meine Frau denke, die hasst mich manchmal dafür, dass ich so erschreckende Filme mache. Würde sie sich nie anschauen. Aber ich kann regelrecht studieren beim Publikum, wie bei einem klinischen Feldversuch, was funktioniert und was nicht.
     
Wie viele „Alien“-Filme können Sie sich denn nach „Alien: Covenant“ noch vorstellen?
Mehr „Alien“-Filme? Also zwei werden es auf jeden Fall. Einer ist schon fertig geschrieben und kann demnächst gedreht werden. Wenn ich die Kraft habe, dann könnten es auch sechs werden.
  
Ende November werden Sie 80. Haben Sie in den letzten Jahren je darüber nachgedacht, das Filmemachen aufzugeben und in den Ruhestand zu gehen?
Warum sollte ich denn bitte auf so eine Idee kommen?! Nie im Leben habe ich daran gedacht.
 
Und woher nehmen Sie die Energie?
Dafür gibt es nur zwei Worte: meine Mama! Sie war 1,52 klein. Zwei Söhne hat sie auf die Welt gebracht und aufgezogen: Meinen Bruder Tony und mich. Gute Arbeit!     
 
Eine verlängerte Print-Version dieses Interviews erscheint Ende Mai im österreichischen Filmmagazin „Celluloid“, mit dem FilmClicks eng zusammenarbeitet.
 



Kritik
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