Florian Opitz
über seine Doku „System Error“
„Der Finanzsektor ist eine Welt alter weißer Männer“
11.06.2018
Interview:
Gunther Baumann
Der deutsche Dokumentarfilmer Florian Opitz schuf mit „System Error“ einen brisanten Dokumentarfilm, der sich mit dem Traum des Kapitalismus vom immerwährenden Wachstum beschäftigt. Opitz ortet darin ein „systemisches Problem“ unserer Art des Wirtschaftens. Im FilmClicks-Interview erzählt der Berliner von seinem Ausflug in die Welt der großen Spieler des Finanzkapitals. Und er erklärt, warum in „System Error“ keine einzige Frau das Wort ergreift.
FilmClicks: Herr Opitz, Ihr Film „System Error“ trägt als Untertitel die Frage „Wie endet der Kapitalismus?“ Wie wird er denn enden?
Florian Opitz: Dieser Satz ist natürlich ein Stück weit provokativ gemeint. Niemand kann genau sagen, wie der Kapitalismus enden wird. Aber ich habe den Eindruck, dass wir Eskalationsstufen sehen, die darauf hinweisen, dass wir in einem System sind, das möglicherweise an seine Grenzen kommt. Wir müssen zeigen – und ich hoffe, der Film trägt dazu bei –, dass dieses System nicht nur an den ökologischen Grenzen scheitert, sondern auch an sich selbst. Erstaunlicherweise hat das ein schlauer Mann vor 150 Jahren ziemlich genau durchdekliniert: Karl Marx. Marx ist heute weniger als linker Prophet denn als einer der wichtigsten Analysten des Kapitalismus zu verstehen.
Haben Sie eine Lösung für den „System Error“ des Kapitalismus, von dem in Ihrem Film die Rede ist?
Nein. Ich bin Filmemacher – ich habe keine Lösung für dieses globale, fundamentale Problem. Das sehe ich auch nicht als meine Aufgabe an. Ein Dokumentarfilm zeigt, was ist. Ich sehe meinen Film eher als Aufforderung, über die Grenzen des Wachstums und die Grenzen unseres Systems zu diskutieren. Bei Krisen des Kapitalismus – zum Beispiel bei der Finanzkrise 2008 – wird die Ursache stets bei einzelnen Akteuren gesucht, doch es wird nicht die Frage gestellt, ob es sich hier um ein systemisches Problem handelt.
Als Gesprächspartner in „System Error“ kommen ausschließlich Männer vor. Gibt es keine Frauen an führender Position in der Finanzwelt?
Wenig. Wir haben natürlich nach Frauen gesucht, denn es war mein Bestreben, hier paritätisch vorzugehen. Aber in den Bereichen, die wir abgehandelt haben – Fonds-Management, Börsenhändler, Agrar-Businessleute in Brasilien –, da gibt es so gut wie keine Frauen. Doch wir haben einige Frauen gefunden, die wir händeringend kontaktierten und zu Interviews bewegen wollten. Die haben jedoch alle abgesagt. Mein Eindruck: Der Finanzsektor ist eine Welt alter weißer Männer.
War es denn leicht, die zum Teil sehr mächtigen alten weißen Männer, die in „System Error“ auftreten, vor die Kamera zu bekommen?
Nein, das war superschwierig. Sie sind es nicht gewohnt, über so elementare Dinge wie das Wirtschaftswachstum mit Dokumentarfilmern zu sprechen. Natürlich treten sie immer wieder medial auf, aber dann sprechen sie mit Wirtschaftsmedien wie Bloomberg oder CNBC und es geht um Quartalszahlen oder um neue Strategien. Es war ein langer Prozess, unsere Gesprächspartner zum Mitmachen zu bewegen.
Was treibt die Männer an, die sich dem ewigen Wirtschaftswachstum verschrieben haben?
Ich denke, manche treibt der Glaube an, dass sie etwas Gutes im Sinne des Kapitalismus tun. Sie sehen das Wachstum als etwas, das der Menschheit – und vor allem ihren Kunden – Wohlstand bringt. Ich würde den wenigsten Gesprächspartnern in „System Error“ Gier unterstellen. Diese Leute haben in ihrem Mikrokosmos eine Funktion und sie machen dort etwas, was aus ihrer Sicht absolut Sinn hat. Sobald man aber einen oder zwei Schritte zurücktritt, wird sichtbar, welch katastrophale Auswirkungen ihr Handeln haben kann.