Oren Moverman
über seinen Politthriller „The Dinner“
„Richard Gere wagt sich raus aus der Komfortzone“
12.06.2017
Interview:
Matthias Greuling
Der israelisch-amerikanische Regisseur Oren Moverman hat mit „The Dinner“ einen zugespitzten Politthriller gedreht, in dem das Quartett aus Richard Gere, Steve Coogan, Rebecca Hall und Laura Linney glänzt. Das kammerspielartige Stück um einen hochrangigen Politiker (Gere), der gerade Wahlkampf führt und den eine familiäre Angelegenheit den Job kosten könnte, ist eine genau beobachtete Studie des US-Politbetriebes, in der vor allem Gere und Coogan zu darstellerischen Höchstleistungen auflaufen.
FilmClicks: Mr. Moverman, wir finden, Richard Gere war lange nicht mehr so gut wie in „The Dinner“. Sehen Sie das auch so?
Oren Moverman: Richard Gere ist zuerst einmal ein interessanter Mann. Noch lange, bevor man über seine Fähigkeiten als Schauspieler spricht, muss man das zugeben. Das findet man bei Filmstars selten. Ich empfinde ihn auch nicht als Star, sondern als Schauspieler, einer, der den Dingen auf den Grund geht, die er spielt. Er will immer dorthin, wo er noch nie war. Je älter er wird, desto besser wird er. Ich mag Schauspieler, die sich aus ihrer Komfortzone hinausbewegen. Er gehört dazu.
Interessant, dass Sie ihn als Kongressabgeordneten besetzt haben, das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was Gere privat ist.
Stimmt. Er lebt ein sehr zurückgezogenes Leben. Aber er ist auch ein Aktivist, und daher weiß er natürlich, wie Politik funktioniert. Die Politiker trifft er im Zuge seines Aktivismus auch ständig. In „The Dinner“ spielt Richard diesen typischen, allglatten Politiker, der es gewohnt ist, sich aus jeder Szenerie herauswinden zu können. Das Interessante ist ja, dass wir als Zuschauer seinem Charme auch erliegen, mit dem er uns und sein Umfeld einkocht.
Aber genau so funktioniert eben Politik. Diesen Mechanismus schlüsseln Sie hier gekonnt auf.
Der Film zeigt die Politik einer Familie. Und das ist nicht so viel anders als bei der Politik, die man für ein Land macht. Jeder versucht, seine Interessen durchzusetzen, ob daheim in den eigenen vier Wänden oder auf internationalem Parkett. Unser Zeit ist so: Jeder versucht, das Beste für sich selbst herauszuholen.
Richard Gere jedenfalls übt sich in Diplomatie und versucht, gewisse Fehler zu vermeiden. Was wir bisher von Trump gesehen haben, ist: Er tut es einfach, ohne groß über Konsequenzen nachzudenken. Das ist der große Wandel. Ist Ihr Kongressabgeordneter in Wahrheit ein viel besserer Politiker?
Er ist definitiv „old school“, das stimmt. Was wir in den USA derzeit haben, kann man nicht als normal bezeichnen, definitiv nicht! Trump kriegt zwar alle Schlagzeilen, aber die politische Welt Amerikas operiert immer noch in diesem themengetriebenen, schlanken Weg, und setzt damit einen Kontrapunkt zu Trump.
Steve Coogan spielt Richard Geres Bruder, dem die Welt der Politik eher fremd ist. Sein Zynismus im Film klingt aus der wahren Welt entlehnt. Seine Performance ist oscarverdächtig…
Steve Coogan hat so viele Komödien gedreht, dass man ihm solche Rollen gar nicht mehr zugetraut hätte. Wir haben uns so viel über Politik unterhalten, bis er eines Tages sagte: Das ist genau der Typ für mich: Ich bin er. Das ist ein Faktum. Er ist zynisch, ich bin zynisch. Er ist aufrührerisch, ich bin es auch. Ich brauchte nur den Akzent richtig hinzukriegen. Er ist ein sehr ernster Schauspieler.
Gerade Komödianten sind häufig sehr ernst, woran liegt das?
Komiker können sehr dunkle Seelen haben. Wenn man etwas Absurdes, Lustiges komisch spielt, funktioniert das nicht. Man muss es mit vollem Ernst tun. Steve sieht sich selbst nicht als Komiker, obwohl er kaum ernste Rollen gespielt hat. Aber es ist diese Konzentration auf die zu spielende Situation, die seinen ganzen Ernst erfordert. Nur deshalb ist er witzig.
Mit dem Militärdrama „The Messenger“ wurden Sie vor einigen Jahren einem breiten Publikum bekannt. Dazu haben Sie auch das Drehbuch geschrieben. Wo stehen Sie heute?
Ich sehe Drehbuchautor als meinen Brotberuf an. Das ist mein täglicher Job. Bei einem Film Regie zu führen, ist ein großes Privileg. Man macht das ja nicht alle sechs Monate. Also, manche Leute schon, aber ich definitiv nicht. Das braucht Zeit.