Rich Moore , Phil Johnston über Disney, das Internet und ihren Film „Chaos im Netz“


„Disney kann sich über sich selbst lustig machen“

01.02.2019
Interview:  Peter Beddies

„Chaos im Netz“: Die Regisseure Rich Moore (li.) und Phil Johnston © Disney

„Ralph reicht’s“ hieß ihr erster gemeinsamer Kino-Welterfolg. Doch den Filmemachern Rich Moore und Phil Johnston reichte das noch lange nicht. Mit „Chaos im Netz“ haben sie jetzt eine Fortsetzung ihrer Trickfilm-Komödie herausgebracht, in welcher der Protagonist Ralph in die Weiten des Internet eindringt. FilmClicks traf die Regisseure Moore & Johnston zum Interview über ihren neuen Film. „Chaos im Netz“ wurde für den Animations-Oscar nominiert wurde und lockt rund um den Globus die Fans weg vom Internet - ins Kino. 


Der raue Ralph und seine Begleiterin Vanellope sorgen für „Chaos im Netz“ © Disney

FilmClicks: Trickfilme sind oft im besten Sinne zeitlos, sodass man sie auch nach Jahrzehnten gut anschauen kann. Aber jetzt haben Sie mit „Chaos im Netz“ eine sehr aktuelle Komödie über das Internet gemacht, von dem wir nicht wissen, wie es in zehn Jahren aussieht.

Rich Moore: Stimmt. Diese Gefahr haben wir intern auch diskutiert. Aber dann haben wir uns gesagt: Selbst wenn man in 50 Jahren mit einem gewissen Schmunzeln auf „Chaos im Netz“ zurückschaut – wir haben einen Schnappschuss abgeliefert. Einen, der vom Zustand in den Jahren 2018 und 2019 erzählt. Schön wäre es, wenn jemand in 50 Jahren sich diesen Film anschaut und sagt: Genau so erging es mir damals mit dem Internet auch.
Phil Johnston: Natürlich kann man sich im Animations-Genre immer auf die guten alten Zeiten, auf Hans Christian Andersen und andere große Geschichtenerzähler berufen. Aber warum nicht auch mal etwas anderes wagen?
 
„Chaos im Netz“ ist nicht nur aktuell, sondern auch eminent witzig. Woher kommt dieser Trend, dass man den besten Humor im Kino bei Trickfilmen findet?
Phil Johnston: Ich bin mir nicht sicher, ob das auf alle Trickfilme zutrifft. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir schon bei „Ralph reicht’s“, dem Vorgänger von „Chaos im Netz“, beschlossen hatten, den lustigsten Trickfilm aller Zeiten zu machen. Und hier wollten wir nicht hinter unser selbst gestecktes Ziel zurücktreten. 
Rich Moore: Wissen Sie, es macht einen großen Unterschied, ob man seinen Humor so drastisch wie möglich raushauen kann, oder ob es eine Altersbeschränkung für den Film gibt. So wie wir das bei Disney immer haben. Man weiß also genau, dass wir die F…-Wort-Bombe nicht platzen lassen können. Aber solche Einschränkungen können einen auch sehr kreativ machen. Weil man sich stets überlegen muss, wie es auch anders geht.
 
Mr. Moore, Sie waren ja schon in den Neunzigern bei den vielen „Simpsons“-Folgen, die Sie inszenierten, bekannt für radikalen und guten Humor.
Rich Moore: Und was glauben Sie, wie lange wir manchmal über einem einzigen Dialog brüteten, bis er gesessen hat? Hinter allem, was in der Unterhaltungsbranche so locker und leicht daherkommt, steckt harte und lange Arbeit.

Gipfeltreffen: Alle Prinzessinnen des Disney-Universums © Disney

Apropos harte Arbeit: Es gibt in „Chaos im Netz“ ein Aufeinandertreffen aller Prinzessinnen, die jemals im Disney-Universum auftraten. Und nicht nur das: Die Prinzessinnen machen sich auch noch übereinander lustig. Sind da nicht einige Disney-Chefs in Ohnmacht gefallen?
Phil Johnston: Lassen Sie es mich so sagen: Hatten wir Bedenken, diese Szenen unseren Chefs zu zeigen?
Rich Moore: Hatten wir!
Phil Johnston: Aber nicht einer von denen war entsetzt. Es war sogar die allererste Szene, an der wir arbeiteten. Zuerst sollte es einfach ein Treffen der Prinzessinnen werden. Aber dann haben wir so viel darüber geredet, dass eine Idee zur nächsten kam. Und auch wenn das für viele Leute für viele Leute neu sein sollte: Disney kann sich über sich selbst lustig machen. Wenn man die Figuren respektiert, dann sollten auch Gags über die legendären Figuren möglich sein. 
 
In „Chaos im Netz“ werden einige der großen Internet-Konzerne, von Ebay bis Google, namentlich genannt. Haben diese Firmen dafür etwas bezahlt?
Phil Johnston: Eines vorweg: wir wollten von Beginn an, dass bei diesem Film, aufs Internet bezogen, alles echt wirkt. Wir überlegten, ob wir nicht mit leichten Verfremdungen arbeiten sollten; Ebuy statt Ebay zum Beispiel. Aber das fühlte sich nicht richtig an.
Rich Moore: So eine Animations-Produktion – von der ersten Idee bis fertigen Film – zieht sich ja gern mal vier bis acht Jahre hin. Also konnten wir in aller Ruhe unser Unbehagen diskutieren. Und wissen Sie was? Es stellte sich heraus, dass im amerikanischen Urheberrecht ein Passus steht, dass man in einem Film wie dem unserem die Firmen einfach bei ihrem Namen nennen darf. Man muss nicht um Erlaubnis fragen. Und nein, sie haben uns kein Geld dafür bezahlt.
 
Also gibt es kein kommerzielles Product Placement in diesem Film?
Phil Johnston: Überhaupt nicht! Aber es war schon interessant zu sehen, wie andere Menschen darauf reagieren. Einige meiner Verwandten hatten mich auch darauf angesprochen. Es gibt offenbar die Vermutung, dass Geld geflossen sein muss, wenn eine erfolgreiche Firma in einem Film erwähnt wird.
 
Die Animations-Künstler von Disney genießen ein Privileg: Wenn ein neues Projekt ansteht, dann gibt es eine Zeit der Vorbereitung - oft verbunden mit Reisen zu den schönsten Plätzen der Erde. Je nachdem, wo der Film spielen soll. Und dieses Mal? Wie und wo bereitet man das Internet vor? Die Zeichner müssen enttäuscht gewesen sein.
Rich Moore: Oh ja, sie waren enttäuscht und die Vorbereitung war langweilig (grinst). Aber nur im ersten Moment. Dieses Mal ging es nicht nach Patagonien, um die wunderschöne Landschaft zu studieren. Von der Disney-Zentrale in Los Angeles ging es gerade mal fünf Meilen in Richtung Downtown. Dort steht ein Hochhaus, das ist Etage für Etage mit Servern bestückt. 
Phil Johnston: Eigentlich ziemlich cool.
Rich Moore: Natürlich war es cool und alles andere als langweilig. Von dort wird die Westküste der USA internetmäßig gesteuert. Mehr als 20 Stockwerke, nur mit Servern bestückt und mit Kabeln verbunden. Das sieht aus wie das kontrollierte Chaos. Eine Art Stadt, wie man noch keine gesehen hat. Genau danach hatten wir gesucht. So entstand unser Internet, das wie eine sehr ungewöhnliche Stadt aussieht. Außerdem konnten unsere Leute dort alle möglichen Fragen stellen. Für uns der perfekte Platz. Auch wenn es nicht die Südsee war.
 
In den USA ist „Chaos im Netz“ sehr erfolgreich gestartet. Jetzt ist der Film auch offiziell im Oscar-Rennen. Denken Sie schon an einen dritten Teil der „Ralph reicht’s“-Reihe?
Rich Moore: Was denken Sie? Wenn ich Ihren Gesichtsausdruck richtig interpretiere, mögen Sie diesen Gedanken nicht?
 
Naja, es muss ja nicht alles immerzu fortgesetzt werden, oder?
Phil Johnston: Ich finde, unsere beiden „Ralph“-Filme fühlen sich wie ein Buch mit zwei großen Kapiteln an. Nehmen Sie zum Beispiel die Geschichte der weiblichen Hauptfigur Vanellope. Ihre Story war nach dem ersten Teil noch nicht zu Ende erzählt. Da hatte noch etwas gefehlt. Jetzt ist die Sache rund.
Rich Moore: Auf der anderen Seite gibt es natürlich die Fans, die immer mehr wollen. Vielleicht müssen wir denen in ein paar Jahren sagen: Da war dieser Journalist, der nicht wollte, dass wir noch einen Film machen. Hoffentlich können Sie damit leben (lacht)!
 
Was könnte man bei einem dritten Teil schon verpassen?
Phil Johnston: Wir haben schon mal so rumgesponnen. Zum Beispiel könnte Ralph, der ja bisher nur in Kunstwelten unterwegs war, in einen 3D-Drucker geraten - in einen mit magischen Blitzen - und dann wäre er in unserer Welt.
Rich Moore: Immer noch sicher, dass es nicht weitergehen soll? Ich sehe da ein gewisses Interesse in Ihrem Gesicht? Naja, mal sehen, was alles noch passieren wird!



Kritik
Chaos im Netz
„Chaos im Netz“ bietet einen erstklassigen Einstieg ins Trickfilm-Geschehen dieses Jahres. Die Disney-Komödie ist sehr lustig – und originell. Als Höhepunkt gibt’s einen Auftritt aller Prinzessinnen des Disney-Universums. Mehr...