Tom Hanks
Über Berlin, Tom Tykwer, seinen neuen Film und seine Familie
„Niemand ist nur böse oder nur gut“
28.04.2016
Interview:
Peter Beddies
Tom Hanks: In der Branche wird er gern der „beste Schauspieler seiner Generation“ genannt. Preise ohne Ende hat er für seine Filme schon bekommen – darunter zwei Oscars. Spätestens seit „Forrest Gump“ kann er sich seine Rollen aussuchen. Doch Hanks geht bis heute gern den nicht so leichten Weg. Er setzt sich für Independent-Produktionen ein oder gibt seinen guten Namen für Filme wie jetzt „Ein Hologramm für den König“ von Tom Tykwer. Bei der „Hologramm“-Europa-Premiere in Berlin traf FilmClicks den ausgezeichnet gelaunten Hollywood-Star.
FilmClicks: Schön, dass wir doch mit Ihnen reden können.
Tom Hanks: Wieso? Wie kommen Sie darauf?
Weil bei Twitter stand, dass Sie tot sind!
Was, das hat Twitter geschrieben? OK, das war dann ein kurzes Interview. Muss weg, bin tot
(lacht und erhebt sich kurz). Und woran bin ich gestorben? An Scham oder Verlegenheit? Wahrscheinlich an Diabetes Typ 2. Was hat Twitter geschrieben?
Nichts weiter, nur dass Sie tot sind.
Naja, passiert nicht zum ersten Mal. Ich erinnere mich an diese lustige Geschichte, als ich 2007 „Der Krieg des Charlie Wilson“ drehte. Da gab es diese Internet-Seite, die dazu aufrief, die besten Fake-Meldungen einzusenden.
Unter anderem den Tod von Tom Hanks?
Genau. Haben aber leider nicht alle mitbekommen, dass das Unsinn war. Ich musste mich dann in einem Interview dazu äußern, dass mein Tod auf einer Fake-Website stand. Das war sehr schräg.
Kommen wir zu Ihrem neuen Film „Ein Hologramm für den König“. Sie arbeiten jetzt zum zweiten Mal mit dem deutschen Regisseur Tom Tykwer zusammen. Welche seiner Filme kannten Sie vor Ihrem ersten Projekt?
Natürlich als erstes „Lola rennt“. Was für ein toller Film. Da war Tom schon einer der ganz Großen für mich. Aber noch schöner war es, ihn kennen zu lernen. Oder besser gesagt, was ich von ihm und seinem Leben gehört hatte.
Und das war?
Wissen Sie, wenn ich nochmal so um die 30 wäre und mich entscheiden könnte, was ich die nächsten Jahre so tun möchte, würde ich zum Beispiel nach San Francisco ziehen, wo niemand etwas von mir erwartet. Dort würde ich in einem Kino arbeiten, die Filme raussuchen, die laufen und die dann mit Freunden ständig bis nachts um zwei Uhr anschauen und diskutieren. Das würde ich eine Weile tun, bis ich bereit wäre für den Job. Plötzlich erzählte mir jemand, dass Tom Tykwer (abgesehen von San Francisco) in seinen jungen Jahren genau das getan hatte. Und ich dachte: Was für ein toller Weg, Regisseur zu werden!
Und dann haben Sie Tykwer getroffen.
Dazu muss man nicht mehr viel sagen. Wir kleiden uns ähnlich. Wir haben einen ähnlichen Filmgeschmack. Wir wissen, welche Filme Mist sind, welche gut – und wir wissen auch, warum. Das sind beste Voraussetzungen, um miteinander Filme zu drehen.
Reden Sie mit ihm über Filme, wenn Sie sich privat treffen?
Ständig. Erst letztens hier in Berlin haben wir einen ganzen Abend verbracht, um über Filme wie „Son of Saul“ und die zweite Staffel von „Fargo“ zu reden. Wir reden über die Leidenschaft, mit der wir Film lieben. Und über Familie und Kinder – und wie müde wir immer sind.
In „Ein Hologramm für einen König“ spielen Sie mal wieder das, was Sie am besten können – einen durchschnittlichen Amerikaner.
Ja, dagegen ist nichts zu sagen. So ein Typ wie Alan Clay reizt mich. Der geht in dieser alles andere als glamourösen Geschichte in die Welt hinaus. Er stellt fest, dass Amerika auf dem Weg ist, die Siegerstraße zu verlassen – wozu er als Manager auch seinen Beitrag geleistet hat. Und dann muss er zusehen, wie er in Saudi Arabien zurechtkommt. Das sind nicht die Stoffe, bei denen die Studiochefs begeistert aus den Sitzen springen. Aber es ist meine verdammte Pflicht, diesen Typen so packend zu spielen, dass sich die Kinogänger für ihn interessieren.
Was weiß man in den USA von Saudi Arabien?
Oh, Sie werden überrascht sein, jede Menge. Viele beziehen ihre Bildung aus Filmen wie „Lawrence von Arabien“. Also: Jeder reitet Kamel und Männer töten sich gegenseitig mit dem Schwert. Dann gibt es noch das Klischee, dass alle Menschen dort aufgrund des Ölreichtums reich sind, durch die Welt reisen und Mercedes fahren. Nicht zu vergessen – Stereotyp Nummer Drei: Jeder, der dort lebt, ist ein fanatischer Muslim und versucht, uns Amerikaner zu töten.
Daran glauben die Amerikaner wirklich?
Das tun sie. Aus solchen Klischees beziehen sie ihr Wissen. Keines davon stimmt, wenn man das ganze Bild betrachtet. Es gibt immer solche Extreme, das auf jeden Fall. Aber ich habe schon als Kind eine ganz wichtige Lektion gelernt. Wissen Sie, meine Eltern sind oft umgezogen mit uns. Haben sich getrennt und wieder verheiratet. Wenn man so oft an neuen Orten war, dann wird eines klar. Wer sich einmal mit einem Land oder einer Region vertraut gemacht hat, der weiß, niemand ist nur böse oder nur gut. Mit solchen Themen befasst sich unser Film im Kern.
Ihr Regisseur Tykwer sagt, dass die Menschen die Überraschung von „Ein Hologramm für den König“ sind.
Exakt. Erst denkt man, dass einem diese Typen in Saudi Arabien ein bisschen wie Aliens vorkommen. Der Taxifahrer, der Angst hat, dass sein Auto in die Luft gesprengt wird. Der zu Alan sagt, dass er eigentlich wegwill, jedoch seine Heimat liebt. Oder die Ärztin, die im Ausland eine anerkannte Expertin ist. Zu Hause darf sie aber nicht mal allein Auto fahren. Wenn wir ihnen zuhören und zuschauen, dann merken wir schnell, dass es sich natürlich nicht um Aliens, sondern um Menschen handelt. Und mittendrin ist meine Figur, dieser Alan Clay, der nichts beurteilt, sondern einfach nur zuschaut.
Hatten Sie diese Art der Völkerverständigung auch am Set?
Auf jeden Fall. Als wir den Film in Marokko drehten, waren etliche Muslime mit dabei. Wenn der Muezzin rief, holten sie ihre Teppiche heraus und beteten für ein paar Minuten. Und ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, ob das jetzt eigenartig oder bizarr wäre. Ich dachte nur: Fein, sie beten. Jeder von uns betet an jeden Tag doch irgendwie.
Letztens ging durch die Medien, Sie würden mit dem Gedanken spielen, nach Berlin zu ziehen.
Wie bitte? Auf keinen Fall! Verstehen Sie mich nicht falsch, ich komme sehr gern in diese Stadt. Aber ich habe immer jemanden an meiner Seite, der fragt, ob ich etwas zu essen oder trinken haben möchte. Ob mein Auto mit Fahrer bereitgestellt werden soll. Das sind immer nur kurze Arbeitsbesuche. Ich könnte mir vorstellen, mal für ein paar Wochen hierher zu kommen. Problem ist nur, meine Familie und meine Kinder wollen entweder nach Griechenland oder Idaho. Ende der Diskussion!
Vielleicht, wenn Donald Trump Ihr nächster Präsident wird?
Nein, nein. Sie verwechseln da was. Momentan tobt der Wahl-Zirkus ganz schrecklich. Die Trapez-Artisten fallen durchs Netz, der Bär ist abgehauen. Es ist ein absurd schöner Zirkus, den wir alle da gerade sehen. Aber nach November kehrt wieder Ruhe ein. Niemand muss aus den USA fliehen. Außerdem hatten wir schon so viele Idioten im Weißen Haus. Das geht alles vorüber.
Dieses Jahr kommen Sie noch mit weiteren Filmen ins Kino – zum Beispiel „Inferno“, der Verfilmung des Bestsellers von Dan Brown.
Genau, das ist ein weiteres Abenteuer des Robert Langdon. Und dieses Mal geht es um die Hölle, wie sie der Dichter Dante Alighieri beschrieben hat. Der Film ist wieder so eine Unterhaltungsgeschichte mit einer Patina von intellektuellem Anschein. Und es gibt immer exakt genug Fachwissen in diesen Büchern und Filmen, die das ganze Produkt nicht lächerlich erscheinen lassen, sondern einfach Spaß machen.
Können Sie als Robert Langdon immer nachvollziehen, was Sie da machen?
Ha, das ist in der Tat manchmal ein Problem. Wir sitzen bei diesen Filmen, die ja ein bisschen wie eine Schnitzeljagd sind, oft vor großen Tafeln. Und da ist genau aufgeschrieben, wer wo wann mit welchem Wissen ausgestattet sein muss, damit wir die Geschichte vorantreiben können. Da kommt es schon mal vor, dass ich anmerke, dass ich das und das noch nicht weiß. Und dann schaue ich in ratlose Gesichter. Bis jemand eine Idee hat und das lustige Kino-Puzzle-Legen weitergehen kann.
Alan Clay muss in „Ein Hologramm für den König“ durch mehr als eine Krise gehen. Krisen, die man sich sehr gut vorstellen kann. Wie lang ist Ihre letzte Krise her?
Guter Mann, ich habe vier Kinder und auch Enkelkinder. Ich habe ständig… Aber im Ernst. Meine Frau Rita Wilson hatte Brustkrebs im letzten Jahr. Alles gut ausgegangen. Aber trotzdem: SIE HATTE BRUSTKREBS! Das beschäftigt die ganze Familie. Man kann nichts machen. Das ist so frustrierend. Ich war damals 59. Und ich dachte, dass mich solche Krisen nicht mehr erwischen würden. Aber sie kommen. Und Du kannst nur hoffen, dass alles gut ausgeht.
Im Sommer steht ein großer Geburtstag bei Ihnen an. Wie feiern Sie?
Ich werde zu meinem Sechziger so viele Kinder wie möglich um mich versammeln. Werde die Ansage machen: Heute müsst Ihr alle tun, was ich sage. Dann gibt es Root Beer zum Frühstück. Alle müssen ihre Pullover und Hosen mit den Nähten nach außen tragen! So stelle ich mir meinen Geburtstag vor.