Josef Hader über den Tod, das Sterben und seinen Film „Arthur & Claire“


„Wie ich sterben möchte? Möglichst spät!“

13.02.2018
Interview:  Gunther Baumann

Josef Hader spielt in „Arthur & Claire“ einen todkranken Mann © Filmladen

Wenn Josef Haders neuer Film „Arthur & Claire“ beginnt, dann sieht seine Figur, der Krebspatient Arthur, nur noch knapp 24 Stunden Lebenszeit vor sich. Der todkranke Mann will sich durch Sterbehilfe von seinem Leid erlösen lassen. Doch dann lernt er in Amsterdam die ihres Daseins überdrüssige Claire (Hannah Hoekstra) kennen. In einer langen Nacht schnuppern die beiden noch einmal gemeinsam am Leben. Ein deprimierendes Drama? Nein – ein ungemein berührender Film, der zu Herzen geht. Doch angesichts des herben Themas sprachen wir im FilmClicks-Interview mit Josef Hader ausführlich über die letzten Dinge.


FilmClicks: Herr Hader, „Arthur & Claire“ ist ein Film über das Sterben und den Tod. Was hat Sie an diesem Projekt interessiert?
Josef Hader: Mir gefiel der minimalistische Ansatz sehr gut: Zwei Schauspieler, eine Nacht, eine Stadt. Das ist eine Komprimierung von Zeit und Ort, wie sie im Kino nicht oft passiert. Mit so einem Projekt kann man mich sofort fangen. Das Thema des Films ist für mich hingegen nicht unbedingt neu. Ich bin in den letzten Jahren ein bisschen ein Fachmann für Figuren geworden, die sich umbringen wollen.
 
Ihr Arthur ist allerdings kein Selbstmörder, sondern ein todkranker Mann, der Sterbehilfe sucht.
Bei der Figur des Arthur lag die Herausforderung darin, spürbar zu machen, dass dieser Mann ständig Angst hat, zu ersticken. Das ist auch der Grund dafür, dass er nicht einfach zu Palliativ-Medizinern geht und sagt, gebt mir was gegen die Schmerzen, dann schlummere ich friedlich hinüber.  Diese spezielle Situation wollte ich den ganzen Film hindurch spürbar machen.

Hader: „Ich wollte spürbar machen, dass Arthur ständig Angst hat, zu ersticken“ © Filmladen

Man sagt den Österreichern ja gern eine gewisse Todessehnsucht nach. Kann ein Film wie „Arthur & Claire“ mit Ihnen in der Hauptrolle dieses Image wieder mal  verstärken?
Ich glaube, dass die Produzenten in diesem Fall lieber einen todkranken Österreicher als einen todkranken Deutschen sehen wollten. Denn von einem Österreicher erwarten sie, dass er aus solch einer Rolle noch immer etwas Lustiges macht.
 
Im Film wird generell viel gestorben. Doch der Tod ist nur selten ein so zentrales Thema und eine so konkrete Bedrohung wie in „Arthur & Claire“. Woran liegt das?
In Publikumsfilmen will man den Tod generell nicht erzählen, weil das ein letztes Tabu-Thema ist in unserer Gesellschaft ist, mit dem sich niemand gern auseinandersetzt.  In Arthaus-Filmen hingegen wird der Tod ständig erzählt. Denn der Arthaus-Film soll ja für die Mittelstands-Intellektuellen aus der Stadt die Tragödie thematisieren. Viele dieser Menschen haben ein sehr langweiliges Leben ohne große Katastrophen, weil sie sehr geschickt sind und solchen Ereignissen ausweichen. Zugleich sind sie aber ganz süchtig nach schlechten Lebenszuständen, damit sie das auch einmal kennenlernen – so, wie man in der Achterbahn mitfährt um einen Fünfer. Dem verdankt der Arthaus-Film seine Existenz und sein Publikum. Und dadurch kommt auch der Tod im Film wieder zu seinem Recht.
 
Ist das jetzt nicht sehr überspitzt formuliert?  
Nein. Ich finde, das darf man ruhig so sagen. Der Arthaus-Film ist ein Genre wie andere auch; mit verschiedenen Unter-Genres. Es gibt zum Beispiel diese gutgelaunten französischen Arthaus-Filme, in denen Behinderungen irrsinnig lässig sind und man das Leben entdecken kann. Diese Genres werden relativ unbekümmert genutzt, also darf man das auch aussprechen (lacht). Ich bin ja Kabarettist. Da darf ich so etwas sagen. Denn das nimmt ja eh keiner ernst-
 
Der Mensch lebt im Bewusstsein, dass er irgendwann sterben muss, tut aber gern so, als würde ihn der Tod nichts angehen. Wie ist das bei Ihnen?
Die Welt ist voll von Menschen in unserem Alter, die so tun, als hätten sie das Leben noch vor sich. Wir sollten uns aber beide bewusst sein, dass wir einen Großteil unseres Lebens schon hinter uns haben, und wir sollten daher die restliche Zeit gut nützen. Ich zähle mich zu den Vertretern der Denkweise, dass man, wenn’s geht, immer ein bisschen mit dem Tod rechnen soll. Das mache ich schon seit meiner Jugend.  Interessanter rechnete ich, als ich jung war, stärker mit dem Tod als jetzt, wo ich doch eine Zeitlang überlebt habe. Aber das ist eine Dummheit. Ich weiß, der Tod wird immer wahrscheinlicher.
 
Im berühmten Marcel-Proust-Fragebogen kommt die Frage vor: Wie möchten Sie sterben? Wie lautet Ihre Antwort darauf?
Da weiß ich nicht, was mir lieber wäre: Ob ich überraschend sterbe oder ob ich gerne so lange krank wäre, dass ich mich gut auf den Tod vorbereiten kann. Ich muss diese Entscheidung auch nicht treffen, also sage ich ganz einfach als Antwort auf die Frage: Möglichst spät. Das ist allerdings möglicherweise etwas, das man sich nicht wünschen soll. Vielleicht sagt man nach zehn Jahren des Dahinvegetierens, ach, wäre ich doch zehn Jahre früher gestorben. Aber dieses Risiko gehe ich ein. Ich wünsche mir, möglichst spät zu sterben.
 
War es leicht für Sie sich in „Arthur & Claire“ in einen Mann einzufühlen, der seinen Tod für den nächsten Tag eingeplant hat?
Ich kann mir das gut vorstellen für den Fall, dass ich jeden Tag um meine Atemluft kämpfen müsste  und die ständige Angst hätte, dass die Luft zu wenig wird. Dass man in dieser Situation souverän entscheiden möchte, das verstehe ich.
 
Wie lautet Ihre Position zur aktiven Sterbehilfe?
Man sollte dafür sorgen, dass Menschen, die sterben wollen, sich bei guten Palliativ-Medizinern darüber informieren können, welche Angebote da bestehen. Ich glaube, dass ein Großteil dieser Menschen dann wahrscheinlich die Palliativ-Medizin in Anspruch nehmen würde. Doch jenen Menschen, die dann noch immer eine freie Entscheidung über ihren Tod treffen möchten, denen sollte man das ermöglichen. Es gibt keine religiöse Überzeugung bei mir, die mir das verbieten würde.
 
Wenn wir schon bei der Religion sind: Öffnet sich beim Sterben eine Tür oder geht die Tür für immer zu?
Lassen Sie mich etwas ausholen. Als 16-Jähriger wurde ich in der Schule mit der Apologie des Sokrates gequält, im griechischen Originaltext. Daraus habe ich mir Sokrates‘ Satz gemerkt, dass man nicht genau wisse, ob der Tod nicht etwas unglaublich Gutes sei.  Denn entweder sei der Tod ein langer Schlaf – und er persönlich schlafe ja gerne -, oder es stimme, was seine Religion sagte, dass man in eine Art Unterwelt kommt, wo man die trifft, die vor einem gelebt haben. Das habe ich mir wirklich seit damals gemerkt und daran denke ich immer, wenn ich an den Tod denke. Und ich hoffe, dass ich diesen Gedanken dann genauso tröstlich finden werde wie ich es Zeit meines Lebens immer getan habe.
 
Gelungene Zusammenarbeit: Hader mit Filmpartnerin Hannah Hoekstra © Filmladen

Kehren wir vom Tod zurück zu „Arthur und Claire“. Sie spielen sehr intensiv mit der jungen niederländischen Darstellerin Hannah Hoekstra zusammen. Wie war der Dreh?

Ich habe Hannah erst bei den Proben kennengelernt, sah allerdings vorher Filmszenen mit ihr, die mir unglaublich gut gefielen. Die Zusammenarbeit hat auf Anhieb funktioniert, weil Hannah eine Darstellerin ist, die keine Drehbuchzeile spielt, wenn die nicht wirklich stimmt – und ich auch nicht. Wir haben immer wieder sehr gut gelaunt unseren halben Dialog weggeschmissen und miteinander gesagt, das brauchen wir nicht. Das war ein ständiges Wegschmeißen, und das hat dem Film sehr gut getan.
 
Noch eine andere Frage, die viele Ihrer Fans interessiert: Wird es irgendwann eine neue Wolf-Haas-Verfilmung mit Ihnen als Ermittler Brenner geben?
Nein, das glaube ich nicht. Wir haben die Bücher von Wolf Haas durchgeschaut und jedes Buch ist ein hervorragender Krimi. Aber uns ist nichts eingefallen, wie wir die Linie fortführen können,  die Filme hin zum Drama zu lenken. Ein neuer Film wäre wohl ein Rückschritt zu einem normalen Krimi. So lange wir keine Idee haben, wie wir das vermeiden können, lassen wir es erst einmal sein.
 
Und wann planen Sie nach dem Erfolg von „Wilde Maus“ Ihre nächste Inszenierung?
Ich möchte jetzt erst einmal versuchen, ein neues Kabarettprogramm zu schreiben. Falls ich danach eine sehr persönliche Geschichte finde, möchte ich gern wieder einen eigenen Film machen. Sehr gern würde ich aber in einem Film mitspielen, für den Wolfgang Murnberger (der Regisseur der Wolf-Haas-Verfilmungen, Anm.) das Drehbuch schreibt. Denn ich finde seine frühen Filme einfach grandios und würde ihn gern dazu bringen, dass er diese Linie wieder verfolgt.   



Kritik
Arthur & Claire
Josef Hader spielt in „Arthur & Claire“ einen schwer krebskranken Mann, der der Sterbehilfe wegen nach Amsterdam fliegt. Doch dann begegnet er einer verzweifelten jungen Holländerin. Und hindert sie daran, Suizid zu begehen. Mehr...