Josef Hader , Aenne Schwarz über ihren Film „Vor der Morgenröte“, Exil und das Ehepaar Stefan und Lotte Zweig


„Auswandern ist keine Lösung“

30.05.2016
Interview:  Peter Beddies

„Vor der Morgenröte“: Josef Hader und Aenne Schwarz als Stefan und Lotte Zweig © Filmladen

Stefan Zweig im Kino: Das Bio-Pic „Vor der Morgenröte“ (Kinostart: 3. Juni) setzt einem legendären österreichischen Dichter ein lange überfälliges Film-Denkmal. Der Wiener Star-Kabarettist Josef Hader – von Zeit zu Zeit auch hoch gelobter Schauspieler – porträtiert Stefan Zweig. An seiner Seite agiert die Berlinerin und Wahlwienerin Aenne Schwarz, die seit 2013 zum Ensemble des Wiener Burgtheaters zählt. Ein reizendes Paar. Sowohl auf der Leinwand als auch beim Interviewtermin in Leipzig, wo die Deutschland-Premiere von „Vor der Morgenröte“ stattfand. FilmClicks hat dort mit Hader & Schwarz  gesprochen.  


FilmClicks: Sie spielen in „Vor der Morgenröte“ das Ehepaar Stefan und Lotte Zweig, das wegen der Nazi-Diktatur ins Exil ging. Nun gab‘s gerade eine Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich, bei der manchmal in sozialen Netzwerken das Wort Exil fiel. Wenn die Stichwahl am 22. Mai anders ausgegangen wäre – hätten Sie dann über Auswanderung nachgedacht?
Aenne Schwarz: Ja!
Josef Hader: Ich nicht. Ich bin ja nicht erst ein paar Jahre da, sondern ich bin in Wien, seit ich 19 wurde. Es ist eine Heimat. Wahlergebnisse in einer Demokratie sollten nicht dazu anregen, auszuwandern. Sondern zu schauen, dass man bei der nächsten Wahl ein anderes Ergebnis bekommt. Ich glaube sogar, dass Menschen,  die in den Medien allzu laut über Auswanderung reden, eine gewisse Geschmacklosigkeit begehen gegenüber Menschen, die wirklich wegen einer Diktatur auswandern mussten. Ich denke mir, dass die Demokratie in Österreich sehr stabil ist, dass es eine starke Zivilgesellschaft gibt. Dass wir nicht vergleichbar sind mit Polen oder Ungarn.
 
Also hat Ihnen der Wahlsonntag, an dem Alexander Van der Bellen Österreichs Bundespräsident wurde, Mut gemacht?
Hader: Ja, durchaus. Die starke Zivilgesellschaft hat sich da gezeigt. Wenn man das Ergebnis des ersten Wahlgangs mit dem der Stichwahl vergleicht, dann zeigt das nicht, dass plötzlich so viele Menschen bei uns grün denken und wählen. Es heißt, dass man einen rechten Bundespräsidenten verhindern wollte.
 
Frau Schwarz, aber Sie würden auswandern?
Schwarz: Also, Auswanderung ist ein zu starkes Wort. Aber ich denke eh darüber nach, irgendwann wieder von Wien nach Berlin zu gehen. Wäre die Wahl anders ausgegangen, hätte ich vielleicht noch etwas mehr darüber nachgedacht. In Deutschland ist es im Moment aber auch nicht so viel besser. Josef hat natürlich völlig Recht. Wenn alle guten Menschen gehen, was bleibt dann noch? Eigentlich muss man dort kämpfen, wo man ist. Dafür sorgen, dass es besser wird und nicht einfach abhauen. Als Deutsche fühlt sich das in Österreich gerade etwas eigenartig an.
 
Reden wir über „Vor der Morgenröte“. Der Film spielt zwischen 1936 und 1942. Und trotzdem kam er mir mit seiner Exil-Thematik sehr heutig vor.
Hader: Wir sind während des Drehs darauf gekommen, wie aktuell der Film werden würde. Das war wegen der Ereignisse um die Flüchtlinge vor einem Jahr,
Schwarz: Dass sich das so zuspitzen würde, dass die alltäglichen Ereignisse so dicht an unseren Film rücken würden, das wusste man nicht. Man hat das Gefühl, dass die Sätze, die Stefan Zweig im Film sagt, immer aktueller werden.
 
Stefan Zweig ist ein Autor, der vielen Menschen in der Jugend begegnet. Dann verschwindet er meist aus dem Blickfeld. Und kehrt nur sporadisch zurück. Wann ist er Ihnen zum ersten Mal begegnet?
Schwarz: Ich glaube, ich habe zuerst die Novelle „Brief einer Unbekannten“ gelesen. Das weiß ich noch. Es war in Berlin, am Ufer der Spree. Mich hat das verzaubert. Wie er über Frauen schreibt. Man möchte ja manches Mal männlichen Schreiberlingen nicht zugestehen, zu intim über das Weibliche zu schreiben. Eben weil das oft daneben geht. Bei Zweig geht das auch manchmal daneben. Aber das ist mit so einer Leidenschaft geschrieben, das hat mich einfach erwischt. Besonders seine poetische Art gefällt mir gut.
Hader: Ich habe Stefan Zweig – wie auch Hermann Hesse – ebenfalls in der Jugend gelesen. Dann verlor ich ihn ein wenig aus den Augen. Aber einige Bücher, wie seine Autobiografie „Die Welt von gestern“, haben mich über die Jahre hinweg begleitet. „Die Welt von gestern“ habe ich aller paar Jahre mal gelesen, weil ich das immer so interessant fand, wie er seine Zeit beschreibt.
 
Herr Hader, es ist phänomenal, wie Sie im Film mit Stefan Zweig verschmelzen. In einigen Szenen schauen Sie verträumt aus einem Autofenster. Und da ist kein Josef Hader mehr da, sondern nur noch Stefan Zweig.
Hader: Das ist die Maske. Außerdem, was ich wirklich gut kann, das ist Schauen (grinst). Der Rest ist nicht so toll. Aber schauen kann ich gut. Und wenn die Maske noch stimmt, dann sehe ich halt wie Stefan Zweig aus.

In der Rolle aufgegangen: Josef Hader als Stefan Zweig © Filmladen

Es heißt, Sie sagen oft Nein zu Filmprojekten.
Hader: So oft nun auch wieder nicht. Vielleicht zweimal im Jahr. Ich bekomme nicht so häufig Sachen angeboten, die mich interessieren.
 
Und hier, musste man Sie überreden?
Hader: Nein. Es lief bei diesem Film anders als sonst. Da bekommt man Angebote über Agenturen. Hier war es so, dass sich Regisseurin Maria Schrader mit mir im Kaffeehaus getroffen hat. Sie gab mir das Drehbuch und sie meinte, sie wäre überzeugt, dass ich das spielen kann. Es gab auch kein Casting. Es war ein unglaublich vertrauensvolles Zukommen auf mich. Ich selber wäre nie auf die Idee gekommen, mich zu bewerben oder ein Casting zu machen.
 
Wie war es bei Ihnen Frau Schwarz?
Schwarz: Das war insofern interessant, weil ich erst für eine andere Rolle vorgesprochen hatte. Aber dann meinte Maria Schrader, dass ich nur für Lotte Zweig in Frage käme. Was dann schwierig mit den Terminen wurde, weil ich Verpflichtungen am Burgtheater hatte. Also musste Maria auf mich warten. Das habe ich auch als einen schönen Vertrauensvorschuss empfunden.
 
Gleich zu Beginn des Films äußert sich Stefan Zweig zur Zukunft Europas. Und er sagt, dass er von einem grenzenlosen Europa träumt. Das haben wir momentan. Und dennoch ziehen dunkle Wolken auf. Wie schauen Sie in die Zukunft? Optimistisch oder pessimistisch?
Hader: Sowohl als auch. Auf der einen Seite ist es klar, dass Europa auseinanderbricht, wenn es den entscheidenden Schritt nicht schafft, vor dem es steht. Andererseits glaube ich schon noch daran, dass die positiven Kräfte stärker sein werden. Aber es ist die größte Krise der Europäischen Gemeinschaft, seit es die Idee gibt. Es gibt eine Chance, dass es schlecht ausgeht. Aber ich glaube noch immer daran, dass der Zusammenhalt stärker ist.



Kritik
Vor der Morgenröte
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