Vor der Morgenröte

Stefan Zweig: Vom Leben in der Fremde


FilmClicks:
„Vor der Morgenröte“: Stefan Zweig (Josef Hader) und seine Frau Lotte (Aenne Schwarz) © Filmladen
DIE STORY: „Vor der Morgenröte“ erzählt in vier Kapiteln aus dem Leben des Wiener Dichters Stefan Zweig (1881 - 1942). Der Film spielt in den Jahren 1936 sowie 1941 und 1942, als der weltberühmte jüdische Schriftsteller Zweig (Josef Hader) längst vor den Nazis aus Europa geflüchtet ist.
Er kommt nach Brasilien und New York. Wird überall gefeiert wie heute wohl nur Filmstars. Man erwartet von Zweig, dass er sich zu den Nazis in Deutschland positioniert, was er nicht tut. Jeden Tag erreichen ihn Bittbriefe, dass er Juden aus Europa heraushelfen soll. Zum Arbeiten kommt er kaum noch. Zur Ruhe auch nicht. Am Ende wählt er mit seiner jungen Frau Lotte (Aenne Schwarz) den Freitod.     

PEN-Kongress in Rio: Der Autor Emil Ludwig (Charly Hübner) begrüßt Stefan Zweig (Josef Hader) © Filmladen

DIE STARS: Josef Hader trägt diesen stillen und dennoch hochspannenden Film mit einer Gelassenheit und Eleganz, für die man ihn nur bewundern kann. All das, was man sonst von ihm kennt, das Zynische und Plapperhafte, fällt hier weg. Hader verschwindet komplett hinter Stefan Zweig. Preiswürdig!
An seiner Seite glänzt die Burgschauspielerin Aenne Schwarz als seine zweite Frau Lotte, während die wie immer großartige Barbara Sukowa als Zweigs erste Gattin Friderike einen herzzerreißenden kurzen Auftritt hat.
Mit Matthias Brandt und Charly Hübner (in den Rollen der Schriftsteller Ernst Feder und Emil Ludwig) sind zwei führende Schauspieler aus Deutschland in wichtigen Nebenrollen dabei.   

Literaten im Exil: Stefan Zweig (Hader) und Ernst Feder (Matthias Brandt) © Filmladen

DIE KRITIK: Es ist immer so eine Sache mit Biografien auf großer Leinwand. Oft kleben die Filme zu nah an den Lebensläufen. Von der Wiege bis zu Bahre; das mag ein netter ehrgeiziger Ansatz sein. Im Kino funktioniert es kaum. Die Schauspielerin Maria Schrader, die mit „Vor der Morgenröte“ ihre zweite Regiearbeit vorlegt, geht einen sehr lobenswerten, einen radikalen Weg.
Schrader beschreibt ihren Film als „vier Fenster ins Leben des Stefan Zweig“. Wie er zum Schreiben kam, was ihn berühmt machte, wie die Nazis ihn aus Europa vertrieben – all das sollte (muss man aber nicht) vorher bei Wikipedia und Co. nachlesen. Der Film setzt mit dem ersten Kapitel (oder Fenster) im Jahr 1936 ein.
Da wird der berühmte Schriftsteller in Brasilien bei einer PEN-Tagung begrüßt. Es werden etliche Reden über den Zustand Europas gehalten und die Exil-Autoren als Helden gefeiert. In einer Runde mit Journalisten äußert Stefan Zweig seine Hoffnung, dass es eines Tages ein Europa ohne Grenzen geben möge.
In den nächsten beiden Kapiteln aus dem Jahr 1941 erfährt der Zuschauer viel darüber, wie fremd sich Stefan Zweig fühlt auf dem amerikanischen Kontinent, wie sehr ihm die Arbeit fehlt. Er besucht mit seiner jungen Frau Lotte (Aenne Schwarz) eine Kaffeeplantage. Bekommt feuchte Augen, als eine Kapelle furchtbar schief einen Walzer spielt, der ihn an die Heimat erinnert.
Es ist keine stringente Geschichte, die hier erzählt wird. Es sind Schlaglichter, die deutlich machen, warum man im letzten Kapitel 1942 Stefan Zweig und seine Frau leblos auf einem Bett findet.
Maria Schrader verzichtet auf alles, das irgendwie ablenken könnte. Es gibt auch keine Musik, die eh überflüssig wäre. Nur starke Charaktere, tolle SchauspielerInnen. Und eine Geschichte, die einem wieder mal zeigt, dass es nicht reicht, über Ideale zu reden. Man muss für sie kämpfen.             
 
IDEAL FÜR: Arthaus-Kinogänger, die originell verfilmte Biografien mögen. Und natürlich für die Fans von Josef Hader.






Trailer
LÄNGE: 106 min
PRODUKTION: Deutschland / Österreich 2016
KINOSTART Ö: 03.06.2016
REGIE:  Maria Schrader
GENRE: Biografie|Drama
ALTERSFREIGABE: jugendfrei


BESETZUNG
Josef Hader: Stefan Zweig
Aenne Schwarz: Lotte Zweig
Barbara Sukowa: Friderike Zweig
Charly Hübner: Emil Ludwig
Matthias Brandt: Ernst Feder

Interview
„Auswandern ist keine Lösung“
Josef Hader und Aenne Schwarz spielen im Bio-Pic „Vor der Morgenröte“ den Dichter Stefan Zweig und seine Frau Lotte. Im FilmClicks-Interview sprechen sie über den Film und den Schriftsteller; über Exil und die österreichische Bundespräsidenten-Wahl. Mehr...