Bruno Ganz
über Lars von Trier, „The Party“ und die DDR
„Hauptsache locker!“
30.07.2017
Interview:
Peter Beddies
Ob Heidis Großvater oder Hitler: Der Schweizer Bruno Ganz kann spielen, was er will. In den knapp 60 Jahren seiner Karriere hat er mehr als 100 Filme gedreht. Aktuell kann man sich im Kino ein Bruno-Ganz-Double-Feature basteln. In Sally Potters hinreißender Polit-Satire „The Party“ spielt Ganz einen leicht verhuschten Therapeuten. Im glanzvollen DDR-Kammerspiel „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ wiederum ist er als stalinistisch durchwirkter SED-Würdenträger zu sehen. Aktuell dreht Ganz übrigens mit Lars von Trier: Ein Interview über Trier und sein neues Werk „The House That Jack Built“, über britische Komödien und die DDR.
FilmClicks: Herr Ganz, Sie haben im Lauf der Zeit mit vielen großen Regisseuren gearbeitet. Nun drehen Sie mit Lars von Trier. Wie sind Sie denn mit ihm in Kontakt gekommen?
Bruno Ganz: Ich glaube, der Cutter von Lars von Trier hat Sally Potters „The Party“ geschnitten. Und Trier brauchte einen, wie er sagte „moralischen Kompass“ für seinen Film „The House That Jack Built“
(lacht). Da muss ich wohl mit den Worten empfohlen worden sein: „Das ist ein guter Junge. Der ist echt nett. Das kann man bei Sally Potter sehen“. Darauf hat Lars von Trier zu ihm gesagt, dass man mich herbeischaffen soll. Also war ich drei Tage bei ihm in Kopenhagen und fand ihn gut.
Kann ich mir vorstellen. Er hat zwar schwer einen an der Waffel…
…das würde ich wahrscheinlich so nicht ausdrücken…
...na ja, wir Journalisten schießen vielleicht manchmal über das Ziel hinaus…
...gefällt mir aber ganz gut, dieser Ausdruck. Mein Eindruck von ihm ist genau derselbe. Intelligenter, freundlicher liebenswürdiger Typ mit sehr viel Humor.
Das sind aber Eigenschaften, die in seinen Filmen nicht so häufig auftauchen.
Wohl wahr. Nach dem Treffen habe ich mir all seine Filme angeschaut. Und da ist das wohl ein bisschen anders.
OK, ohne Sally Potter hätte es also keinen Lars von Trier für Sie gegeben. Warum wollten Sie denn bei ihrem Film „The Party“ mitmachen?
Weil ich das Drehbuch ungeheuer mochte und auch mal eine Komödie spielen wollte. Diese Art der englischen Komödie, das spricht mich einfach an.
Bei den Dreharbeiten war eine ganze Reihe exzellenter Schauspieler in einem Raum.
Das stimmt. Und das wurde dann hin und wieder zum Problem. Denn die Kolleginnen haben plötzlich die Tragödie für sich entdeckt. Ich dachte nur: Da halte ich mich lieber raus. Meiner Ansicht nach lebt diese Art der Komödie davon, dass die Dialoge wie Ping-Pong hin und her fliegen. Aber meine Mitspieler wollten das mit Bedeutungsschwere aufladen. Und ich dachte immer: „Hauptsache locker – immer Ping Pong!“. Das fiel immer schwerer. Aber ich habe den Film trotzdem gern gesehen.
Ihre großen Hauptrollen bekommen Sie aber immer im deutschsprachigen Kino.
Stört mich nicht. Das ist meine Sprache. In der kenne ich mich aus und weiß genau, wo welche Akzente zu setzen sind. Und wenn ich international gefragt werde, dann mache ich das nur, wenn es mich reizt.
In gewisser Weise ist „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ auch ein Film im Ausland. Denn er spielt in den letzten Tagen der DDR. War Ihnen der sozialistische deutsche Staat vertraut?
Also, ich wusste eine ganze Menge über die DDR. So einem richtigen Stalinisten aber, wie ich ihn in dem Film spiele, bin ich nie begegnet.
Waren Sie je ideologisch?
Ich war immer ein bürgerlicher Künstler mit linken Tendenzen. Aber zu einer Ideologie hat es nie gereicht
(lacht).
Sind Sie je in der DDR herumgereist?
Als Schweizer konnte ich leicht nach Ost-Berlin reisen. Und mit einem Visum bin ich mal nach Dresden gefahren und nach Meißen und in den Achtziger Jahren dann auch hin und wieder wandern im Elbsandstein-Gebirge.
Kam Ihnen dieser Staat je bedrohlich vor?
Nun ja, vor vielen Jahren als kleiner Schweizer hatte ich eine furchtbare Angst. Wenn man in Berlin am Bahnhof Friedrichstrasse rüber wollte, musste man in den Keller und dann kamen Ansagen wie „machen Sie mal Ihr Ohr frei.“ Und ich dachte, wenn hier was passiert, beschützt mich keiner. Hier gibt es keinen Rechtsstaat. Die können hier mit mir machen, was sie wollen. Das war durchaus eine Bedrohung, die ich da gespürt habe.
Sie hätten – sozusagen als Rache – den Altstalinisten in „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ jetzt ganz anders spielen können.
Sie meinen als senilen Witzbold? Nein, das hätte mich nicht interessiert. Ich finde, man muss das, wofür er gekämpft hat, und sei es der Stalinismus, verteidigen. Sonst versteht man ja überhaupt nicht, worum es in dieser DDR gegangen ist. Auch diesen Typen wollte ich übrigens mit einer gewissen Lockerheit spielen. Wenn alle in sein Haus kommen und ihm zum 90. Geburtstag gratulieren, das sollte auch locker und ein wenig absurd sein.
Sie haben immer wieder auch extreme Figuren gespielt. Wie wäre es denn demnächst mit der momentanen politischen Hassfigur Nummer Eins: Donald Trump?
Das würde ich nicht machen. Es ginge auch gar nicht. Hitler schon, aber Trump nicht. Ich sehe da keine Möglichkeit für mich als Schauspieler. Er ist ständig der gleiche beleidigte Kindskopf. Das ist nicht wirklich interessant.