DIE STORY: Die Bestseller-Verfilmung „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ spielt an einem einzigen Tag im Frühherbst 1989 im Osten Berlins – also kurz vor dem Fall der Mauer.
Der hohe SED-Funktionär Wilhelm Powileit (Bruno Ganz) feiert seinen 90. Geburtstag. Während nach und nach die Gratulanten eintreffen, wartet Wilhelm vor allem auf seinen Enkel Sascha (Alexander Fehling). Dass der längst die DDR in Richtung Westen verlassen hat, wird der Jubilar erst viel später erfahren. Bis dahin versucht sich ein zum Untergang verurteiltes sozialistisches System zu feiern. Eine absurde Veranstaltung.
DIE STARS: Der Schweizer Bruno Ganz, 76, der schon etliche historische Personen gespielt hat, schlüpft bewundernswert in diesen erdachten Altstalinisten und ehemaligen Widerstandskämpfer. Dieser Wilhelm Powileit wird zwar 90 Jahre alt. Sein Körper gehorcht ihm nicht mehr in jeder Szene. Aber sein Geist ist noch scharf und reichlich boshaft.
An seiner Seite als Powileits Gattin Charlotte macht Hildegard Schmahl eine ausgezeichnete Figur. Der wahre Hingucker aber ist Sylvester Groth als Sohn. Er versucht, das fragile Gebilde der Familie, die schon zu lange einer großen Lebenslüge dient, irgendwie aufrecht zu erhalten. Er muss daran scheitern. Schauspielerisch jedoch ist diese zutiefst traurige Figur ein Triumph.
DIE KRITIK: Eigentlich ist „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, der Roman von Eugen Ruge, nicht verfilmbar. Darin waren sich die Rezensenten im Herbst 2011 einig.
Wäre das Buch ein paar Jahre später erschienen, so vor einem Jahr oder heute, dann hätte man sicher eine 20stündige Miniserie empfohlen. Und das wäre vielleicht auch der perfekte Weg gewesen, diesen deutsch-deutschen Roman kongenial umzusetzen.
Die Handlung umfasst mehrere Jahrzehnte und Reiche und Republiken. Die Orte wechseln von Deutschland nach Russland und Mexiko. Das wäre sicher ein großer Spaß gewesen, das ganze Buch verfilmt zu sehen.
Sei`s drum. Regisseur Matti Geschonnek und sein Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase machen das Beste aus der nun vorliegenden Kino-Version. Sie formen aus dem epochensprengenden Roman ein Kammerspiel. Die Orte und Zeitebenen, die für das Leben der Familie Powileit wichtig waren, kommen in Bildern oder Erzählungen vor. Aber das eigentliche Geschehen wird auf einen einzigen Tag – eine sehr kluge Entscheidung – eingedampft. Der 90. Geburtstag des Patriarchen.
Wie damals im Arbeiter- und Bauern-Staat üblich, müssen alle gesellschaftlichen Kräfte beim Jubilar erscheinen. Es werden aus heutiger Sicht sinnlose Lieder gesungen. Arbeiter dürfen darüber schwadronieren, dass sie Ost-Käse herstellen wollen, der nach West-Käse schmeckt. Das ganze marode System der DDR wird hier ganz wunderbar am Ende seiner Zeit verdichtet vorgeführt – ein sparsam inszenierter Film und dennoch ein großer Genuss.
IDEAL FÜR: Freunde von exzellenten Kammerspielen, die manchmal spannender sein können als so manches Action-Spektakel.