Ice Cube
Über seine Musik und den Film „Straight Outta Compton“
„Sobald ich ein Mikrofon habe, muss ich was Relevantes sagen“
25.08.2015
Interview:
Anna Wollner
Der Kalifornier O’Shea Jackson, 46, ist unter seinem Künstlernamen Ice Cube einer der erfolgreichsten Rapper der Welt. Jetzt wurde er auch zur Filmfigur: Der Kino-Hit „Straight Outta Compton“ erzählt die Geschichte des Aufstiegs von Ice Cube und seinen Kollegen Dr. Dre, Eazy-E, MC Ren und DJ Yella mit der Band N.W.A. 1988 gelang der Gruppe ein phänomenaler Erfolg mit einem Album, das so heißt wie jetzt der Film – „Straight Outta Compton“. Im FilmClicks-Gespräch erzählt Ice Cube über seine Karriere, den Film und seinen Sohn O`Shea Jackson Jr: Der Junior verkörpert den Senior auf der Leinwand.
FilmClicks: Von welcher Laufbahn haben Sie als Kind geträumt?
Ice Cube: Ich wollte Football-Spieler werden. Ich war auch ganz gut und habe es bis in die Highschool-Auswahl geschafft. Dann allerdings habe ich Dr. Dre kennengelernt und mit dem Rappen angefangen. Auf einmal wollte ich Musik machen. Das war besser als Football.
Wie sind Sie zum Gangsta Rap gekommen?
Ich bin mit Melle Mel groß geworden, seinen Alben „The Message“ und „Survival“, mit der Musik von Grandmaster Flash & the Furious Five, mit Run-DMC. Die sangen alle über ihre harten Zeiten. Damit konnte ich etwas anfangen. Dann kam Public Enemy. Schon wieder jemand, der mir aus der Seele sprach. Bei unserer eigenen Band N.W.A waren wir fünf Mitglieder mit fünf unterschiedlichen Denkweisen und Zielen. Ich hatte endlich die Möglichkeit, über die Dinge zu sprechen, die mich bewegten. Auseinandersetzungen mit Gangs und Polizeigewalt – das waren meine Themen. Für mich war klar: sobald ich ein Mikrofon in der Hand habe, muss ich auch was Relevantes sagen. Aber, um ehrlich zu sein, hat uns der Erfolg überrascht. Wir dachten, wir seien Underground. Dass unsere Musik nie Mainstream, nie Pop werden würde. Aber daraus ist irgendwie nichts geworden.
Gab es eine Art Initalzündung für Sie?
Ja, den Song „Fuck Tha Police“. Das war
der eine Moment. Den wollte jeder hören. Den zu schreiben, aufzunehmen, zu produzieren und dann zu veröffentlichen, war ein großes Ding.
Rap war damals Ihr Sprachrohr. Ist das noch immer die Stimme der Jugend?
Unbedingt. Niemand kümmert sich darum, was Jugendliche denken. Es gibt keine Plattform für sie, die nicht von Erwachsenen kontrolliert wird. Musik ist das einzige Medium, das sie haben, das nur von ihnen kontrolliert werden kann. Allein deswegen wird es für mich immer Musik geben. Es ist Kommunikation, Sprache, Poesie. Wenn sie gut ist, ist es großartig, wenn sie schlecht ist, ist es furchtbar. Aber das lieben die Leute daran.
Der Film „Straight Outta Compton“ erzählt die Geschichte Ihrer damaligen Band N.W.A., hat aber auch brisante politische Bilder - immer dann, wenn es um die willkürliche Polizeigewalt geht. Was geht Ihnen heute durch den Kopf, wenn Sie von solchen Ereignissen hören?
Das ist nicht gut. Ich hatte eigentlich gehofft, dass diese Bilder der Vergangenheit angehören. Das wir die Sache bis heute erledigt hätten. Ich habe damals nicht daran geglaubt, nicht gewagt zu hoffen, dass wir mit unserer Musik irgendwas verändern würden. Aber ich wollte die Leute damals einfach auf unsere Situation aufmerksam machen. Heute ist vieles klarer. Die Polizei kommt nicht mehr mit allem durch. Es gibt Videoaufnahmen, sie werden bei Sachen erwischt, die sie uns damals schon angetan haben. Es ist, als hätte jemand das Licht angemacht. Es ist wie eine Seuche, die behandelt werden muss. Der Film rückt den Fokus wieder darauf und zeigt, wie weit wir schon gekommen sind, aber auch, wie weit wir noch gehen müssen.
Gab es im Vorfeld des Films viele Diskussion darüber, wie Figuren wie Suge Knight oder Ihr Manager Jerry Heller dargestellt werden? Leute, mit denen Sie offensichtlich Probleme hatten?
Ja, die gab es. Nicht jede Figur ist nur gut und nicht jede Figur ist nur schlecht. Man muss immer auch die Umstände betrachten. Suge zum Beispiel hat Dre am Anfang seiner Karriere sehr geholfen. Aber er war irgendwann ganz besoffen von seinem Erfolg. Jerry Heller war für uns wie ein Champion. Er hat mit uns Seite an Seite gestanden und gekämpft. Wir sind einfach menschlich nicht miteinander klar gekommen. Am Ende hat sich rausgestellt, dass alle Probleme mit ihm hatten. Er ist genauso unschuldig wie wir. Wir wollten jeden im Film vermenschlichen. Wir wollten nicht einfach nur unseren Wikipeda-Eintrag verfilmen oder alles Google-tauglich machen. Wir wollten einen Blick hinter die Kulissen werfen, eine umfassende Geschichte in einer fesselnden Form erzählen. Aber gleichzeitig auch authentisch sein.
Sie werden im Film von ihrem eigenen Sohn O'Shea Jackson Jr. gespielt. Wie fühlt sich das an?
Es ist ein ständiges Wechselbad der Gefühle. Aber alle davon sind gut. Für ihn ist es eine wunderbare Gelegenheit. Jeder Vater hofft doch, dass es seinen Kindern gut geht und dass sie Erfolg haben mit dem, was sie machen.
Das ist Ihre Vater-Sicht. Sie sind aber auch Produzent von „Straight Outta Compton“.
Es ist schon eine krasse Leistung, dass wir den Film überhaupt stemmen konnten. Auch auf diesem Level bin ich also glücklich. Wir hatten natürlich den Anspruch, die Qualität des Films so hoch wie möglich zu halten. Und dafür ist ein guter Cast die Grundlage. Immerhin haben wir mit N.W.A. und unserem Album „Straight Outta Compton“ damals eine Welle losgetreten. Nach 20 Jahren schließt sich jetzt ein Kreis.
Inwiefern?
Ich habe 1991 den Film „Boyz n the Hood – Jungs im Viertel“ gemacht. Als ich damals das Skript bekam, war ich begeistert, dass sich Leute für unser Leben in South Central Los Angeles überhaupt interessieren. Dass unser Leben spannend genug war, um die Aufmerksamkeit von Hollywood zu bekommen. Jetzt, 24 Jahre später, passiert das schon wieder. Nur, dass nicht mehr meine Hood im Mittelpunkt steht, sondern ich. Mein Weg in die Musikindustrie. Es geht um das Verwirklichen von Träumen – wenn du überhaupt die Chance hattest, zu träumen.