Philippe de Chauveron
über seine Multi-Kulti-Komödie „Monsieur Claude 2“
„Die Dinge geraten ein bisschen aus den Fugen“
03.04.2019
Interview:
Gunther Baumann
Der französische Filmemacher Philippe de Chauveron landete 2014 einen Kino-Coup, wie er nur selten gelingt: Seine Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ wurde international zum Superhit. Zwölf Millionen Franzosen, 3,9 Millionen Deutsche und 427.000 Österreicher amüsierten sich im Kino über die Geschichte vom Familienvater aus der Provinz, der nur schwer damit zurechtkam, dass seine vier Töchter ihr Herz an Herren unterschiedlicher Hautfarbe und Religionen verloren. Jetzt läuft die Fortsetzung der Multi-Kulti-Familiensaga an. Regisseur Philippe de Chauveron erzählt im FilmClicks-Interview, wie „Monsieur Claude 2“ entstand - ein Film, der in Frankreich in den ersten Kinowochen auch schon wieder 6,6 Millionen Zuscher anlockte.
FilmClicks: Monsieur de Chauveron, warum haben Sie sich fünf Jahre Zeit gelassen, um die Fortsetzung Ihres Kino-Superhits „Monsieur Claude und seine Töchter“ zu drehen?
Philippe de Chauveron: Die Produzenten haben mich lange fast täglich angerufen, um zu fragen, wann denn endlich der zweite Film kommt. Ich wollte aber nicht nur deshalb eine Fortsetzung drehen, weil sich das nach dem Erfolg des ersten Films anbot. Sondern ich wollte ein Thema finden, das ich mit den Figuren aus „Monsieur Claude“ erzählen möchte. Natürlich sollte es Anknüpfungspunkte zum ersten Film geben, aber auch etwas wirklich Neues. Und das hat seine Zeit gedauert.
Neu ist im zweiten Film, dass sich die vier Schwiegersöhne von Monsieur Claude, die alle einen Migrationshintergrund haben, in Frankreich offenbar trotz ihrer Ehen ein wenig fremd vorkommen.
Richtig. Es geht um ein Gefühl, das ich aus Gesprächen mit vielen Zuwanderern kenne. Sie leiden darunter, dass sie sich selbst als Franzosen wahrnehmen, von ihrer Umwelt aber nicht unbedingt als solche gesehen werden – aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder anderer Dinge. Außerdem macht es ihnen zu schaffen, wie schwer es ist – selbst wenn sie einen brillanten Lebenslauf vorweisen können –, eine gute Arbeit oder eine gute Wohnung zu finden. Damit hatte ich das nächste Thema, das die vier Ehemänner aus „Monsieur Claude und seine Töchter“ miteinander verbinden konnte. Als ironische Note kommt hinzu: Claude Verneuil, der Vater, wäre im ersten Film vermutlich ganz zufrieden gewesen, wenn die Männer ganz woanders hingegangen wären. Doch im zweiten Film setzt er nun alles daran, um sie mit ihren Frauen in seiner Nähe zu behalten.
In Ihrer Komödie funktionieren die Integration und das Erkennen von Gemeinsamkeiten letztendlich sehr gut. Warum tut sich hingegen die Gesellschaft in der Realität oft so schwer damit?
Uff, das ist schwierig zu beantworten. Kann sein, dass das an unserem Fokus liegt. Es gibt ja sehr viel gelungene Integration, doch wir schauen vornehmlich dorthin, wo es problematisch ist. Das gilt nicht nur für Frankreich, sondern für die ganze Welt. Die Dinge geraten ein bisschen aus den Fugen. Und auch in Ländern ohne jede Immigration gibt es soziale Spannungen.
Waren Sie vor fünf Jahren überrascht vom großen Erfolg von „Monsieur Claude“ oder war Ihnen schon vor der Premiere klar, dass Sie da ein Thema mit hoher Breitenwirksamkeit gewählt hatten?
Bei den ersten Previews in Frankreich merkten wir damals gleich, dass der Film funktionieren würde. „Monsieur Claude“ hat die Leute berührt und bewegt. Die Dimension des Erfolgs lag dann aber weit über unseren Erwartungen. Und wir hätten nie damit gerechnet, dass der Film auch außerhalb Frankreichs so viel Erfolg haben würde.
Wie reagierte die politische Rechte in Frankreich auf den ersten „Monsieur Claude“-Film und seine Multi-Kulti-Pärchen?
(Lacht). Für die Rechten war es schwer, etwas gegen den Film zu sagen, weil er so viel Erfolg hatte. Es gab Kommentare in der Art: „Der Film ist lustig, hat aber nichts mit der Realität in Frankreich zu tun.“ Die Rechten nahmen den Film als Komödie wahr, schoben aber den politischen Inhalt der Story möglichst weit weg von sich.
Reden wir ein bisschen über die Machart der „Monsieur Claude“-Filme. Mit dem Ehepaar Verneuil, den vier Töchtern und den vier Männern haben Sie gleich zehn Hauptfiguren. Wie schafften Sie es, die Storys so auszubalancieren, dass alle Charaktere genug Raum auf der Leinwand bekommen?
Die Dreharbeiten waren unproblematisch, weil die Schauspieler ihren Rhythmus und ihre Lebendigkeit mitbrachten. Oft bin ich als Regisseur eher den Schauspielern gefolgt als ihnen Anweisungen zu geben. Schwierig war bei beiden Filmen der Prozess davor und danach. Erst einmal also das Schreiben des Drehbuchs mit dem Ziel, alle Figuren mit Leben zu füllen. Und nach dem Dreh dann der Schnitt, in dem es erneut sehr stark um Rhythmus und um Gleichgewicht ging. Für mich sind Monsieur Claude und seine Frau, gespielt von Christian Clavier und Chantal Lauby, ganz klar das Herz der Filme. Alles, was rundherum geschieht, geht von den beiden aus.
Haben Sie die vielen Figuren der „Monsieur Claude“-Filme alle selbst erfunden oder gibt es auch reale Vorbilder?
Nun, ich habe mir einiges ausgedacht, aber in meinem Unterbewusstsein entstand eine Melange aus den unterschiedlichsten Leuten, die ich kenne. Ich selbst komme aus einer großbürgerlichen französischen Familie; meine Mama geht jeden Sonntag zur Kirche. Meine Brüder und auch ich selbst haben Frauen unterschiedlichster Herkunft. Da ist natürlich viel Persönliches in die Story eingeflossen.
Von den Nebenfiguren bekommt in beiden Filmen eine Familie von der Elfenbeinküste besonders viel Raum. Sind Sie zur Recherche selbst nach Afrika gefahren?
Ich war schon öfter in Afrika, aber nicht speziell wegen der Filme, sondern weil meine Frau afrikanischer Herkunft ist. Daher kenne ich das Leben dort gut. Was die Gestaltung der Figuren betrifft, konnte ich mich aber stets auch auf die Schauspieler verlassen, die ja ihre eigenen Erfahrungen mitbringen.
Können Sie sich vorstellen, dass es in Zukunft noch eine dritte Geschichte mit Monsieur Claude und seinen Töchtern im Kino geben wird?
Ja, natürlich kann ich mir das vorstellen. Wir haben viele Figuren, und die besitzen noch viel Potenzial. Der neue Film ist ja in Frankreich schon sehr gut angelaufen, und das ist für die Produzenten ein Anreiz, mich nach einer weiteren Fortsetzung zu fragen. Aber ich halte es wieder so, dass ich mir erst eine gute Geschichte ausdenken möchte. Dann sehen wir weiter.
Bedeutete es einen großen Druck, nach dem ersten Film die Fortsetzung zu drehen und den Erfolg womöglich zu wiederholen?
Nein. Ich wurde zwar viel vor diesem Druck gewarnt – und auch davor, dass man nach so einem großen Erfolg in ein Loch fallen kann –, aber für mich war der erste Film ein Geschenk des Himmels. Denn er hat es mir ermöglicht, exakt die Filme zu machen, die ich machen möchte.