Jessica Chastain über ihre Rolle als Glücksspiel-Queen im Poker-Drama „Molly’s Game“


„Ich bin zu 100 Prozent kein Gambler“

25.03.2018
Interview:  Matthias Greuling

Jessica Chastain: „Ich glaube an harte Arbeit, um etwas zu erreichen“ © Katharina Sartena

Hollywood-Star Jessica Chastain ist derzeit im Kino in „Molly’s Game“ als Glücksspiel-Queen Molly Bloom zu sehen. FilmClicks traf sie zum Interview in Berlin: Ein Gespräch über Zocker, Spielregeln, Gender-Fragen und darüber, warum sie für ihr Leben gerne lernt.


FilmClicks: Ms. Chastain, beherrschen Sie das Pokerspiel?
Jessica Chastain: Ich bin eine miserable Pokerspielerin. Und das ist gut für meine Rolle in „Molly Bloom“, denn auch die reale Molly spielte in ihrem Leben keine einzige Hand. Das Glücksspiel ist nicht meine Welt. Ich bin nicht interessiert daran, die Leute anzuschwindeln, und das tut man ja beim Pokern, wenn man blufft. Ich bin darin ganz schlecht.
 
Worum würden sie spielen?
Ich bin zu 100 Prozent kein Gambler. Ich war einmal in Vegas, mit Freunden, und alle gingen ins Casino, während ich nur an den Shows und dem Hotel-Spa interessiert war. Sie gaben mir 100 Dollar, damit ich es auch versuche, und ich setzte das Geld auf Schwarz beim Roulette, gewann und verdoppelte das Geld - und ging. Mich hat es nie gereizt, weil es der Idee widerspricht, dass man für Geld arbeiten sollte. Ich meine, du gewinnst Geld per Zufall, ohne etwas dafür zu tun. Das finde ich nicht richtig. Ich glaube mehr an harte Arbeit, um etwas zu erreichen. Spielen ist genau das Gegenteil.

Distanz zu den Spielern: Jessica Chastain in „Molly’s Game“ © Square One

Sie haben Molly Bloom, die als Gastgeberin extrem hoch dotierter Poker-Abende berühmt wurde, im Vorfeld der Dreharbeiten getroffen. Was hat sie über Spielsucht erzählt?
Molly hat erzählt, dass sie einmal einen Mann beobachtet hat, wie er 100 Millionen Dollar in nur einer Nacht verspielt hat - das ist unglaublich verrückt! Ich kann das nicht verstehen. Ich kann es vielleicht nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die so viel Geld haben und die nur von Ja-Sagern umgeben sind, dass es sie reizt, Verlustängste zu erleben und das Adrenalin, das dabei ausgeschüttet wird, brauchen. Das sieht man im Film auch gut: Der Status, den man besitzt, also Macht oder Reichtum, wird vor den Spielkarten bedeutungslos, denn er beeinflusst nicht, ob du gute oder schlechte Karten bekommst.
 
Im Film gibt es einen „Player X“, gespielt von Michael Cera, der angeblich an Tobey Maguire angelehnt sein soll. Zumindest in Blooms Buch wird Maguire genannt. Er soll sich Bloom gegenüber äußerst schlecht benommen haben.
Unser Film nennt bewusst keine Namen, und Player X ist eine reine Erfindung von Regisseur Aaron Sorkin, weil Molly Bloom zwar Namen nannte, aber niemals Gossip über die Spieleabende und die Promis verriet. Wir wollten also verhindern, dass nun Gossip entsteht über Figuren, deren Namen Molly zwar nannte, von denen sie aber nie über ihr Verhalten am Tisch sprach.
 
Gibt es eine Ähnlichkeit zwischen den Zockern am Pokertisch und jenen an der Wall Street?
Sicher. Sowohl am Pokertisch als auch an der Wall Street sitzen meistens Männer. (lacht). Aber im Ernst: „Molly’s Game“ zeigt eine patriarchalische Gesellschaft, denn Aaron Sorkin ist ein sehr politischer Filmemacher. Man sieht dieses Patriarchat in allen Bereichen, in der Familie, in der Regierung, in der Filmindustrie, überall. Soviel Spaß, wie der Film macht, mindestens ebenso viel davon befasst sich mit wichtigen Gender-Fragen,

„Molly’s reüssierte in einer Gesellschaft, in der Männer die Regeln machen“ © Square One

Ist die reale Molly Bloom ein Vorbild für Frauen?
Molly Bloom kann man ohne weiteres als Vorbild für Frauen sehen, oder für alle, die sich diskriminiert fühlen. Denn sie reüssierte in einer Gesellschaft, in der die Regeln von den Männern gemacht werden. Und es dauert bis ganz zum Schluss, dass Molly selbstbewusst erkennt, dass sie sich nicht dafür hergeben muss, was ihr die anderen vorschreiben, dass sie sich nicht diktieren lassen muss, wie sie sich schminkt oder kleidet, sondern, dass sie etwas ganz für sich allein gemacht hat. Sie hat verstanden, dass sie nicht mehr die Spielregeln der anderen befolgen muss.
 
Was ist das Tolle an der Schauspielerei?
Ich komme vom Theater, und dort wird viel geprobt, ich liebe diesen Entdeckungsprozess, denn das sind ja Proben: Entdeckungsreisen. Ich will dabei der Detektiv sein, der Spuren sammelt und das Puzzle löst. Man muss herausfinden, woher die Figuren kommen, die man spielt, was für Sorgen und Ängste sie haben, und welche Ambitionen.
 
Was ist der Schlüssel zu einer guten Performance?
Als ich Molly traf, da fiel mir auf, dass sie mir Dinge an sich zeigte, von denen sie fand, dass ich diese Eigenschaften übernehmen sollte, aber als Schauspieler kann ich so nicht arbeiten. So wie mit Ihnen jetzt: Ich zeige mich Ihnen in einem Bild, wie Sie mich sehen sollen, aber als Journalist wollen Sie ja selbst draufkommen, und Sie blicken gerne hinter die Kulissen, notieren sich, was ich trinke, welches Kleid ich anhabe, all das. Das habe ich mit Molly auch gemacht. Das macht eine Performance glaubhafter, finde ich. Diese Recherche ist der schönste Teil der Arbeit.
 
Einer Ihrer großen Mentoren war Al Pacino…
Al Pacino war der erste, der mich als Regisseur in einem Film besetzte. Er ist mein größter Mentor und Lehrer. Ein unschlagbarer Schauspieler! Robin Williams gab mir ein Stipendium, sodass ich als erste in meiner Familie aufs College gehen konnte. Und dort bin ich bis heute geblieben, ein lebenslanger Student. Ich liebe das Lernen! Ich war eine leidenschaftliche Studentin, und ich liebte es, zur Schule zu gehen. Alles, was ich tue, sehe ich daher als Möglichkeit, zu lernen und daran zu wachsen. Ich glaube, wenn Menschen aufhören, das zu tun, dann wird es wirklich sehr langweilig in ihrem Leben. Dass man dabei Risiken eingehen muss, ist klar. Und Scheitern gehört dazu. Wer scheitert, lernt. Scheitern ist wunderbar.
 



Kritik
Molly's Game
Jessica Chastain porträtiert in „Molly’s Game“ – einer Mischung aus Biografie und Spielerdrama – die amerikanische Ex-Wintersportlerin Molly Bloom, die nach ihrem Abschied vom Skifahren in der US-Pokerszene berühmt wurde.    Mehr...