GESAMTEINDRUCK: „Molly’s Game“ ist eine glänzend besetzte und brillant gespielte Parabel über die Erkenntnis, dass Sieg und Niederlage häufig Nachbarn sind: Im Leben – und beim Pokern erst recht.
DIE STORY: Titelfigur Molly ist die real existierende Amerikanerin Molly Bloom (Jessica Chastain), die 2002 als herausragende Freestyle-Skifahrerin bei Olympia antreten wollte, ihre Karriere jedoch wegen einer Verletzung beenden musste. Der Film schildert, wie die extrem smarte und harte Molly bei einem Überbrückungsjob in Los Angeles mit der halblegalen Pokerszene Bekanntschaft schließt. Wie sie als Veranstalterin hochdotierter Poker-Parties steinreich wird – bis die Handschellen klicken. Denn das FBI moniert, ihre Spiele-Abende seien illegal. Und obendrein von der russischen Mafia unterwandert.
DIE STARS: Jessica Chastain zählt zu den herausragenden Schauspielerinnen des Hollywood-Kinos. Für ihre Rolle als Jägerin von Osama bin Laden in „Zero Dark Thirty“ (2012) erhielt sie einen Golden Globe und eine Oscar-Nominierung. In „Molly’s Game“ ist Chastain umgeben von Spitzenkräften wie Kevin Costner (Mollys Vater) oder Idris Elba (Mollys Anwalt).
Das Spieler-Drama markiert das Regiedebüt von Aaron Sorkin, der zu den erfolgreichsten Filmautoren der USA zählt. Die Liste seiner Erfolge reicht von „Eine Frage der Ehre“ über den Facebook-Film „The Social Network“ bis zum Bio-Pic „Steve Jobs“. Selbstverständlich hat Sorkin, auf Basis der Autobiografie der echten Molly Bloom, auch das Drehbuch zu „Molly’s Game“ geschrieben.
DIE KRITIK: Die geheimnisvollste Figur in „Molly’s Game“ ist ein Poker-Enthusiast namens Spieler X. Der ist, so erfährt man, ein berühmter Hollywood-Megastar, dessen Identität aber nicht gelüftet wird. Der Spieler X (gespielt von Michael Cera) beschreitet am Kartentisch oft die Siegerstraße. Dann sagt er seltsame Sätze wie „gewonnenes Geld ist doppelt so viel wert wie erarbeitetes Geld.“ Oder er bekennt in einer bösen Beichte: „Ich mag das Pokern nicht – aber ich zerstöre gerne Leute.“
Gar so anonym ist der Spieler X übrigens nicht. Laut Wikipedia ist er eine Mixtur aus Tobey Maguire, Leonardo DiCaprio, Ben Affleck und anderen Hollywood-Helden, die bei der echten Molly Bloom zum Pokern geladen waren. Gegen das entsprechende Kleingeld, versteht sich.
Das Buy-In, der Mindesteinsatz, beträgt zu Beginn des Films 10.000 Dollar pro Person. Um im Lauf der Zeit auf 250.000 Dollar zu steigen. Wieder pro Person. Dann hört man Sätze wie „Gib‘ mir noch mal 500.000 Dollar.“ Alles kein Problem. Die Spieler haben es ja. Und wenn sie es nicht mehr haben, dann sind sie ruiniert.
Man muss das Spielen und die Spielsucht irgendwie faszinierend finden, um an „Molly’s Game“ richtig Spaß zu haben. Ist das nicht der Fall, so stehen einem bald die Haare zu Berge angesichts der Dekadenz, mit der hier die Jahres- oder gar Lebens-Einkommen durchschnittlicher Bürger binnen Minuten die Besitzer wechseln.
Jessica Chastain macht auf der Leinwand bald klar, dass ihre unterkühlte Molly Bloom, die spätere „Poker-Prinzessin“, im Grunde wenig mit dem Pokern am Hut hat. Durch Zufall in die Szene geraten, ist das Kartenspiel für sie ein Trojanisches Pferd, auf dessen Rücken sie in die Welt der Reichen und Berühmten einreitet.
Die Ex-Sportlerin Bloom findet diese neue Welt zum Staunen. Und sie gewöhnt sich rasch daran, dass bei jedem Poker-Abend, den sie veranstaltet, hohe Summen in ihre Taschen fließen. Als Trinkgeld; als Honorar für ihre Gastfreundschaft.
Autor/Regisseur Aaron Sorkin wechselt geschickt zwischen den verschiedenen Schauplätzen seiner Geschichte hin und her. Mollys Poker-Aktivitäten, erst in L. A. und dann in New York, bilden das Rückgrat der Story. In Rückblenden geht’s manchmal mit der jungen Molly auf die Skipiste. Und in Zwiegesprächen von erlesener Qualität raufen sich Jessica Chastain und Idris Elba als Klientin und Rechtsanwalt zusammen, die sich gemeinsam gegen Mollys Strafverfolger stellen.
Wie in allen Filmen Aaron Sorkins üblich, bietet „Molly’s Game“ ein Pointen-Ping-Pong der Extraklasse. Die Dialoge sind scharf, präzise und werden punktgenau serviert. Die Schauspieler haben es angesichts des gediegenen Materials leicht, zu glänzen – und der Regie-Novize Sorkin führt den Nachweis, dass er seine Drehbücher genauso virtuos zu inszenieren vermag wie andere Regisseure.
Was bleibt, ist die Frage nach dem Sinn. Der Film wanzt sich manchmal so begeistert an seine Pokerspieler ran, als würden Aaron Sorkin und der Rest der Crew am liebsten selbst mit am Tisch sitzen. Dann aber werden sehr ernsthaft moralische Argumente gegen die grenzenlose Gier und die Spielsucht erörtert.
In der Zielgerade landet „Molly’s Game“ schließlich bei einer Weisheit aus dem Schatzkästlein der Platitüden: Viel Geld macht den Menschen zwar reich. Aber nicht automatisch glücklich. Wer hätte das gedacht.
IDEAL FÜR: Poker-Fans, Jessica-Chastain-Fans, Aaron-Sorkin-Fans – und für alle, die sich Gedanken über Sinn und Unsinn des Glücksspiels machen wollen.