Dany Boon
über „Lolo – Drei ist einer zuviel“
„Eine Komödie aus der Sicht der Frauen“
18.03.2016
Interview:
Peter Beddies
Dany Boon: In Frankreich ist der Komödiant schon lange ein Star. Und seit dem gigantischen Erfolg von „Willkommen bei den Sch`tis“ ist er überall auf der Welt bekannt. Boons Markenzeichen: leicht verpeilte Typen, die man mag, die aber erst langsam merken, was wirklich in ihnen steckt. In Julie Delpys neuer Komödie spielt er wieder so einen linkischen Zeitgenossen – den IT-Spezialisten Jean-René.
FilmClicks: Monsieur Boon, täuscht das Gefühl oder stimmt es, dass Sie den Figuren, die Sie auf der Leinwand verkörpern, persönlich oft sehr nah sind?
Dany Boon: Kann Zufall sein. Aber das ist mir auch schon aufgefallen. Hier bei „Lolo“ zum Beispiel gibt es wieder Parallelen. So wie meine Figur Jean-René bin ich kein Pariser. Ich stamme aus einem kleinen Dorf im Norden Frankreichs. Und als ich in Paris ankam, vor sehr vielen Jahren, habe ich mich bestimmt ebenso tollpatschig benommen wie dieser Jean-René.
Sind Sie als Schauspieler nach Paris gekommen?
Oh nein, damals war ich Cartoonist. Ich dachte, das wäre mein Feld, Eines hat mich an der Hauptstadt damals abgestoßen: wie aggressiv die Menschen zueinander waren. Mag ich immer noch nicht. Vielleicht spiele ich deshalb so gern Typen, die so überhaupt nichts Aggressives an sich haben.
Für den Jean-René, den Sie als Lover von Julie Delpy in „Lolo“ spielen, wurde der Begriff Nerd erfunden.
Kann sein. Den Begriff mag ich aber nicht. Für mich ist Jean-René ein naiver Mensch, der der Liebe wegen in eine große Stadt kommt und der überhaupt keine Ahnung hat, warum alle so fies zueinander sind. Und so schrecklich auf sich selbst fixiert. Damit kann er nichts anfangen. Ich übrigens auch nicht.
Sie sind nach der Provinzkomödie „Willkommen bei den Sch`tis“ sehr schnell zur neuen Ikone der französischen Komödie aufgestiegen.
Wer – ich? Eine Ikone? Ich würde es schön finden, wenn meine Frau und meine Kinder das so sehen würden
(lacht). Nein, nein, ich weiß schon, was Sie meinen. Den Begriff Ikone bekommt man verliehen. Man fühlt sich ein wenig geschmeichelt – völlig klar. Aber man muss das schnell wieder vergessen. Sonst wird man bequem und antriebslos.
Wie genießen Sie Ihren Erfolg – oder geht das gar nicht?
Doch, auf jeden Fall. Wenn ich zum Beispiel einen neuen Film habe und den Film mit Publikum sehe. Wenn die Menschen dann lachen und ich merke, dass ich mit dafür verantwortlich bin, dass sie gute Laune haben, dann kann ich ihr Lachen und damit meinen Erfolg sehr genießen. Das ist sehr befriedigend: Man hat sich ein paar Jahre zuvor irgendwo in einem Büro einen Gag ausgedacht, und dann lachen wirklich Menschen darüber. Toller Moment!
Man nennt Sie gern den neuen Louis de Funès. Gefällt Ihnen das?
Was für eine Frage! Wer wird nicht gern mit so einer Legende verglichen? Früher habe ich es immer sehr genossen, wenn ich mit Menschen verglichen wurde, die ich überhaupt nicht kenne. Als ich zum Bespiel zum ersten Mal mit meiner Frau in die Schweiz gereist bin – sie kommt von dort – hat mich jemand angesprochen; „Sie sind doch mit meinem Bruder in eine Klasse gegangen!“. Und ich darauf: „Aber natürlich – wie hieß doch gleich noch mal der und der Lehrer?“ Und dann haben wir uns 20 Minuten bestens über eine Schule unterhalten, in der ich noch nie war. Großartig! Sowas passiert mir heute leider in Frankreich nicht mehr. Zumindest vermute ich das. Denn ich lebe jetzt schon eine Weile mit meiner Familie in London.
Wie oft entstehen Gags, die Sie in Filmen oder als Comedian auf der Bühne verwenden, im alltäglichen Leben?
Öfter, als man denken sollte. Ich erzähle Ihnen eine kleine lustige Geschichte. Vor ein paar Monaten bin ich nach Los Angeles gereist. Komme dort an und gerate mitten in eine Truppe von Franzosen, die beginnt zu tuscheln und mit dem Finger auf mich zu zeigen. Ich war mit Hut und Sonnenbrille ein bisschen getarnt. Aber offenbar nicht gut genug. Mein Fahrer hatte das gesehen, mich schnell ins Auto gelassen. Nach einer Weile fragt er mich: „Kann ich Ihnen mal eine etwas eigenartige Frage stellen?“ Ich dachte, dass jetzt irgendwas zu meiner Person kommen würde. Aber er fragt mich doch: „Welches Parfüm benutzen Sie? Die Menschen gerade auf dem Flughafen, die haben doch alle an Ihnen geschnüffelt. Sicher, weil Sie so gut riechen!“ Das sind Momente, die man nicht erfinden kann. Ich dachte nur: „OK, er kennt mich nicht. Aber er ist schwul und findet, dass ich gut rieche.“ Und als ich ausgestiegen bin, habe ich ihm brav aufgeschrieben, welches Parfüm ich benutze.
Es dürfte aber die Ausnahme sein, dass Sie mal nicht erkannt werden.
Ach, mal so und mal so. Ich kann auch in London in aller Ruhe mit der U-Bahn fahren oder mit den Kids am Wochenende zum Fußball gehen. Richtig anstrengend war es beim ersten Besuch in China. Da wurde ich gleich nach der Premiere außerhalb des Kinos von vielen Menschen um Autogramme gebeten. Lustigerweise sollte ich die auf DVDs geben, die genau den Film enthielten, der gerade im Kino Premiere hatte. Das wäre einem in Europa sicher nicht passiert. Ist halt eine andere Kultur. Generell finde ich es unglaublich schön, dass meine Filme um die ganze Welt reisen. Schöner Gedanke irgendwie.
Reizt Sie Hollywood?
Als Regisseur ja, da gibt es konkrete Pläne. Über die ich aber noch nicht reden kann. Als Schauspieler nein. Das Kapitel habe ich für mich abgeschlossen. Es gab Angebote. Aber ich sollte dümmliche Menschen spielen. Nicht mal wirklich lustige noch dazu. Man darf nicht vergessen, dass man da Lebenszeit investiert. Und zwar nicht zu wenig.
Wie hat Sie Julie Delpy von ihrem Projekt „Lolo“ überzeugt?
Ganz einfach. Sie ist jemand, der etwas zu erzählen hat. Finde ich sehr gut. Und dann fand ich den Gedanken sehr gut, eine Komödie aus Frauensicht zu erzählen. In Komödien sind Männer überrepräsentiert. Es gibt Männer-Charaktere und Männer-Witze und es wird die Männer-Sicht auf die Welt gezeigt. Hier nicht – das war für mich der Hauptgrund, mitzumachen.