Gillian Anderson über „Akte X“ und ihren neuen Film „Der Stern von Indien“


„Auf der Straße werde ich immer noch erkannt“

11.08.2017
Interview:  Peter Beddies

Gillian Anderson: © Tobis

Gillian Anderson: Sie war mal der schönste und berühmteste Schauspielstar der Welt. Und das zu einer Zeit, in der fast jeder Mann in Julia Roberts verliebt war. Ab 1993 wurde Anderson zur TV-Kultfigur – als ständig skeptische FBI-Agentin Dana Scully in „Akte X“. Nach neun Jahren war Schluss mit der Mystery-Serie. Und Gillian Anderson verschwand erst einmal für eine ganze Zeit von der Bildfläche. Sie war hin und wieder in Serien zu sehen; unter anderem bei „Akte X“-Neustart im Jahr 2016. Sie spielte viel Theater in England. Aber eine Hauptrolle in einem großen Film, die hat sie erst jetzt wieder: Als Lady Mountbatten und Gemahlin des britischen Vizekönigs in „Der Stern von Indien“. FilmClicks hat mit ihr bei der Europa-Premiere in Berlin gesprochen.


FilmClicks: Es ist zehn Uhr am Morgen. Für die meisten Menschen eine normale Zeit zum Arbeiten. Für kreative Köpfe hingegen fühlt sich das manchmal eher wie extrem früher Morgen an. 
Gillian Anderson: Früh am Morgen? Jetzt? Vielleicht zu früh für ein Interview? Überhaupt nicht. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich eine Mutter von drei Kindern bin. Das lange Ausschlafen gibt es bei mir schon lange nicht mehr.
 
Und wie schaut es aus, wenn Sie als gesamte Familie am alltäglichen Leben teilnehmen wollen? Reicht die Sonnenbrille?
Schöne Idee (lacht). Nein, das genügt nicht. Auf der Straße werde ich immer noch erkannt. Es gibt Wünsche nach Autogrammen und Fotos. Was meine Person betrifft, ist das völlig okay. Aber wenn meine Familie betroffen ist, bitte ich immer darum, dass man uns in Ruhe lässt.
 
Wurden Sie auch in Asien bei den Dreharbeiten zu „Der Stern von Indien“ erkannt?
Ja, auf jeden Fall. „Akte X“ war ein Phänomen, das rund um die Welt gegangen ist. Aber wir wollen mal die Kirche im Dorf lassen. Wenn Beyoncé irgendwo mitten in Indien aufgetaucht wäre, hätte wohl die ganze Stadt verrückt gespielt. Das ist bei mir zum Glück nicht der Fall. Außerdem verbringe ich beim Drehen eines Films die meiste Zeit eh am Set oder in Hotels. Da habe ich meine Ruhe und kann in Ruhe arbeiten.

Gillian Anderson mit Hugh Bonneville in „Der Stern von Indien“ © Tobis

„Der Stern von Indien“ erzählt vom Ende der britischen Kolonialherrschaft auf dem indischen Subkontinent. Wie viel wussten Sie vorher über das Jahr 1947 und die Teilung von Indien und Pakistan?
Wie viel ich wusste? Erfrischend wenig. Keine Ahnung, wie viele Menschen in Indien damals gelebt haben. Keinen Schimmer davon, dass die Engländer 300 Jahre dort geherrscht haben. Muss irgendwie nicht auf dem Lehrplan meiner amerikanischen Schule gestanden haben (lacht). Aber als ich zugesagt hatte für die Rolle, habe ich mich natürlich schlau gemacht.
 
Schon verrückt, was man alles durch diesen Film lernt, oder?
Ging mir genauso. Das ganze Land ist ein hochkomplexes Gebilde. Diese Teilung wirkt bis heute nach. Viele kriegerische Auseinandersetzungen lassen sich auf das Jahr 1947 oder die englische Kolonialzeit zurückführen. Ich finde, man wird in diesem Film sehr gut unterhalten und verlässt das Kino um einiges schlauer.
 
Was hat Sie an Ihrer Rolle als Frau des Vizekönigs in  „Der Stern von Indien“ gereizt?
Diese Edwina Mountbatten ist exakt die Art Frau, die ich gern spiele. Stark im Charakter. Aber dennoch nicht ganz so frei, wie sie möchte. Sie muss gegen Widerstände kämpfen. So etwas mag ich sehr.
 
Ihr Co-Star Hugh Bonneville hat erzählt, dass Indien für ihn ein Sehnsuchts-Land war, das er mehrfach als Backpacker bereist hat. Wie ist das bei Ihnen?
Das Reisen? Oh, also wenn überhaupt, dann Weihnachtsferien mit den Kindern irgendwo auf der Welt, aber keinesfalls als Backpacker. Und was Indien angeht: Das Land habe ich zwar bereist, aber eher als Touristin. Ich bin nicht in die Seele des Landes eingetaucht. Das verbinde ich eher mit Afrika. Ich war mal ein paar Jahre mit einem Mann aus Kenia verheiratet. Also haben wir da sehr viel Zeit verbracht.
 
Sie reden nicht schreiend gern darüber. Das weiß man. Aber darf es eine „Akte X“-Frage sein?
Wenn Sie mir versprechen, dass es bei einer Frage bleibt (lacht).

Bis heute Kult: Gillian Anderson und David Duchovny in „Akte X“ © 20th Century Fox

Vielleicht auch anderthalb. Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit damals: Wie viel Belastung ist noch zu spüren?
Jede Menge. Daraus haben weder ich noch mein Filmpartner David Duchovny ein Hehl gemacht. Wir waren neun Jahre in dieser Serie gefangen. Es begann ja mit uns beiden als ziemlich unbekannte Schauspieler. Und dann wurde es immer größer und größer. Bis es uns irgendwann beinahe erschlug. Bei mir kam noch hinzu, dass ich diese Dana Scully glaubhaft verkörpern musste. Und sie war ja wirklich über die gesamten neun Jahre hinweg die große Zweiflerin. Für mich lautete die große Frage: Wie kann ich glaubhaft jemanden spielen, der über Jahre nicht merkt, was sich direkt vor ihrer Nase abspielt? Für eine Weile war das OK. Aber irgendwann hat es dann mal gereicht.

Im Prinzip haben Sie mit „Akte X“ das begonnen, was heute dank Amazon oder Netflix als das goldene Zeitalter der Fernsehunterhaltung bezeichnet wird.
Kann sein, dass wir mit der Serie damals einen kleinen Beitrag geleistet haben. Für mich gehört es ja zu der großen Ironie, dass ausgerechnet ich, die fürs Fernsehen schon ein bisschen was geleistet habe, mit dem Fernsehen nicht sonderlich viel anfangen kann. Ich arbeite lieber fürs Kino und bezeichne mich auch gern als cinephilen Menschen.
 
Kommen Sie oft ins Kino?
Als dreifache Mutter? Machen Sie Scherze? Ich schaue das meiste natürlich daheim. Aber auch nur noch ganz selten im Fernsehen. Deshalb glaube ich auch, dass das Goldene Zeitalter bald vorbei sein wird. Fernsehen schränkt einen zu sehr ein. Die Zukunft liegt einfach bei den Dienstleistern, die ihren Service per Stream anbieten. Alles immerzu schauen zu können, das wird die Zukunft sein.
 
Wenn wir die noch erleben – bei Ihrem Präsidenten Trump.
Hören Sie bloß auf! Ich bin ja der Meinung, dass sich eh schon zu viele Menschen zu diesem Menschen äußern. Alles, was ich sagen möchte, ist dieses: Wir leben in wahrhaft dunklen Zeiten!



Kritik
Der Stern von Indien
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