Christine Dollhofer über das Filmfest Crossing Europe 2016


„Künstlerisch hochwertig und ein bisschen exzentrisch“

17.04.2016
Interview:  Gunther Baumann

Crossing Europe: Christine Dollhofer leitet das von ihr mitbegründete Festival schon zum 13. Mal © Magdalena Blaszczuk

„Wir haben uns beim Publikum das Vertrauen erarbeitet, dass bei uns Filme gezeigt werden, die künstlerisch hochwertig und vielleicht ein bisschen exzentrischer sind als das alltägliche Kino-Menü“, sagt Christine Dollhofer. Die Oberösterreicherin leitet dieses Jahr zum dreizehnten Mal das Festival Crossing Europe (20. – 25. April) in Linz, das sich dem aktuellen europäischen Kino verschrieben hat. Im FilmClicks-Interview berichtet Dollhofer über die neue Ausgabe des Festivals und über den roten Faden im Programm: Nicht wenige Filme widmen sich den Themen Flucht und Migration.


FilmClicks: Das Festival Crossing Europe steht unter dem Leitsatz „Europe, what is your destiny - Europa, was ist dein Schicksal“. Ist das ein Satz, der nur 2016 Geltung hat – oder könnte man das Festival jedes Jahr unter dieses Motto stellen?
Christine Dollhofer: Das Filmfest Crossing Europe hat sich seit Anbeginn auch gesellschaftspolitischen Themen verschrieben, die Europa bewegen. In diesem Jahr hat sich das Motto ein bisschen aus dem Programm ergeben. Flucht und Migration sind ein Dauerthema, das die Menschheit prägt. Nicht nur in diesem Jahrhundert, sondern auch schon im vorigen und noch viel weiter zurück.. Die Flüchtlingskrise war im letzten Jahr ein zentrales Thema in Europa, und das hat sich in einigen Filmen, die wir zeigen, niedergeschlagen. Natürlich gilt das nicht für alle 162 Filme des Programms, aber das Flüchtlings- und Migrationsthema zieht sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Festival-Sektionen. Geschichten, die von Migration geprägt sind, gehören in vielen Teilen Europas zur Gesellschaftskultur.

Thema Migration: Österreichischer Beitrag „Mein Name ist. Ich bin.“ © Crossing Europe

Was können Filme bei diesem Themenkreis leisten? Zur Diskussion anregen oder sogar Lösungen anbieten?
Es wäre vermessen, zu sagen, dass Filme Lösungen anbieten. Sie können den Zuschauern die Augen öffnen, Empathie schaffen, Impulse geben und vielleicht Perspektiven aufzeigen.  Das Wichtige ist, dass man vertiefend Einblicke in verschiedene biografische Schicksale erhält und dadurch vielleicht andere Zusammenhänge herstellen kann.
 
Sie sagten schon, dass das Festival insgesamt 162 Filme präsentiert. Wie groß war die Gesamtauswahl, aus der diese 162 Filme zusammengestellt wurden?
Übers Jahr kommen sicher an die 1.000 Filme zusammen, die man so sieht. Wir haben zum Beispiel allein bei den Einreichungen mehr als 600 Langfilme aus Europa bekommen. Es gibt bestimmte Programmsektionen, in denen Kolleginnen und Kollegen eigenständig mitkuratieren. In Summe ist es mir aber wichtig, dass ich alle Filme, die bei Crossing Europe zu sehen sind, selbst vorher angeschaut habe. Schließlich trage ich die Verantwortung für das Festival – und es ist mir wichtig, mitreden zu können.
 
Die meisten Filmfestivals werben mit berühmten Namen, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erringen. Bei Crossing Europe ist fast das Gegenteil der Fall, denn hier geht es ja wesentlich um Filme, die jenseits des Mainstreams produziert werden.
Crossing Europe ist ein Festival mit dem Profil, dass man hier viele Entdeckungen machen kann. Natürlich gibt es auch bei uns, übers Programm verteilt, immer wieder große Namen von Darstellern. Das ist allerdings auch eine Frage der Perspektive: Eine Schauspielerin wie die Serbin Mirjana Karanovic, deren erste Regie-Arbeit wir zeigen, ist in Südosteuropa ein Superstar, in Österreich aber höchstens ein bisschen bekannt. Generell gilt, dass Crossing Europe nie ein Red-Carpet-Festival sein wollte; das würde unsere Ressourcen sprengen. Doch wenn man in der Geschichte unseres Festivals zurückblättert, so stößt man immer wieder auf Regisseure, die als Unbekannte bei uns waren und sich seither zu Stars entwickelt haben.  Im Wettbewerbsprogramm von Cannes finden sich dieses Jahr zum Beispiel einige Filmemacher, die frühere Arbeiten in Linz gezeigt haben. Das ist natürlich wunderbar.

Star-Kino aus Südosteuropa: „A Good Wife“ von und mit Mirjana Karanovic © Crossing Europe

Die Crossing-Europe-Vorführungen sind meist sehr gut besucht. Das deutet darauf hin, dass das Publikum Vertrauen zu Ihrer Filmauswahl hat.
Genau. Wir haben uns das Vertrauen erarbeitet, dass bei uns Filme gezeigt werden, die künstlerisch hochwertig und die vielleicht ein bisschen exzentrischer sind als das alltägliche Kino-Menü.  Letztes Jahr begrüßten wir knapp 22.000 Besucher. Viel mehr ist nicht möglich, weil wir in den sechs Festivaltagen gar nicht mehr Sitzplätze in den Kinos anbieten können.  
 
Wie geht es Crossing Europe finanziell?
Wir haben ein Budget von etwas mehr als 500.000 Euro. Das war zwei Jahre weitgehend unverändert, und jetzt gibt es eine kleine Erhöhung, die wieder für zwei oder drei Jahre reichen muss. Man ist heute schon froh, wenn die Mittel nicht gekürzt werden. Wichtig ist, dass es für die Zukunft Signale gibt, die es erlauben, dass sich das Festival kontinuierlich weiterentwickeln kann. 



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Crossing Europe 2016
Das Filmfest Crossing Europe, das vom 20. bis 25. April zum dreizehnten Mal in Linz stattfindet, bietet einen spannenden Überblick über das aktuelle europäische Filmschaffen. Insgesamt 162 Produktionen sind am Start – darunter der dänische Oscar-Kandidat „A War“ (Bild). Mehr...