Ridley Scott
über sein neues Meisterwerk „Der Marsianer“
„Ich würde sehr gern ins All reisen“
06.10.2015
Interview:
Peter Beddies
Der Mann kommt so langsam in die Jahre. In zwei Jahren wird Sir Ridley Scott 80 Jahre alt. Aber er hat uns Kinogängern immer noch jede Menge zu erzählen. Besonders scheint den Briten die Zukunft und das Weltall zu faszinieren. Nach „Blade Runner“, „Alien“ und „Prometheus“ bringt der Regisseur nun „Der Marsianer“ ins Kino – für viele Insider einer der besten Filme des Jahres. Und schon ist Scotts nächster Streich angekündigt. „Alien: Paradise Lost“ soll im Mai 2017 starten.
FilmClicks: Man sagt ganz gern, dass mit dem Alter Weisheit kommt. Ist „Der Marsianer“ Ihr weisester Film?
Ridley Scott: Nein, das würde ich nicht sagen. Meine Phase der Weisheit hatte ich offenbar früh im Leben. „Die Duellisten“ von 1977 und „Blade Runner“ von 1982 - das waren weise Filme.
Wieso?
„Blade Runner“ halte ich nach wie vor für einen beinahe perfekten Film und mein Erstling „Die Duellisten“ war ein sehr mutiger Historienfilm für die damalige Zeit, der wohl nur gemacht wurde, weil viele Zufälle ineinander griffen. Den Film habe ich nur zwei Jahre nach einem meiner absoluten Lieblingsfilme gedreht. „Barry Lyndon“ von Stanley Kubrick, der ja alles andere als ein Erfolg war. Aber warum wollen Sie das wissen?
Weil der Name Ridley Scott nicht unbedingt für das steht, was man in Ihrem neuen Film „Der Marsianer“ sieht. Ein Übermaß an Optimismus…
…ein Fest der Wissenschaft.
Ja, das auch. Aber eben auch jederzeit ein guter Gag und viel Harmonie.
Das kann ich Ihnen schnell erklären. Erinnern Sie sich an „The Counselour“ aus dem Jahr 2013? Das war vielleicht meine nihilistischste Arbeit überhaupt. In diesem Film gibt es keine Hoffnung, nur Dunkelheit. Ich habe die Arbeit an diesem Film geliebt. Aber ich wusste auch, dass ich mal etwas anderes machen musste.
Hätte Ihr neuer Film also auch eine Komödie werden können?
Hm, da bin ich vielleicht dann doch nicht der richtige Mann dafür. Das Drehbuch von Drew Goddard zum „Marsianer“ war so gut – eines der besten in meiner Karriere –, dass ich einfach Lust auf dieses Projekt bekam. Außerdem bin ich ein großer Fan des Nike-Slogans „Just do it“. Hört auf mit dieser blöden Nabelschau! Kommt einfach zur Sache! Macht mal! Mir begegnet in der Filmwelt so viel Nabelschau. Davon hat man irgendwann mal genug.
Matt Damon legt als Astronaut Mark Watney einfach los – mitten auf dem Mars.
Genau. Er hofft auch darauf, dass die Hilfe irgendwann kommt. Aber er weiß auch, dass sie von der Erde kommen muss und dass er jahrelang allein sein wird. Angesichts dieser Tatsache könnte man verzweifeln. Aber das macht Mark nicht. Er legt einen Optimismus an den Tag, für den man ihn am liebsten küssen möchte.
Wann haben Sie Ihren ersten Mars-Film gesehen?
Oh, das muss wohl „War of the World“ gewesen sein. Irgendwann in den 50er oder 60er Jahren. Toller Film. Habe ich damals geliebt. Besonders die Kreaturen vom Mars waren ziemlich beindruckend. Sie dürfen nicht vergessen, damals hatten diese Filme – angesichts der neuen Bedrohung durch Atomwaffen – noch eine andere Ebene. Man sah sie nicht nur als Unterhaltungsfilme. Da schwebte immer mehr mit. Und welchen Film ich nicht vergessen darf. Kubricks „2001“. Ich glaube nicht, dass mich je ein Film derart beeindruckt hat.
Erinnern Sie sich noch, wann Sie den gesehen haben?
Oh ja. Der Film lief damals in London und es war noch keine Rede davon, dass wir es mit einem Klassiker zu tun haben. Ich sitze in einem total leeren Kino am Nachmittag und sehe eine völlig neue 70-Millimeter-Kopie dieses atemberaubenden Films. Sitze da und rauche. Muss den Film gleich zweimal nacheinander sehen, weil ich derart überwältigt war.
Warum sind wir so fasziniert vom Mars, dem roten Planeten?
Es ist – neben dem Mond – unser Lieblingsplanet, der nicht ganz so weit weg ist. Über den Mond gibt es kaum etwas zu schreiben oder zu filmen, weil es ein toter Planet ist. Aber der Mars: Es gibt immer wieder Untersuchungen, vor wie langer Zeit es Leben da gegeben hat. Und das regt unsere Phantasie an.
Sie haben schöne und erschreckende Film über das All gemacht. Würden Sie gern mal dorthin reisen?
Ich war ja schon da, in meinen Filmen. Könnte ich jetzt sagen. Aber das entspricht nicht wirklich der Wahrheit. Ich würde sehr gern ins All reisen. Mein Traum wäre es, mit einem sich selbst versorgenden Raumschiff zu fliegen. Also mit einem Fluggerät, an dessen Bord alles an Lebensmitteln angebaut werden kann, womit man sich versorgen kann. Und dann so lange reisen, dass man auf dem Schiff lebt und Kinder zeugt und stirbt. Dann könnte man vielleicht in Bereiche kommen, in denen es wirklich Neues zu entdecken gibt. Dort gibt es intelligentes Leben. Daran gibt es für mich keinen Zweifel.
Eine der ikonografischen Figuren aus Ihren Filmen ist „Alien“. Haben Sie in „Der Marsianer“ einen Alien versteckt unter dem roten Sand und freuen sich, dass wir den auf Anhieb nicht entdecken?
(lacht) Schöne Idee. Auf die bin ich gar nicht gekommen. Nein, in diesem Film gibt es keinen Alien. Es geht um den Optimismus, mit dem jeder Raumfahrer ausgestattet sein muss. Vielleicht hat nicht jeder so viel wie Mark Watney. Aber jeder Raumfahrer muss mit Optimismus an seine Arbeit herangehen. Ansonsten wird er von der Angst dominiert.
Sie haben viele Filme gedreht, die mit dem All zu tun haben. Warum sind Sie über die Jahre hinweg immer wieder davon begeistert gewesen?
Ganz einfach. Das All ist für mich eine romantische Plattform. Eine Theater-Plattform, auf der ich – ohne an verschiedene Konventionen gebunden zu sein – verschiedenste Inszenierungen gestalten kann. Jede Fantasie kann da ausgelebt werden. Spannend an dieser Konstellation: Ich selbst muss das Regelbuch schreiben. Denn wenn es das nicht gibt, hast Du einen Haufen von Nichts. Gute Science Fiction zeichnet sich nicht durch tolle Effekte aus, sondern durch eine gute Idee und eine starke Geschichte. Deshalb dürfen sich auch alle „Alien“-Fans auf meinen nächsten Film freuen. In „Alien: Paradiese Lost“ gibt es wieder jede Menge Ideen zur Frage, woher wir kommen. Und warum es uns so schwer gemacht wird, mehr über die Ursprünge der Menschheit herauszufinden. Ich kann nur soviel sagen: Es bleibt spannend!