Emma Stone
über „Birdman“, die Oscars und Woody Allen
„Wenn du versagst, kann dir jeder dabei zusehen“
28.01.2015
Interview:
Matthias Greuling
Emma Stone, zarte 26, macht große Karriere in Hollywood. Vor kurzem verdrehte sie in Woody Allens „Magic In The Moonlight“ Colin Firth den Kopf. Jetzt glänzt sie in der Showbiz-Farce „Birdman“, die ihr eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin einbrachte. Zwei neue Filme mit Woody Allen und Cameron Crowe hat sie bereits abgedreht. FilmClicks traf die entspannte Actrice zum Gespräch.
FilmClicks: Emma Stone, Ihr neuer Film „Birdman“ ist für neun Oscars nominiert – eine der Nominierungen ging an Sie. Denken Sie viel über die Academy Awards nach?
Emma Stone: Immer, die ganze Zeit
(lacht)! Als gäbe es nichts anderes! Die Oscars haben in meinem persönlichen Leben gar keinen Stellenwert, aber es macht Spaß, die Show im Fernsehen zu verfolgen. Dieses Jahr ist der Unterschied, dass ich selbst im Saal sitzen werde.
Regisseur Alejandro González Inárritu macht sich in „Birdman“ ein bisschen über die Superhelden-Filme lustig. Sie sind als Darstellerin in der neuen „Spider-Man“-Serie selbst Teil einer solchen Reihe. Was denken Sie über das Genre?
Das Lustige ist: Obwohl ich in zwei „Spider-Man“-Filmen gespielt habe, scheinen sie nicht jene Filme zu sein, mit denen man mich am meisten identifiziert. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich darin keinen Kampfanzug trage, sondern nur die Freundin des Helden bin
(lacht). Mir selbst geht es auch nicht darum, mit einer solchen Rolle identifiziert zu werden, denn ich habe dazu ein entspanntes Verhältnis.
Aber gerade Blockbuster wie „Spider-Man“ bergen doch die Gefahr für Schauspieler, am Ende in einer Schublade zu landen. Haben Sie keine Angst vor Rollenfestlegungen?
Ich glaube nicht, dass ich ernsthaft in Gefahr bin, mich festlegen zu lassen. Ich meine, ich bin sicher schon oft besetzt worden, weil ich für einen Part eine so genannte typische Ausstrahlung oder einen Look hatte, aber das waren sehr unterschiedliche Figuren. Dass ich jetzt plötzlich nur mehr als die Superheldenfreundin wahrgenommen werde, hat ja nicht stattgefunden. Zumindest aus meiner Sicht. In meinem Hirn wehrt sich etwas frappant dagegen, auf ein Rollenbild festgelegt zu werden. Ich kann mir aber vorstellen, dass das für einige meiner Kollegen durchaus ein Problem ist. Das hat aber sehr viel damit zu tun, wie man in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird: Denn letztlich kommt es darauf an, was dir selbst mehr wert ist: Die Leute, die dir sagen, wer du bist, oder du selbst, der weiß, wer du wirklich bist. Das ist schon eine Einstellungssache.
Zuletzt sah man Sie im neuen Woody-Allen-Film „Magic in the Moonlight“. Vielen Kritikern ist der doch recht große Altersunterschied zwischen Ihnen und Colin Firth (28 Jahre) negativ aufgefallen. Was sagen Sie denen?
Mich persönlich erinnert das an „My Fair Lady“ und „Pygmalion“, und niemand von uns schenkte dem Umstand irgendeine Beachtung. Es ist wie bei Henry Higgins und Eliza Doolittle.
Von Woody Allen heißt es, er würde seinen Schauspielern eigentlich gar keine Anweisungen geben. Sie drehten nun schon den zweiten Film mit ihm. Stimmt das?
Das habe ich auch gehört, bevor ich das erste Mal mit ihm gearbeitet habe. Aber das ist nicht der Fall: Im Gegenteil - er kommandiert alle ganz schön rum! Er ist ein unglaublich präziser Regisseur, da muss wirklich jeder Satz und jede kleine Bewegung sitzen. Er sagt immer: Ihr könnt mein Drehbuch komplett umschreiben, meine Dialoge auch, macht es, wie ihr wollt, Hauptsache, es wirkt natürlich. Und dann versuchst du das, und schon hat er am Set ein paar Ratschläge parat: „Warum machst du es an dieser Stelle nicht so?“ Und schon spielt er dir deinen Part vor. Ich nenne das seine „subtile Präzision“.
Zurück zu „Birdman“. Da spielt Michael Keaton einen Ex-Superhelden-Darsteller, der sein Comeback an einem Broadway-Theater plant. Teilen Sie die Auffassung, dass dieser Film, mit seinen oft minutenlangen Kamera-Einstellungen, wie ein einziges Theaterstück wirkt?
Ja. Schon die Art, wie wir diesen Film drehten, fühlte sich für mich sehr nach Theater an. Denn wir haben unfassbar ausführlich geprobt, ehe es dann zum Schluss zur richtigen Aufzeichnung mit den Kameras kam. Das fühlte sich dann an, als ob wir nun eine Premiere spielen mussten. Der Vorteil war: Wir konnten die Szenen beliebig oft wiederholen, und das geht im Theater nicht.
Wie stellt man sich diesen Probenprozess vor? Wie auf einer Theaterbühne?
Genau so war es. Nur, dass es hier sehr viel Bewegung gibt. Der Film sieht ja aus, als bestünde er aus nur einer einzigen Einstellung. Das musste sehr aufwändig geprobt werden und die Kameras mussten ihre Bewegungen genau einstudieren, damit wir nicht mit ihnen kollidierten. Das machte „Birdman“ vielleicht sogar noch ein Stück komplexer als ein Theaterstück. Natürlich ist so ein Film eine Herausforderung, aber als Theaterschauspieler ist diese Herausforderung kaum weniger groß, denn da musst du deine Performance ja Abend für Abend in der besten Qualität abrufen können. Man braucht dazu, glaube ich, die Fähigkeit, alles, was man geprobt hat, zu vergessen und nur im Moment zu existieren.
Gab es bei „Birdman“ oder anderen Filmen Momente, in denen ein Regisseur immer mehr von ihnen fordert, und Sie dachten: Aber da ist nichts mehr, das ich geben könnte?
Ja, das kenne ich. Solche Momente gibt es. Man ist dann sprachlos. Ich habe nicht nur einmal in der Mittagspause beschlossen, alles hinzuwerfen und auszusteigen, glauben Sie mir. Doch das machte mich bei „Birdman“ so wütend, dass ich danach plötzlich genau das liefern konnte, was Alejandro González Inárritu wollte. Und das sind genau die Gelegenheiten, auf die man als kreativer Mensch hofft, egal ob man jetzt Schauspieler, Autor oder Maler ist. Ich habe mir einen Job ausgesucht, der nun mal von Haus aus sehr fordernd ist, wenn man ihn ernsthaft betreibt. Man ist ja kein Versicherungsmakler. Nicht, dass die nicht kreativ wären, aber als Schauspieler pushst du dich selbst immer wieder übers Limit. Wenn du versagst, kann dir jeder dabei zusehen.