Daniel Brühl


„Ich glaube, der österreichische Humor hat Niki Lauda gerettet“

26.09.2013
Interview:  Anna Wollner

Schaut er dem Original nicht verdammt ähnlich? Daniel Brühl als junger Niki Lauda © Universum Film

Daniel Brühl spielt nicht nur Niki Lauda - er ist Niki Lauda. So wirkt es zumindest in dem spannenden Formel-1-Drama „Rush“. Seit der Nordamerika-Premiere in Toronto ist Brühl mit seiner Darstellung der österreichischen Motorsport-Legende sogar ein heißer Oscar-Kandidat. Und das mit Recht. Wir trafen Brühl im Berliner Hotel de Rome und sprachen mit ihm über seine Beziehung zu Niki Lauda und die kräftezehrenden Dreharbeiten. Im Interview verfällt Brühl immer wieder in den Wiener Dialekt. Pure Absicht - und vor allem unterhaltsam.


Herr Brühl, wie würden Sie Niki Lauda beschreiben?
Er ist sehr charmant und humorvoll.  Er weiß um seine Wirkung. Er ist einfach geradeaus und verliert dadurch keine Zeit. Es gibt keine Floskeln, keine Heucheleien. Alles andere ist Zeitverschwendung. Er geht ja auch schon immer vor dem Dessert, weil er der Meinung ist, dass alles Wichtige schon besprochen wurde.


 
Wie rasant war es, in die Rolle von Niki Lauda zu schlüpfen?
Es ist endlich mal eine Figur, die so weit weg ist von dem, was ich selber bin. Als ich hörte, dass Peter Morgan das Drehbuch geschrieben hat und Ron Howard Regie führt, war ich natürlich interessiert. Ich war dann gleich angefixt, bin aber relativ entspannt zum Casting gefahren. Ich dachte, das wird eh nichts, nach zwei Wochen kommt der übliche Anruf à la „It was awesome, but.“ Schon beim Casting allerdings merkte ich, dass ich in die Rolle von Lauda hineinwachsen kann. Ron Howard hat mir sofort vertraut. Aus unserem halbstündigen Gespräch wurde schnell eine Stunde. Und dann bin ich fast an Peter Morgan gescheitert.

Warum?
Ich dachte, es läuft richtig gut, da lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und erfinde noch schnell einen österreichischen Akzent. Ich bin fest davon ausgegangen, dass die Amis eh keinen Unterschied hören. Ich wusste da nicht, dass Peter Morgan mit einer Österreicherin zusammen ist und schon seit Ewigkeiten in Wien lebt. Er antwortete mir dann in einem perfekten Wienerisch, dass mein Akzent totaler Mist sei.
 
Aber es hat ja zum Glück geklappt.
Ja, nach drei Tagen kam der Anruf. Ich war gerade mit meiner Freundin in Spanien im Urlaub, saß am Steuer und überholte auf einer Serpentinenstraße waghalsig einen LKW nach dem anderen. Meine Freundin schrie die ganze Zeit, ich sei kein Rennfahrer. Da klingelte das Telefon und London war dran.
 
Wie haben Sie es geschafft, den perfekten Lauda-Tonfall hinzubekommen?
Ich bin einen Monat nach Wien gegangen und habe mit einer Dialekt-Coachin gearbeitet. Die beiden haben mich gequält. Und meine Unterhaltungen mit Niki haben mir natürlich sehr geholfen.
 
FilmClicks-Redakteurin Anna Wollner mit Daniel Brühl © privat


Wie haben Sie sich kennengelernt?
Niki Lauda rief mich eines Tages an - viel zu früh, weil der Typ ja immer morgens um fünf aufsteht. Um Sieben kam ein Anruf mit der Vorwahl +43. Ich wusste, dass kann nur er sein. In seinem ganz eigenen Charme meinte er dann: „Wir müssen uns jetzt kennenlernen. Kommst nach Wien, ich hab alles organisiert. Bitte bring nur Handgepäck mit, falls wir uns nicht mögen, dann kannst du gleich wieder abhauen.“ Ich bin dann nur mit einem kleinen Beutelchen nach Wien. Zum Glück musste ich dann noch Unterwäsche nachkaufen.
 
Haben Sie gemeinsam den Dialekt geübt?
Nein, ich habe hauptsächlich ewige Selbstgespräche vorm Spiegel geführt. Mein Hotelzimmer in Wien hatte sehr dünne Wände. Die anderen Gäste haben sich vermutlich schon gewundert, was mit mir los war. Irgendwann hat es aber Klick gemacht und ich hatte den Zugang gefunden.
 
Was war am Schwierigsten?
Hauptsächlich, den Dialekt in Englisch zu sprechen. Am Einfachsten war das Schimpfen. „Asshole“. Das sagt er ja ganz oft und da habe ich stundenlang dran trainiert. Das Wort „Asshole“ habe ich über die Zeit lieben gelernt.
 
Was hat Lauda zu Ihrem Dialekt gesagt?
Während des Drehs hat er ab und zu Muster geguckt. Damals kam immer nur so ein „Ja gut.“ Aber da wusste ich schon, dass das für seine Verhältnisse ein Kompliment ist. Ich bin aber froh, dass der Film und auch meine Darstellung ihm gefällt. Lauda hätte auf jeden Fall gesagt, wenn es ihm nicht gefallen hätte.
 
Wie absurd waren denn die Momente, wenn Sie als Niki Lauda im Kostüm neben dem echten Niki Lauda standen?
Er kam uns zwei oder drei Mal besuchen – das war nicht nur für mich spannend, auch für ihn. Er hat den Unfall ja komplett verdrängt. Durch den Film wird er jetzt aber immer wieder daran erinnert. Und zwar sehr explizit, denn der Unfall ist ja sehr präzise nachgestellt. Ich habe ihn darüber ausgefragt, ihn regelrecht gelöchert. Als er mich dann bei den Szenen gesehen hat, war das alles wieder da. Er geht aber einfach mit seinem ganz speziellen Humor an die Sache. Als er mich das erste Mal mit der Maske gesehen hat, meinte er: „Ja Wahnsinn, dass ich so scheiße ausgehen habe. Das ist ja unglaublich.“ Ich glaube, der österreichische Humor hat ihn gerettet.
 
Wie lang haben Sie in der Maske gesessen?
Sehr lang.  Oft bin ich morgens um vier abgeholt worden, saß dann sechs, sieben Stunden in der Maske. Ich hab dann immer nur auf den Call Sheet geguckt und sah, dass Chris Hemsworth um neun oder um zehn abgeholt wird. Da saß ich allerdings schon sechs Stunden. Und dann stand da: „James Hunt knutscht mit  einer Krankenschwester. James Hunt macht im Flugzeug Liebe und Niki checkt die Reifen“.  Das waren schon harte Momente.
 
Hat Niki Lauda James Hunt beneidet?
Niki Lauda war klug genug, um die Gesetze des Kinos zu akzeptieren. Und dafür kennt er Peter Morgan auch schon zu lange. Er wusste, das bestimmte Sachen einfach dramatisiert sind. Im echten Leben waren Hunt und Lauda befreundeter, als  man das im Film so erlebt. Die haben sich sogar ein Appartement geteilt, als sie anfangs noch ganz jung waren und in der Formel Drei gefahren sind.
 
Also beide kein Kind von Traurigkeit?
Nein. Das war auch ganz wichtig für Niki. Beim ersten Treffen, als ich in Wien ankam, meinte er am Flughafen direkt: „Egal was da in diesem Drehbuch drin steht, ich war auch sehr erfolgreich mit Frauen.“