„Es ist Verschwendung, wenn es im Kino dauernd kracht und bumst“
20.06.2014
Interview:
Peter Beddies
Tom Hardy, der Star des aktuellen Ein-Personen-Thrillers „Locke – No Turning Back“, trägt eine schwere Last auf seinen Schultern. Der 36-Jährige wird mit schöner Regelmäßigkeit zur neuen Hoffnung der englischen Schauspielkunst ausgerufen. Nicht erst, seitdem er als Bane das personifizierte Böse in „The Dark Knight Rises“ gegeben hat. Hardy liebt die Extreme. Als Wüterich in „Bronson“. Als Teil einer famosen Gruppe in „Inception“. Demnächst in und als „Mad Max“. Und nun setzt er sich in „Locke“ für 85 Minuten allein in ein Auto, in dem er unterwegs am Telefon ein großes Drama erlebt.
FilmClicks: Was hat Sie an einem Ein-Personen-Film wie „Locke – No Turning Back“ gereizt?
Tom Hardy: Mich ödet das Kino heutzutage oft an. Wenn man sich die meisten Blockbuster anschaut, dann beleidigen sie die Intelligenz der Zuschauer. Und das ist schade. Was ist denn Kino ursprünglich mal gewesen? Leute gehen in einen Raum, haben verschiedene Erwartungen. Das Licht geht aus und nun sehen sie, ob diese Erwartungen erfüllt werden. Heute ist es oft so, dass einem die Erwartungen schon vorgegeben werden. Dagegen wollte ich in „Locke“ mit meinem Regisseur Steven Knight etwas machen.
War Ihnen vor dem Dreh schon bewusst, wie wenig Sie sich bewegen können im Film?
Steve hatte mir das schon angedroht. Er meint immer, es wäre eine absolute Verschwendung von Mitteln, wenn es auf der Leinwand ständig kracht und bumst. Er sagt– völlig zurecht –, dass die Zuschauer im Kino vor allem auf eines schauen: auf die Augen der Hauptdarsteller. Die Dreharbeiten am Steuer des Autos waren für einen körperlichen Schauspieler wie mich sehr ungewöhnlich. Aber auf der anderen Seite hat es auch Spaß gemacht, alle Reaktionen auf die Augen zu reduzieren. So etwas habe ich vorher noch nicht gemacht.
Bekommen Sie oft Komplimente für Ihre Augen?
Hin und wieder höre ich das. Aber ich versuche, es gleich danach wieder zu vergessen. Zu viel Eitelkeit ist für den Beruf des Schauspielers nicht gut.
Eine Erkenntnis, die Sie lernen mussten?
Nein. Ich mache mich schon immer sehr rar, auch, was die offiziellen Seiten meines Berufs angeht. Sie werden mich selten auf irgendwelchen Partys finden. Ich drehe ein paar Filme im Jahr und dann schätze ich es sehr, meine Ruhe zu haben.
Das sehen Öffentlichkeit und Medien derzeit offenbar anders. Sie sind auf dem Weg zum Superstar.
Interessiert mich nicht. Es gibt eine deutliche Linie, was die Öffentlichkeit wissen sollte und was ich für meinen Privatbereich halte. Wenn jemand diese Linie überschreitet, gibt es richtig Ärger. Das dürfen Sie mir glauben.
Wer ist Ivan Locke, die Titelfigur von „Locke – No Turning Back“, für Sie? Ein Held ganz bestimmt nicht, oder?
Locke ist der gewöhnlichste Mann in ganz England. Er hat einen völlig normalen Job, und in dem hat er mit viel Beton zu tun. Dem langweiligsten Material – das dürften nur Experten anders sehen – auf der Welt. Wir wollten nicht mal den Ansatz eines Helden hier haben.
Damit sich jeder mit ihm identifizieren kann.
Im besten Fall ja. 2015 werde ich als eine Ikone des Actionfilms zu sehen sein, als Mad Max. Kaum vorstellbar, dass ein Kinobesucher nachher sagt: „Ich habe mir auch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie es am Ende der Welt so zugehen wird!“. Aber hier, mit diesem Ivan Locke, kommen einem all die Fragen von ganz allein in den Kopf. Wann musste ich mich zum letzten Mal so richtig entscheiden? Habe ich mich auch richtig entschieden oder hätte ich den anderen Weg gehen müssen?
Bis hin zur Frage, ob man ein mutiger Mensch ist.
Exakt. Und das Schöne an diesem Film ist ja, dass man mehrmals die Seiten wechseln kann. Genau, wie es im Leben auch ist. Da gibt es kein Schwarz-Weiß. Was gestern noch richtig war, kann heute schon falsch sein. Ich mag solche Filme sehr, die mir als Zuschauer den Platz einräumen, meine Gedanken schweifen zu lassen.
Wie hätten Sie den Konflikt, um den es im Film geht, an Ivan Lockes Stelle entschieden?
Sehen Sie, da haben wir sie wieder vor uns. Diese dünne Linie, die nicht überschritten werden sollte. Gehen Sie ins Kino und schauen Sie mir zu. Das ist eine der Möglichkeiten, wie ich entschieden hätte. Alles andere geht nur mich etwas an.