„Diesen Kids war Sex egal - sie wollten teure Taschen und Schuhe!“
16.08.2013
Interview:
Matthias Greuling
Sofia Coppola hat ihren neuen Film „The Bling Ring“ zu uns ins Kino gebracht. Die Realsatire erzählt die wahre Geschichte von Teenagern, die in die Häuser von Promis wie Paris Hilton oder Lindsay Lohan einsteigen und dort allerhand Wertsachen mitgehen lassen. Im FilmClicks-Interview spricht die Regisseurin über ihren Film, die TV-Welt zwischen Castingshow und Reality-TV sowie über den Einfluss ihres Vaters Francis Ford Coppola auf ihre Arbeit.
FilmClicks: In „The Bling Ring“ brechen glamoursüchtige Teens in die Villen von Glamour-Stars ein. Kann man so was als jugendliche Torheit durchgehen lassen?
Sofia Coppola: Man kennt das Bestreben, als Teenager zu einer Gruppe dazugehören zu wollen. Aber das, was diese Kids angestellt haben, ist doch eine Nummer zu groß.
Der echte Bling Ring ist in L. A. nach 50 Einbrüchen erwischt worden - und die Mitglieder der Gruppe wanderten in den Knast. Gleichzeitig wurden sie selbst zu Medienstars. Jeder wollte sie in ihre Talkshow einladen, es gab sogar Reality-Soaps.
Ich finde diese Entwicklung sehr bizarr. Denn es ist kein Ende in Sicht, es gibt immer mehr solcher Shows. Es sind die berühmten 15 Minuten Ruhm, um es mit Andy Warhol zu sagen, die diese Shows ermöglichen. Man hat den Eindruck, jeder kann es heute zu einer Berühmtheit bringen. Das macht auch einen Teil des Erfolgs von Facebook aus: Dort präsentieren sich die Kids selbst vor ihrem Publikum, den „Freunden“, als wären sie Stars. Sie posten Fotos in allerlei Posen, das habe ich daher auch stark in „The Bling Ring“ integriert. Ich glaube, dass es für die jungen Menschen heute enorm schwierig ist, ihre eigene Identität zu finden, wenn sie rundherum so sehr mit Informationen und Medien berieselt werden.
Es gibt in dieser Geschichte keinerlei Sex - etwas, was im Teenager-Alter normalerweise das interessanteste Thema ist.
Das stimmt, es gibt in dieser Geschichte keinerlei Intimitäten. Was diese Kids so sehr aufregte, war nicht etwa Sex, sondern das waren teure Taschen und Schuhe der Promis. Sie zogen sich auch nur sexy an, um Aufmerksamkeit zu bekommen, nicht um jemanden aufzureißen. Sie waren sehr unsexuell.
Wie haben Sie Paris Hilton dazu gebracht, Ihnen ihr Haus für die Dreharbeiten zur Verfügung zu stellen?
Paris hat uns sehr unterstützt. Sie war von der Idee des Films begeistert und hat uns in ihr Haus gelassen. Ich konnte gar nicht glauben, dass sie uns ihren echten Kleiderschrank zur Verfügung stellt! Paris spielt gerne mit ihrem Image. Sie ist eine Person des öffentlichen Lebens, und will daher immer das größtmögliche Publikum haben. Für sie ist alles im Leben Marketing.
Woher stammen die Infos über die „Bling Ring“-Gang? Haben Sie die Mitglieder selbst getroffen?
Ich hatte eines der Mädchen getroffen, und auch den Burschen. Die meisten Informationen für das Drehbuch entstammen aber den Aufzeichnungen von Journalisten und den Verhörprotokollen der Polizei. Ich wollte die Kids nicht glorifizieren, aber man sollte nachvollziehen können, was sie daran gereizt hat. Die Mädchen waren so davon überzeugt, dass sie es schaffen, berühmt zu werden, dass sie gar nicht mitbekommen haben, weshalb sie eigentlich plötzlich in der Öffentlichkeit standen. Nämlich wegen ihrer Raubzüge.
Sind die Medien also schuld an solchen Geschichten?
Es ist natürlich ein extremes Beispiel, aber Celebrities werden in unserer Gesellschaft so sehr gefeiert und bekommen so viel Aufmerksamkeit in den Medien, dass es mich nicht wundert, dass diese Kids solche Ideen hatten. Ich kann gar nicht glauben, wie voll gestopft das TV-Programm noch immer mit diesen Reality-Shows ist. Für mich ist diese Form der Unterhaltung wie Junk Food. Das schmeckt einem ab und zu, aber wenn man es zu oft isst, verdirbt man sich den Magen. Darauf sollte man nicht die ganze Gesellschaftskultur aufbauen. Ich finde das alarmierend.
Wie lange brauchen Sie, um einen Film wie „The Bling Ring“ zu realisieren?
Ich brauche meist ein Jahr, um ein Drehbuch zu schreiben, dann ein weiteres Jahr, um den Film zu drehen. Nach jedem Film gönne ich mir eine Auszeit, bevor ich an ein neues Projekt herangehe. Und meist hat mein nächster Film immer irgendwie mit dem vorangegangenen zu tun. Zumindest ist ein neuer Film immer eine Reaktion auf meinen letzten.
Gerade Film wie die Ihren sollen es im heutigen Hollywood nicht leicht haben, wenn es um Aufstellen des Budgets geht…
Es wird immer schwerer, Filme zu finanzieren, die nicht der gängigen Norm entsprechen. Man hat bei den klassischen Arthaus-Filmen heute Probleme, an Geld zu kommen. Die Verleiher und Studios sind viel konservativer als noch vor 10 Jahren. Ich halte meine Budgets aber sehr gering und habe auch Verleiher, zu denen ich in der Vergangenheit gute Beziehungen aufgebaut habe. Daher fühle ich mich relativ frei in der Umsetzung meiner Projekte.
Fragen Sie Ihren Vater eigentlich noch um seine Meinung, wenn Sie einen Film drehen?
Ich zeige ihm meine Filme meist im Stadium des Rohschnitts, ebenso meinem Bruder Roman. Aber sie mischen sich beide grundsätzlich nicht ein in meine Arbeit.
Gibt es Interviews, in denen Sie nicht auf Ihren Vater angesprochen werden?
Nein, kaum. Aber ich habe mich daran gewöhnt, nach 20 Jahren in dem Geschäft. Ich verstehe auch, dass die Journalisten neugierig sind, wenn es eine solche Vater-Tochter-Konstellation gibt.
Es ist aber auch eine künstlerische Frage, dass ich meinem Vater gerne meine Filme zeige. Er hat auch immer wieder Anregungen, wie man was machen sollte. Dafür bin ich ihm dankbar. Manchmal bin ich aber auch komplett anderer Meinung als er.