Simon Pegg


„Man spürt das Leben umso intensiver, je näher man dem Tod ist“

17.08.2014
Interview:  Gunther Baumann

„Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“: Simon Pegg fühlt sich eingewickelt © Filmladen

„Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“: Simon Pegg spielt die Hauptrolle in der klugen Feelgood-Komödie, die am 21. August im Kino startet. Als lernwilliger Psychiater düst er in der Bestseller-Verfilmung über die Kontinente, um das Rätsel des Glücks zu entschlüsseln. Beruflich hat der 44-jährige Brite sein Glück längst gefunden.  Berühmt wurde er mit Horror-Komödien wie „Shaun of the Dead“, für die er auch die Drehbücher schrieb. Dann entdeckte ihn Hollywood: Er spielt den Scotty in den „Star Trek“-Filmen und den Agenten Benji Dunn in „Mission: Impossible“. Zugleich ist Pegg aber auch im Arthaus-Sektor gefragt. Im FilmClicks-Gespräch verrät er, wie sich das alles unter einen Hut bringen lässt.  


FilmClicks: Ihr neuer Film „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ spielt in Asien, Afrika, Amerika und Europa. Der Dreh muss auch für Sie persönlich eine sehr große Reise gewesen sein.
Simon Pegg: Richtig. Ich sehe da Parallelen. So wie sich Hectors Leben durch die Reise ändert, so änderte der Dreh auch das meine. Ich habe sehr viel Neues gesehen, ich machte großartige Erfahrungen, ich bin als Person gewachsen. Allerdings glaube ich, dass ich schon vorher wusste, was Glück bedeutet. Es war großartig, im Flugzeug nach Südafrika zu sitzen, durch die Nebenstraßen von Shanghai zu flanieren oder durch Tibet zu wandern. Obwohl ich zugeben muss: Deutschland war so freundlich, als Double für das Hochgebirge in Tibet einzuspringen. Die verschneiten tibetischen Gipfel, die man im Film sieht, stehen in Bayern.

„Ich wusste schon vor dem Dreh, was Glück bedeutet“: Simon Pegg mit Rosamund Pike © Filmladen

Der Psychiater Hector, den Sie spielen, wirkt zu Beginn sehr unglücklich mit seinen Patienten, die sich an ihre Depressionen klammern, anstatt ihr Leben zu verändern.
Dieses Verharren im Unglück ist, glaube ich, eine Metapher für unser modernes Leben in der westlichen Welt. Wir leben in einer recht wohlhabenden Gesellschaft, in der wir uns nicht darum sorgen müssen, wo morgen das Essen herkommt, und wo kein Diktator unser Wohlergehen bedroht. Niemand will uns umbringen, während wir schlafen. Doch wenn man keine Probleme rund ums Überleben hat, dann beginnt man, sich zu langweilen. Dann erfindet man Probleme. Hector ist im Grunde genauso unglücklich wie seine Patienten. Er kann sie nicht glücklich machen, weil ihm jede Kompetenz fehlt, über das Glück zu reden. Doch er benutzt die Patienten als Entschuldigung, um sich auf die Reise zu machen. In unserer Gesellschaft werden wir bombardiert mit Ratschlägen, wie wir schnelles Glück finden können – durch Essen, durch Unterhaltung, durch tolle Wohnungen und Häuser. Doch wirkliches Glück können wir nur in uns selbst finden. Hector umrundet den ganzen Globus, um das herauszufinden: Er trug auch schon vorher das Glück in sich. Er hat es nur nicht gewusst.
 
Würden Sie also sagen, wir Westler brauchen harte existenzielle Herausforderungen,  um das Glück zu finden?
Nun, ich denke, dass man das Leben umso intensiver spürt, je näher man dem Tod ist. Nichts rückt die Perspektiven so sehr zurecht wie die Aussicht auf das Ende. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass wir eine Dosis Tod in unserer Umgebung brauchen. Das wollen wir nicht. Hector spürt am genauesten, was Glück für ihn bedeutet, als man ihm eine Pistole an die Schläfe hält. Es war sehr interessant, das zu spielen.
 
Mit seinen vielen Schauplätzen wirkt der Film, als wäre er verdammt teuer gewesen.
„Hectors Reise“ sieht teurer aus, als der Film ist. Das ist keine große Hollywood-Produktion, sondern ein Indie-Film, eine deutsche Koproduktion, mit einem begrenzten Budget. Durch die Mitwirkung von Chistopher Plummer, Stellan Skarsgard, Rosamund Pike, Toni Collette oder Jean Reno sieht man aber viele große Hollywood-Gesichter. Doch zugleich hat „Hectors Reise“ das Herz eines Indie-Films.
 
Was halten Sie von Hectors Liste – seine Manie, alle Anmerkungen zum Thema Glück in Merksätzen festzuhalten?
Einige von diesen Sätzen sind spekulativ, einige sind wahr, einige sind falsch – aber alle sind interessant. Zu Hectors Regel, „Glück könnte die Freiheit bedeuten, mehr als eine Frau zur gleichen Zeit zu lieben“, sage ich zum Beispiel schlicht nein. Hector schreibt den Satz nach einer Nacht mit einer sehr attraktiven Frau, aber er kommt mir hier sehr naiv und auch ein bisschen kindisch vor. Die Regel „Der Weg zum Glück führt nicht über das Vermeiden von Unglück“ hingegen ist sehr wahr. Die Moral der Geschichte von Hector: das Glück liegt in allen Dingen – im Guten, im Schlechten, im Spaß und in dem, was uns Angst macht.
 
Wenn man Ihren Namen auf der Film-Website IMDB nachschlägt, findet man Simon Pegg 78 Mal als Schauspieler, aber auch 22 Mal als Drehbuchautor. Diese Kombination aus Darsteller und Schreiber ist höchst selten.
Stimmt, und ich muss sagen, das überrascht mich irgendwie. Denn wenn ich ein Script schreibe, das ich später auch spiele, kann ich mein eigenes Schicksal bestimmen, und das ist eine perfekte Position. Noch besser ist es, beim Schreiben auch mit einem Regisseur zusammenzuarbeiten. In meinem Fall also mit  Edgar Wright, mit dem ich „Shaun of the Dead“, „Hot Fuzz“ oder „The World’s End“ schrieb. Ich finde, alle Leute sollten das so machen – aber sie tun es nicht.  
 
Liegt Ihnen das Schreiben im Blut?
Ja. Schon in meiner Kindheit habe ich sehr viel geschrieben – Theaterstücke, Geschichten, alles Mögliche. Später studierte ich dann Filmtheorie. Dabei lernte ich eine Menge: Die Drei-Akt-Struktur der meisten Filme, Spannungsaufbau, Timing, Drama und Komödie… Schließlich habe ich Theorie und kreatives Schreiben vereint und damit begonnen, Drehbücher zu schreiben.
 
Sie sind – als Autor wie als Darsteller – bekannt dafür, dass Sie Horror und Science Fiction mögen. Wie entstand denn das?
Science Fiction hat mich von klein auf fasziniert. Einfach wegen der Unendlichkeit des Weltraums und der unglaublichen Möglichkeiten, die der Raum eröffnet. Das hat mich inspiriert. Und dann kam „Star Wars“! Die Serie hat mich exakt zu dem Zeitpunkt getroffen, als ich am empfänglichsten für diese Art von Filmen war. Ich verdanke es „Star Wars“, dass ich so fasziniert bin von allem, was mit Film zusammenhängt. Außerdem bin ich ein Kind der Achtziger Jahre. Damals kamen die VHS-Cassetten auf, und dadurch wurden sehr viele Filme auf einmal zu Hause verfügbar. So lernte ich dann die leicht zweifelhaften Freuden des Horror-Genres kennen. Meine Freunde und ich holten uns Horrorfilme aus der Videothek und schauten sie an, wenn die Eltern nicht zuhause waren. „American Werewolf in London“, „The Thing“, „The Fog“, „Exorzist“, „The Shining“… Filme wie diese haben dazu geführt, dass Horror immer einen Platz in meinem Herzen haben wird.
 
„Diese Rolle ist ein steter Quell des Glücks“: Simon Pegg als Scotty in „Star Trek“ © Paramount

Bei diesen Voraussetzungen muss für Sie ja ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen sein, als Sie die Rolle von Scotty in den „Star Trek“-Filmen bekamen.

Dass ich heute Scotty bin, ist ein steter Quell des Glücks und Vergnügens für mich. Da habe ich wirklich Massl gehabt und ich bin sehr froh, dass ich J. J. Abrams kennenlernte, den Regisseur dieser Filme. Wir sind sehr enge Freunde, und eines Tages bekam ich ein eMail von ihm: „Willst du Scotty spielen?“ Ich antwortete nur: „Ja! Bitte! Ich will!“  
 
Wären Sie auch gern im neuen „Star Wars“-Film dabei, den J. J. Abrams jetzt inszeniert?
Nun, ich finde es schon mal großartig, dass J. J. jetzt „Episode VII“ macht. Ich glaube aber, es wäre sehr seltsam, wenn mein Gesicht in „Star Wars“ auftauchen würde, wo ich doch schon in „Star Trek“ mitspiele. Ich fürchte, das könnte einige Leute aus dem Kino vertreiben. Außerdem wurden fantastische junge Schauspieler für den Film gecastet, wie Daisy Ridley, die noch niemand jemals gesehen hat, wie John Boyega oder Oscar Isaac, der bei den Coens in „Inside Llewyn Davis“ brillierte. Und dann kommt ja zu unserem großen Vergnügen auch das alte Ensemble zurück, mit Harrison Ford und den anderen. Da kann ich nur sagen: Ich bin froh, dass ich nicht dabei bin, denn ich denke, ich würde den Film verderben (lacht).
 
„Blockbuster sind einfach ein großer Spaß“: Simon Pegg mit Tom Cruise in „Missiuon: Impossible“ © Paramount

Sie haben ja Alternativen. Bald werden Sie, in der Rolle des Technik-Freaks Benji Dunn, „Mission: Impossible 5“ drehen. Wie fühlt sich denn diese Aussicht für Sie an?

Es geht in ein paar Tagen los, und ich kann es kaum erwarten. Ich mache in diesen großen Hollywood-Produktionen nicht mit, um meine Rechnungen zu bezahlen, sondern weil ich sie liebe. Solche Filme sind einfach ein großer Spaß. Und so lange ich gleichzeitig Filme wie „Hectors Reise“ machen kann, weiß ich, dass ich meinen Beruf so ausüben kann, wie ich es mag. Zuletzt habe ich ja nicht nur „Hector“ gedreht, sondern auch drei andere Low-Budget-Produktionen. Jetzt bin ich aber wieder in der Laune für einen richtig großen Film. Ich tausche eMails aus mit Regisseur Christopher McQuarrie und Tom Cruise, was wir machen werden. Das ist alles sehr aufregend.
 
Was ist den der Spaß daran, solch überlebensgroße Filme zu drehen?
Die pure Größe. Orson Welles sagte einmal, ein Film-Set sei wie eine gigantische Spielzeug-Eisenbahn. Man darf das aber nicht zu ernst nehmen.



Kritik
Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück
„Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ ist die Verfilmung des Bestsellers von Francois Lelord. Der Brite Simon Pegg brilliert in der Titelrolle. Um ihn herum agiert ein edles Ensemble mit Stars wie Stellan Skarsgard, Toni Collette oder Christopher Plummer. Mehr...