Reem Kherici


„Mich könnte niemand an der Grenze stoppen“

17.07.2014
Interview:  Peter Beddies

© Filmladen

Die 31-jährige Komödiantin Reem Kherici ist hierzulande noch weithin unbekannt. Mit ihrem Film „Paris um jeden Preis“ könnte sich das rasch ändern. Die Französin, deren familiäre Wurzeln in Tunesien liegen, spielt eine gebürtige Marokkanerin, die von den französischen Behörden ausgewiesen wird – und alles daransetzt, wieder zurückzukehren. Reem Kherici hat für „Paris um jeden Preis“ die Idee geliefert, das Drehbuch geschrieben, den Film inszeniert und auch noch produziert. Dass das ernste Thema mit vielen Pointen daherkommt, ist Absicht: „ Humor ist Waffe und Rüstung zugleich. Ich bin immer dann stark, wenn ich Trauriges in Lustiges verwandele.“


FilmClicks: Warum lag Ihnen die Migrations-Komödie „Paris um jeden Preis“ so sehr am Herzen? Steckt da Autobiografisches drin?
Reem Kherici: Nun ja, mit dem Wort Autobiografie muss man ja immer sehr vorsichtig umgehen. Aber es stimmt. Hier stecken Elemente von mir drin.
 
Wann wurden Sie weshalb aus Frankreich ausgewiesen?
Typisch Journalist. Immer gleich vom Schlimmsten ausgehen. Nein, bei mir war das eher so, dass ich 2011 meine Familie in Tunesien für ein paar Wochen besuchte. Mein Vater kam als junger Mensch nach Frankreich. Ich kenne Tunesien nur vom Urlaub.
 
Und als Sie dort waren…
…saß ich mitten zwischen den Verwandten und dachte, was für ein unglaubliches Glück es ist, wieder zurück zu können. Da hatte ich plötzlich diesen „what if…“-Moment und dachte, was passieren würde, wenn man mir das verweigern würde.
 
Was in so einem Fall passiert, davon erzählt Ihr Film auf ungewöhnliche Weise.
Sie meinen, weil so etwas eher eine traurige Angelegenheit ist und man das nicht in so einem lustig-lockeren Ton erzählt? Aber so bin ich nun mal. Es stimmt, meine ersten Recherchen ergaben, dass in Frankreich ziemlich häufig Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung angetroffen und dann erstmal ausgewiesen werden. Da sind die Behörden alles andere als zimperlich. Auch wenn sie später diese Menschen wieder ins Land lassen müssen. Erstmal wird ausgewiesen.
 
Haben Sie versucht, dem ganzen eine tragische Note zu geben?
Nein, auch wenn die Geschichte im ersten Moment nach schwerem Drama klingt, habe ich das nicht versucht. Ich habe in meinem Leben oft genug traurige Dinge erlebt. Es war nicht selten konfliktreich und tragisch. Aber ich wollte eine Geschichte von einer jungen Frau erzählen, die ich hätte sein können und die wieder aufsteht und sich nicht unterkriegen lässt.
 
Das ist es, was Sie mit Maya gemeinsam haben?
Exakt. Maya und ich sind uns sehr nahe. Und ich würde auch erst dann Ruhe geben, wenn ich wieder in Frankreich bin. Mich könnte niemand an der Grenze stoppen. Da bin ich mir sehr sicher.
 
Wie haben Sie Ihre Kindheit und Jugend in Frankreich in Erinnerung? Was hat Sie da am meisten geprägt?
Es war nicht so, dass ich blanken Rassismus gespürt habe. Es war eher so, dass ich  zwischen all den hellhäutigen und blonden Menschen mit meiner dunklen Haut auffiel. Niemand hat mich je attackiert. Aber es blieb dieses Gefühl, anders als die anderen zu sein.
 
Wie fanden Sie den Weg, sich zu wehren?
Da mein Körper nicht bereit war, über 1,60 Meter hinaus zu wachsen, fiel Kampfsport schon mal aus. Also legte ich mir ein lautes Mundwerk zu. Und Stück für Stück fand ich Anschluss an eine Truppe von Comedians in Paris. Ich nenne das immer, aus meiner Not eine Tugend zu machen.
 
„Humor ist Waffe und Rüstung zugleich“: Reem Kherici (Mitte) © Filmladen

Worin waren oder sind Sie als Comedian besonders gut?
In dem, was Sie auch im Film sehen. Man sagte mir bald und das merkte ich auch, dass ich immer dann stark war, wenn ich Trauriges in Lustiges verwandelte. Humor, das merkte ich sehr schnell, ist Waffe und Rüstung zugleich. Dass ich damit anderen auch wehtun kann, wenn ich etwa, wie im Film, Sprüche über die Burka machen, das nehme ich in Kauf.
 
Gibt es schon Pläne für eine zweite Regiearbeit?
Das auf jeden Fall. Es soll eine bitterböse Komödie über eine Hochzeitsplanerin werden, die sich in einen ihrer Kunden…
 
…Moment, aber das gab es schon Tausend Mal.
Nein, nicht so bitterböse und komisch, wie ich die Geschichte erzählen werde. Warten Sie es ab. Das wird wirklich was Neues.     



Kritik
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„Paris um jeden Preis“ ist eine Komödie über ein ernstes Thema. Es geht um die Modedesignerin Maya (Reem Kherici), die aus Frankreich in ihr Geburtsland Marokko ausgewiesen wird und unbedingt zurück möchte. Mehr...