Karl Markovics über seinen neuen Film „Superwelt“


„Frau trifft Gott, Frau verliert Gott, Frau findet Gott wieder“

15.06.2014
Interview:  Gunther Baumann

„Superwelt“: Karl Markovics lässt in seinem neuen Film Gott eine große Rolle spielen © Thimfilm/Dieter Nagl

„Als Schauspieler ist man Teil einer Welt“, sagt Karl Markovics. „Als Autor und Regisseur aber kann man eine ganze Welt erschaffen, nur mit seiner Phantasie.“ Nach dem Erfolg seines Regie-Erstlings „Atmen“ gönnt sich der Wiener jetzt erneut das Vergnügen, ein selbst geschriebenes Drehbuch zu verfilmen. „Superwelt“ (hier geht’s zur Drehreportage) handelt vom unfassbarsten und geheimnisvollsten Phänomen unserer Existenz: von Gott. „Der Film ist ein Versuch über Gott, wie ich ihn mir wünsche“, erklärte Markovics - und verrät ganz nebenbei eine groteske Episode aus seiner Jugendzeit: Als Protestant wurde er katholischer Ministrant.


Herr Markovics, wie haben Sie das höchst ungewöhnliche Thema Ihres neuen Films „Superwelt“ gefunden? 
Karl Markovics: Schon, während ich „Atmen“ drehte, hatte ich etliche Projekte im Kopf. Doch die Geschichte von „Superwelt“ drängte sich dann so massiv in den Vordergrund, dass für mich gar nicht daran zu denken war, an etwas anderem weiterzuarbeiten. Das war keine leichte Zeit: Ich wusste, entweder ist es das, oder es gibt keinen Film mehr von mir. Wäre ich mit diesem Projekt nicht weitergekommen, hätte ich nicht sagen können, na gut, dann schreibe ich halt eine andere Geschichte.
 
Man könnte den Plot von „Superwelt“ mit einem Satz so formulieren: Eine Supermarkt-Angestellte begegnet Gott.
Ja. Für die Einreichung des Projekts habe ich flapsig geschrieben: „Frau trifft Gott, Frau verliert Gott, Frau findet Gott wieder.“ Also eine Variation der klassischen Boy-Meets-Girl-Geschichte. Das ist eine von vielen Möglichkeiten, diesen Film zu beschreiben.
 
Wie kamen Sie denn auf die Idee, einen Film zum Thema Mensch trifft Gott zu machen?
Das Anfangsbild zu „Superwelt“ ist aus meinem privaten Leben gegriffen. Ich stand eines Tages im Supermarkt und beobachtete eine Kassiererin, die gerade keine Kunden hatte. Sie nahm eine Flasche Allzweckreiniger, den sie auf das Laufband sprühte. Dann setzte sie mit der Fußtaste das Band in Bewegung und reinigte es mit einer Küchenrolle.  Währenddessen hat sie, wie man so sagt, ins Leere geblickt. Es war ein vollkommen entspannter, aber sehr verinnerlichter Blick. Nicht von dieser Welt. Und irgendwie entstand für mich das Reizerlebnis: Genau so einen Menschen würde ich gern mit Gott zusammenbringen. Die buchstäblich normalste Person, die man sich vorstellen kann. Keine zerrüttete Familie. Keine finanziellen Krisen. Keine intellektuellen Zweifel. Ein Leben, das noch in einer Generation stattfindet, deren Pensionen abgesichert sind. Nichts kann schiefgehen. Es fehlt nichts – außer das Eigentliche. Das begegnet ihr plötzlich, doch es verschwindet auch wieder.
 
Ist diese Frau religiös?
Überhaupt nicht. Die Frau hat mit der Kirche nichts am Hut; sie hat auch nichts gegen die Kirche. Das einzige, woran sie sich aus dem Gottesdienst noch erinnern kann, ist der Satz „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, und meine Seele wird gesund.“ Das ist auch einer der wenigen liturgischen Texte, an die ich mich noch erinnern kann. Aus meiner Ministrantenzeit, groteskerweise. Denn ich bin Protestant. Mein bester Freund hat mich damals bei den Katholiken eingeschmuggelt.
 
Wie halten es Sie persönlich? Gibt es Gott?
Ich wünsche ihn mir. Dieser Film ist ein Versuch, ihn ein bisschen so zu zeigen, wie ich ihn mir wünsche. Ein Versuch über Gott.
 
Wie würden Sie sich Gott denn wünschen?
So, dass er verzweifelt versucht, mit uns Verbindung aufzunehmen, um uns zu sagen, dass wir ihm nicht egal sind. Aber er kann nichts tun. Wir sind in die Welt geworfen worden, es gibt so etwas wie den freien Willen. Es gibt etwas, das auch er nicht ändern kann und darf. Warum? Dafür habe ich keine Erklärung. Was auch immer – es ist ein empathischer Gott. Ein guter Gott. Ein Gott, der alles ist, ein Du und ein Ich. Wie es beim Religionsphilosophen Martin Buber steht: „Es gibt kein Ich ohne Du, und es gibt kein Du ohne ich“. Diesen Gott wünsche ich mir.

„Beim Filmen geht es um Vertrauen“: Karl Markovics mit Hauptdarstellerin Ulrike Beimpold © Thimfilm/Dieter Nagl

Wie sind Sie auf Ulrike Beimpold als Hauptdarstellerin gekommen?
Ich schreibe meine Drehbücher nicht auf Schauspieler hin und hatte daher zunächst keine Ahnung, wen ich mir in dieser Rolle vorstellen könnte. Diese Vorgangsweise macht das Schreiben leicht, aber das Besetzen schwierig. Ulrike Beimpold ist mir über meinen Produzenten Dieter Pochlatko mehr oder weniger zugeflogen, der sie im TV-Thriller „Zauberberg“ sah. Ich war fasziniert von ihrem Auftritt dort und beim Casting war für mich dann im Grunde nach fünf Minuten schon klar, dass sie diese Frau spielen wird. Weil wir auf Anhieb gut konnten miteinander. Und mir geht es beim Filmen – das war schon bei „Atmen“ so - weniger um das Proben und Inszenieren, sondern um Vertrauen. Die Schauspieler müssen mir vertrauen, dass ich sie beschütze. Auch wenn ich mir anmaße, sie durch die Hölle zu führen.
 
Sie selbst treten in „Superwelt“, wie schon in „Atmen“, nicht als Schauspieler auf.
So ist es. Ich habe darüber nachgedacht und ich habe gespürt, nein, das mag ich nicht. Ich gebe zu, dass es natürlich eine Überlegung war, mitzuspielen. Weil man über alles nachdenkt, was einem Film helfen kann, sein Publikum zu finden. Aber wir hoffen irgendwie auf den „Atmen“-Effekt (lacht). Dass die Leute sagen: Der erste Markovics-Film war okay – da schauen wir uns den zweiten auch an. 
 
Ich nehme an, dass man Gott nicht sehen wird in „Superwelt“.
Nein. Und man wird ihn auch nicht hören. Als Zuschauer erleben wir Gott im Film über unsere Hauptfigur. Sie kommuniziert mit ihm. Über die Art, wie sie sich verwandelt, wie sie ihm begegnet – und der Welt anders begegnet –, dadurch werden wir ihn spüren.    
  



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