Karl Markovics über Gott und seinen Film „Superwelt“


„Ich kann mit Gott nicht proben“

15.03.2015
Interview:  Gunther Baumann

„Der Dreh war eine Frage von Glauben und Hoffen“: Karl Markovics am Set von „Superwelt“ © Thimfilm / Mican

Karl Markovics bittet in die „Superwelt“. Am 17. März eröffnet der Star das Diagonale-Festival in Graz. Am 20. März folgt der Kinostart in ganz Österreich. „Ich habe mich ganz bewusst an Hitchcock orientiert“, sagt Autor/Regisseur Markovics über den Film, der das Mystery-Genre auf einen neuen Level hebt: Die „Superwelt“- Hauptfigur, die Supermarkt-Kassierin Gabi Kovanda (Ulrike Beimpold), sieht sich auf einmal mit Gott konfrontiert. Ein FilmClicks-Gespräch mit Karl Markovics über „Superwelt“,  irdische Banalitäten und überirdische Wunder, die Herausforderungen des Drehs – und über seine ganz und gar ungöttliche nächste Schauspielrolle: Markovics spielt den Nazi-Demagogen Joseph Goebbels.


FilmClicks: Das Thema von „Superwelt“ lautet, auf einen Satz verkürzt: Eine Frau begegnet Gott. Haben Sie schon erlebt, dass diese Inhaltsangabe erstmal ein großes Fragezeichen auslöst?
Karl Markovics: Ja. Was heißt denn das, Gott begegnen? Spaziert der durchs Bild? Sehe ich Gott? Aha, nein. Höre ich ihn? Nein, auch nicht. Offensichtlich mache ich Filme, die sehr schwierig zu beschreiben sind. Aber „Superwelt“ ist hoffentlich gut zum Anschauen. Das ist mein Anliegen. Bei der Weltpremiere während der Berlinale im Februar hatten wir sehr interessante Publikumsgespräche: Offensichtlich ist „Superwelt“ ein Film, der in den Köpfen der Leute viel auslöst und auch nachwirkt. Und das erscheint mir persönlich immer das Wichtigste beim Filmemachen: Dass ein Film dem Zuschauer gehört – ab dem Moment, wo er ihn sieht.
 
Meinem Gefühl nach haben viele Leute, die erstmals von „Superwelt“ hören, Angst davor, so eine Art frommes Traktat vorgesetzt zu bekommen.
Na klar. Das ist ja logisch. Da hätte ich auch Angst. Geht es da um einen modernen Messias? Oder ist es so eine Art Missionierungsfilm? Wie auch immer: Ich wollte einen Film drehen, den sich auch Atheisten anschauen können. Einen Film, der die Frage erörtert: Auch wenn ich nicht an Gott glaube – wie würde es mir gehen, wenn er plötzlich da wäre?
 
Wenn man im Film sieht, wie Hauptdarstellerin Ulrike Beimpold auf das reagiert, was sie als Gott erlebt, erinnert das manchmal an einen sanften Gruselfilm. War das von Ihnen beabsichtigt?
Was die Gottbegegnung betrifft, habe ich ganz bewusst Suspense als Stilmittel eingesetzt und mich dabei durchaus an Hitchcock orientiert. Das fand ich spannend. In der Bibel tritt Gott ja meistens durch Mittelsgestalten wie Engel auf,  und das erste, was die Engel sagen, ist oft: Fürchtet euch nicht. Das muss einen Grund haben – nämlich den, dass sich die Leute fürchten. Ich würde mich auch fürchten, wenn mir Gott plötzlich sagen würde, so, jetzt reden wir Tacheles. Da würde es mich erst einmal reißen. Das habe ich versucht, emotional in der Figur der Gabi Kovanda zu erzählen: Bis Gabi auf Du und Du ist mit ihrem Gott, dauert es eine Zeit. Vom panischen Schrecken über den unheimlichen Schauder bis zum Sich Einlassen. 
 
Manche Szenen in Gabi Kovandas Familie, in der das Miteinander längst durch ein emotionsloses Nebeneinander abgelöst wurde, wirken im Vergleich zum Grusel der Gottbegegnung wie ein Horrorfilm.
Nun, diese Supermarktverkäuferin und ihre Familie – das sind keine bösen Personen unter großem Leidensdruck.  Das ist keine dysfunktionale Familie. Ich wollte zeigen, wie entsetzlich die Erosionskraft des Alltags  nach Jahrzehnten der Ehe wirken kann. Was die Abnützung des Banalen, des Wiederkehrenden aus uns zu machen imstande ist. Die Begegnung mit Gott kommt dann – egal, ob man an ihn glaubt oder nicht – wie ein Sturm, wie ein Naturereignis. Plötzlich stellt man sich Fragen: Warum bin ich da? Gibt es jemanden, der mich wirklich braucht?  Gibt es irgendetwas, das wirklich eine Bedeutung hat? Solche Fragen haben in einem Alltag der Abnützung von allem, was das Menschsein ausmacht, besondere Intensität.
 
War es leicht, einen Schluss für Ihre Geschichte zu finden?
Mir war bewusst, dass es im Grunde keinen Ausgang für so eine Story gibt. Da es sich bei „Superwelt“ aber um ein irdisches, also endliches Werk handelt, war es notwendig, das Finale in eine Richtung zu bringen, wo die Zuschauer sagen, damit kann ich etwas anfangen. Dass man den Film im Kino also als abgeschlossen empfindet, die Eindrücke aber in seinen Alltag mitnimmt. Mir war klar, dass dieses Finale über ein Du, über den Ehemann von Gabi Kovanda, laufen müsste. Im banalen Irdischen sollte die Wunderhaftigkeit des Göttlichen spürbar sein.

Phänomenale Leistung: Ulrike Beimpold als Gabi Kovanda in „Superwelt“ © Thimfilm / Domenigg

Wie wichtig war Ulrike Beimpold, deren Laufbahn im Wiener Burgtheater begann,  als Hauptdarstellerin für das Gelingen des Films?
Ich habe Uli Beimpold, die andere Uli Beimpold,  schon bei ihrem Auftritt in Andreas Prochaskas TV-Thriller „Spuren des Bösen“ gesehen. Nach fünf Minuten unserer ersten Begegnung wusste ich,  dass ich „Superwelt“ nur mit ihr drehen werde.  Wenn jetzt gesagt wird, dass sie im Film eine phänomenale Leistung zeigt, kann ich nur vollen Herzens zustimmen. Sie spielt in großer Uneitelkeit eine Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht, und das war mir besonders wichtig.  Denn die Gabi Kovanda durfte ja kein Astralwesen werden, das abhebt wie eine Chagall-Figur.
 
Hat Gott sich schon geäußert zu „Superwelt“?
So ganz dezidiert nicht. Da mich noch immer nicht der Blitz getroffen hat, lässt er den Film zumindest zu (lacht). 
 
Machte Ihnen das  Regieführen wieder genauso viel Spaß wie bei Ihrem ersten Film „Atmen“?
Ja, absolut. Wobei ich sagen muss, dass der Dreh von „Superwelt“ um einiges anstrengender war als jener von „Atmen“. Denn es gab eben diesen irrationalen Faktor: Ich kann mit Gott nicht proben. Ich kann ihn auch nicht inszenieren.  Ich konnte nur dran glauben, denn Gott ist ja eine Glaubensfrage.  Ich musste daran glauben, dass das Konzept letztlich aufgeht, mit  allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Ich habe sehr viel auf der Geräusch-Ebene, mit Farben und auch mit Blicken gearbeitet.  Dass die gewünschte Wirkung im fertigen Film dann wirklich eintritt, ist eher eine Frage von Glauben und Hoffen. Gott konnte ich mir als Mitwirkenden nicht leisten (lacht).
 
Ist Ihre Lust ungebrochen, wieder neue Filme zu schreiben und zu inszenieren?
Ich hätte mir eine Pause gewünscht, weil ich jetzt sehr schöne Projekte als Schauspieler habe. Doch leider gärt es so in meinem Kopf, dass sich schon wieder eine Geschichte verbissen hat in mir. Ich arbeite schon mehr am nächsten Drehbuch, als mir eigentlich lieb ist. Über das Thema möchte ich aber noch nichts verraten.
 
War es leicht, vom Regiesessel wieder in die Funktion des Schauspielers zurückzukehren?
Ja, für mich schon. Erstens, weil ich den Beruf des Schauspielers sehr liebe. Und zweitens ist es großartig, an einen Set zu kommen, wo man alles, woran man als Regisseur denken muss, anderen überlassen kann. Ich merke erst jetzt, wie unglaublich bevorzugt mein Schauspieler-Beruf ist: Ich bekomme Flugtickets gemailt, ich werde vom Flughafen abgeholt, mein Hotelzimmer ist fertig, mein Drehplan ist gemacht… Das einzige, was ich tun muss, ist ein bissl Text auswendig zu lernen und mich mit der Figur zu beschäftigen, die ich spiele. Was ich leidenschaftlich gern mache.
 
Jetzt bekommen Sie es aber mit einer sehr extremen Figur zu tun: Sie spielen in einem tschechischen Film über die Schauspielerin Lída Baarová den Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels. Wie legt man denn so einen Mann an?
Humpelnd und rheinländisch. Das vergegenwärtigt man sich ja sehr selten: Goebbels, einer der wichtigsten Vertreter des Nazi-Verbrecherregimes – jüdischer aussehen als er konnte man kaum. Und dann hatte er auch noch diesen Klumpfuß, in einem System, das die unversehrte Rasse propagierte. Obendrein besaß er diesen rheinländisch singenden Tonfall, der gemütlich und fast lyrisch klingt.  All das macht ihn extrem gespenstisch – gibt aber für einen Schauspieler sehr viel her.    



Kritik
Superwelt
Schauspiel-Star Karl Markovics wird mit „Superwelt“ zum zweiten Mal zum Autor und Regisseur eines Films. Mit großem Mut und einer überzeugenden Story lotet er ein höchst ungewöhnliches Thema aus: Eine einfache Frau vom Lande (grandios: Ulrike Beimpold) hat eine Begegnung mit Gott. Mehr...