Sönke Wortmann
über seinen Film „Frau Müller muss weg“
„Jeder glaubt, Experte zu sein“
15.01.2015
Interview:
Peter Beddies
„Frau Müller muss weg“: Alle Menschen mit schulpflichtigen Kindern kennen die Situation. Es ist Elternabend - und wieder mal liegen die Nerven blank. Die Schule ist schuld, die Lehrer sind es sowieso, aber nicht die lieben Kleinen. Sönke Wortmann, der Regisseur von Kino-Hits wie „Das Wunder von Bern“ oder „Der bewegte Mann“, hat jetzt aus diesem Kleinkrieg im Klassenzimmer einen Film gemacht. Im FilmClicks-Interview vergleicht er das Schülerleben seiner Jugend mit jenem von heute.
FilmClicks: Haben Sie sich als Filmemacher bei den Dreharbeiten zu „Frau Müller muss weg“ daran erinnert, wie Sie als Schüler waren?
Sönke Wortmann: Ja, diese Erinnerungen kamen schon manchmal hoch. Ich war als Kind einer, der versucht hat, mit möglichst geringem Aufwand durchs Schul-Leben zu kommen. Ist mir auch ganz gut gelungen. Ob ich das heute noch könnte, darf bezweifelt werden.
Was hat sich seit Ihrer Schulzeit geändert?
Die Einmischung hat zugenommen. Früher sind wir in die Schule gegangen, und was da im Laufe des Schuljahres vor sich ging, das mussten wir untereinander und mit den Lehrern ausmachen. Heute ist das so, dass die Eltern die unangenehme Eigenschaft haben, sich überall einzumischen. Alles wird in Frage gestellt. Nichts darf unkommentiert geschehen. Ich finde, Eltern sollten wieder lernen, der Schule mehr zu vertrauen.
Generell ist Schule ja ein Thema, bei dem alle mitreden können.
Das stört mich weniger. Als ich erzählte, dass „Frau Müller muss weg“ mein neuer Film wird, war die Reaktion: „Das wird ja mal Zeit. Da hätte ich auch was zu erzählen“. Viele im Familien- und Freundeskreis fingen sofort an, lustige und weniger lustige Episoden aus ihrem Schulalltag zu erzählen. Das ist völlig in Ordnung. Unter anderem funktionieren ja Klassentreffen auch deshalb so gut, weil man sich gemeinsam erinnert und lacht. Was mich hingegen stört, ist, dass jeder glaubt, bei diesem Thema ein Experte zu sein. Jeder weiß, was am besten für sein Kind ist. Und das trifft nur bedingt zu.
Ohne Sie jetzt zum Eltern- oder Schulbeauftragten zu machen: Was müsste sich im Verhältnis Eltern-Schule ändern?
Ich würde das gern noch erweitern: Schule-Eltern-Kinder. Meiner Ansicht nach wäre es das Beste, wenn man wieder mal aufhören würde, ständig über sich zu reden. Stattdessen wäre es schön, einfach Fragen zu stellen. Und zwar ergebnisoffen. Nicht schon vorher denken, dass man weiß, was der andere sagen will. Das gute alte Gespräch sollte wieder in Mode kommen, wenn Sie mich fragen.
Ihre Sympathien im Film gehören schon Frau Müller, der Lehrerin, oder?
Ja, das kann ich nicht verhehlen. Aber auch die Argumente der Eltern kann ich zum Teil verstehen. Nur dass die Hiebe dann immer die falsche Person abbekommt, das finde ich nicht gut.
In den 90er Jahren waren Ihre Filme garantierte Kassenschlager. Das hat sich mittlerweile geändert. Nicht mehr jeder Ihrer Filme ist erfolgreich. Haben Sie eine Idee, woran das liegt?
Das liegt an einer ganzen Vielzahl von Gründen. Ich mache meine Filme immer noch mit der gleichen Leidenschaft wie vor 20 Jahren. Was sich im Laufe der Zeit auf jeden Fall geändert hat, ist, dass Filme immer stärker katalogisiert werden. Es sollte schon ein Sequel oder Prequel von einem erfolgreichen Stoff sein, in das ich gehe. Der Zuschauer macht es sich da zum Teil sehr einfach. Er lässt sich immer seltener überraschen. Geht nicht das Risiko ein, mal etwas völlig Neues zu sehen. Und diese Entwicklung bedauere ich.