Robert Hofferer
über „Die Wälder sind noch grün“
„Es ist Zeit für Anti-Kriegs-Filme“
11.09.2014
Interview:
Gunther Baumann
Im Hauptberuf wirkt der Wiener Robert Hofferer als Manager von André Heller, für den er Show-Großereignisse wie die neue Version von „Afrika! Afrika!“ produziert. Doch Hofferers Leidenschaft gehört auch dem Film. Jetzt hat er, als Ideengeber, Co-Autor und Produzent, ein Anti-Kriegs-Drama herausgebracht, das zu den Höhepunkten des österreichischen Filmjahres zählt. „Die Wälder sind noch grün“ (ab sofort im Kino) handelt von drei Soldaten der k.u.k. Armee, die während des Ersten Weltkriegs an der Isonzo-Front nicht nur mit dem Gegner kämpfen. Sondern auch mit ihrer Todesangst und ihrer inneren Einsamkeit. Der Film, der seit der Premiere beim Festival Shanghai international Furore macht, braucht nur vier Schauspieler, um eine fesselnde Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Robert Hofferer berichtet im FilmClicks-Interview, wie es ihm gelang, diesen flammenden Aufruf gegen Krieg und Gewalt in acht Monaten mit einem Mini-Budget unter einer Million Euro zu realisieren – ganz ohne finanzielle Förderung.
Herr Hofferer, Sie sind nicht nur Produzent von „Die Wälder sind noch grün“, sondern, gemeinsam mit Regisseur Marko Nabersnik, auch der Autor des Drehbuchs. War der Film Ihre Idee?
Robert Hofferer: Ja. Mein Grundgedanke war: Inmitten dieser Kriegsflut, die uns umgibt, ist es an der Zeit, Anti-Kriegs-Filme zu machen. Der Erste Weltkrieg war für mich der geeignete Ausgangspunkt. Als erster industrialisierter Krieg, der zu einer ganzen Reihe von bewaffneten Auseinandersetzungen auf der ganzen Welt führte, die bis heute andauern. So ist der Erste Weltkrieg ein Konflikt, der an Jahren weit zurückliegt, uns aber in Wahrheit sehr nahe ist.
Sie schreiben, dass Sie von Georg Trakls Gedicht „Menschheit“ zu dem Film angeregt wurden.
Stimmt. Es ist ein Gedicht, in dem sehr vieles angesprochen wird: Der Irrsinn des Krieges, aber auch, bildlich gesprochen, die Vertreibung aus dem Paradies, bis hin zur Ungläubigkeit als Ablehnung von Tatsachen, die man selber nicht real erlebt hat.
Von einem Gedicht bis zu einem Film-Drehbuch ist es aber natürlich ein weiter Weg.
Wir haben uns historisch sehr orientiert vorangearbeitet, auch mit der Unterstützung von Wissenschaftlern und Museen. Wir haben Tagebücher von Soldaten studiert, aus diesen Tagebüchern aber keine Story-Elemente genommen, sondern nur die Art der Sprache. Die Geschichte, die der Film erzählt, haben Marko Nabersnik und ich uns gemeinsam ausgedacht.
Wie sind Sie auf den slowenischen Regisseur Marko Nabersnik gekommen?
Ich kenne Marko seit seinem Film „Shanghai Gypsy“, mit dem er einen Hauptpreis des Festivals Montreal gewann. Bei „Die Wälder sind noch grün“ kam ich deswegen auf ihn, weil er derjenige war, der sofort zu meiner Idee sagte, „ja, das machen wir“. Ich hatte auch einige Österreicher gefragt, doch da hörte ich, „mein Gott, da müssen wir uns ja vorbereiten, das dauert mindestens zwei Jahre“. Das war mir zu langsam. Ich brauchte jemand, der sofort tätig wurde, und auf Marko traf das zu. So hat das gesamte Projekt von meiner ersten Idee bis zur fertigen Postproduktion nur acht Monate gedauert.
„Die Wälder sind noch grün“ kommt mit vier Schauspielern aus, von denen nur zwei große Rollen haben. Für einen Kriegsfilm ist das ein kühnes Unterfangen.
Es hat mich nicht interessiert, ein Massenspektakel mit 10.000 Toten und extremen Szenen zu realisieren. Wir wollten uns in der Narration und in der filmischen Form auf einen klar erkennbaren Punkt konzentrieren: Auf die innere Einsamkeit der Soldaten, egal in welcher Epoche und wo. Diese innere Einsamkeit und Isolation, die auch inmitten eines Truppenverbands von Tausenden Soldaten herrschen kann, führt zu Hoffnungslosigkeit, zu Apathie, zum Irrsinn – aber auch zu einer Form von Selbsterkennung und Definition der eigenen Würde inmitten seelischer Generalkatastrophen. Unser Gefühl war, dass sich so eine Geschichte formal nur in einem kleinen Kontext abspielen kann.
Daher die Wahl eines einsamen Postens auf einem Berg, nahe der Isonzo-Front?
Im Tal wäre das Prinzip Einsamkeit grundsätzlich nicht logisch darstellbar gewesen, da kommen irgendwann Hunderte Reiter oder andere Truppenverbände vorbei. Überdies konnten wir mit dem Schauplatz am Berg eines zeigen: Egal, wie verrückt und irrsinnig die Menschen sind – die Natur lässt sich am Ende nicht unterkriegen. Rein produktionstechnisch hatte der Posten am Berg noch einen weiteren Hintergrund. Im Isonzo-Tal hätten wir das ganze Areal umpflügen und so eine Kriegslandschaft künstlich erzeugen müssen. Das wollten wir einfach nicht. Wegen eines Films eine Landschaft zu verwüsten, befanden wir als indiskutabel.
Das Um und Auf des Films ist die Besetzung der Hauptrolle. Michael Kristof ist als Gebirgsjäger Jakob Lindner eine echte Entdeckung.
Ich habe Michael Kristof auf Empfehlung von Marko Nabersnik engagiert, der ihn aus Ljubljana kannte. Kristof hat dort Schauspiel studiert. Er hat zwar noch nicht sehr viel beim Film gemacht, aber am Theater hat er schon tolle Stücke gespielt. Von Autoren wie Yasmina Reza, Peter Handke oder Peter Turrini. In Klagenfurt, Villach und Wien. Er wird einen großen Weg als Schauspieler gehen, da bin ich mir sicher, und ich werde ihm dabei helfen.
Wie viel hat „Die Wälder sind noch grün“ gekostet?
Das Budget lag um einiges unter einer Million Euro. Der Film ist rein österreichisch finanziert, doch diesen Kostenrahmen konnten wir nur durch den Dreh in Slowenien einhalten. Die Produktion des Films wurde übrigens nicht gefördert. Wir haben das Projekt gar nicht eingereicht, das wäre zeitlich nicht möglich gewesen. Beim Österreichischen Film-Institut war man vom fertigen Film aber sehr angetan, sodass wir dann eine Förderung für den Kinostart und für Festival-Teilnahmen bekamen. Der Film selbst ist jedoch komplett privat finanziert.
Wer steckt denn Geld in so ein Projekt?
Investoren. Eigentlich ist das Investment jetzt schon gedeckt. Wir haben den Film für Indien und China lizensiert, in Indien läuft er gerade. Und wir haben ihn bereits an eine große Zahl von Fernsehstationen verkauft.
Gratulation! Normalerweise sagt man, dass es mit österreichischen Filmen fast unmöglich sei, in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Das ist immer eine Budget-Frage. Ich bin ein Verfechter von kleinen Budgets, weil ich glaube, dass man auch mit relativ wenig Geld gute Filme machen kann. Wenn man einen österreichischen Film um drei Millionen Euro produziert, kommt das Geld nie zurück. Doch wenn man sich in einem Rahmen bis 1,2 Millionen Euro bewegt, dann kann man das mit einem guten Film wieder einspielen. Natürlich nicht über die Kino-Auswertung im deutschsprachigen Raum; das ist unmöglich. Aber über eine kluge Kino-Auswertung in Asien und Amerika, und über die Fernseh-Verwertung. Letztere ist der springende Punkt.
Natürlich gibt es nur wenige Filme, die man für Budgets unter einer Million herstellen kann.
Das glaube ich nicht – ich habe drei solche Filme gemacht, außer „Die Wälder sind noch grün“ auch „Body Complete“ und „Karima“. Das geht natürlich nur dann, wenn die Geschichte von vornherein auf das Budget achtgibt. Das Teure am Filmen ist der Drehtag per se. Man muss also darauf achten, dass man eine überschaubare Anzahl von Drehtagen hat. Dann sollte man keine zu komplizierten Licht-Szenen haben, mit aufwendigen Nachtaufnahmen. Zu viele Locations sind auch nicht gut. Wenn man eine Geschichte entwickelt, die an, sagen wir, maximal drei Locations spielt, die eine überschaubare Ausstattung und eine reduzierte Anzahl von Schauspielern hat, dann ist es durchaus möglich, in so einem Budgetrahmen zu bleiben.
Investieren Sie auch eigenes Geld in Ihre Filme?
Ja, natürlich. Ich habe in jeden meiner Filme eigenes Geld investiert – keine unwesentlichen Summen. Denn ich bin der Meinung, dass ich das Risiko mitzutragen habe, wenn ich etwas mache. Meinen Investoren sage ich immer, ihr bekommt zuerst euer Geld zurück, und ich bin der letzte, der ausbezahlt wird.
Ist es leicht, Investoren zu finden?
Für mich ist es nicht schwer. Weil wir in vielen Bereichen beweisen, dass wir mit unseren Projekten Erfolg haben. Alles, was wir tun, auch mit André Heller, ist privat finanziert. Da ist nie eine Förderung drin. Insofern ist es natürlich so, dass ich netzwerkmäßig einen Vorteil habe. Aber auch, weil ich von meinen Projekten überzeugt bin. Ich werde in meiner Arbeitsweise auch in Gesprächen mit ausländischen Produzenten bestärkt. Einer meiner Freunde – wenn es in diesem Geschäft denn überhaupt Freundschaft gibt – ist Harvey Weinstein. Mit dem rede ich oft und ich frage ihn um Rat. Wenn er zu einer Idee Ja oder Nein sagt, heißt das nicht, dass ich danach handele. Aber ich höre es mir an. Als ich ihm von der Idee zu „Die Wälder sind noch grün“ erzählte, sagte er sofort: „Das musst du machen. Du kannst diesen Film vier Jahre lang verkaufen. Mach‘ es.“
Harvey Weinstein hat dann aber nicht die US-Rechte des Films gekauft, oder?
Nein. Für mich sind solche Kontakte zu wichtig, um sie vielleicht mit einem eventuellen Misserfolg zu belasten. Ich habe es oft gesehen, dass gute Freundschaften krachen, weil ein Freund dem anderen Geld gekostet hat, wenn ein Projekt nicht erfolgreich war. Da belasse ich es lieber dabei, mich von einem Harvey Weinstein beraten zu lassen. Das ist wertvoller.
Wie stehen Sie denn zum Thema Förderungen?
Ich bin ein Verfechter der Förderung von Kunst in jeder Form, wenn es sich um Projekte handelt, die a priori nicht durch Investoren finanzierbar sind. Ich unterstütze selbst oft Avantgarde-Produktionen, bei denen klar ist, das Geld ist weg. Wenn ich aber etwas produziere, das ganz gezielt auf ein Massenpublikum zugeht und das einen wirtschaftlichen Erfolg mit sich bringen soll, dann ist meiner Meinung nach in erster Linie das Investment gefragt und nicht die Förderung. Da gibt es in Österreich gelegentlich ein Ungefüge.
Noch einmal zurück zu „Die Wälder sind noch grün“: Die Soldaten im Film haben keinerlei Kriegsbegeisterung. Wie erklären Sie es sich, dass heute, im Frieden, viele junge Menschen von Gewalt fasziniert sind?
Wittgenstein schrieb in seinem „Tractatus“, dass die Welt in Tatsachen zerfällt, und dass wir uns Bilder von Tatsachen machen. Wir sehen in den Nachrichtensendungen eine unglaubliche Reizüberflutung an Bildern und Inhalten in Bezug auf reale Gewalt. Dazu kommt die unfassbare Vielfalt an fiktionaler Gewalt im Bereich der sogenannten Unterhaltung. Durch die Kombination von beidem entsteht, denke ich, irgendwann eine Banalisierung von Gewalt. Und damit eine Art von Akzeptanz, an deren Ende dann eine Form von „das probieren wir selber mal“ stehen kann.
Hängt diese Akzeptanz von Gewalt hier in Mitteleuropa vielleicht auch mit unserer langen Friedenszeit zusammen?
Mit unserer Friedenszeit, ja, aber auch mit unserer Genießerzeit. Die Großeltern meiner Generation waren in einen fürchterlichen Krieg verstrickt. Die Väter und Mütter meiner Generation haben etwas Großartiges aufgebaut. Aber was hat meine Generation getan, außer, alles zu genießen, was die Generation davor miterschaffen hat, an Kontinuität, an Wohlstand und an Frieden? An Luxus und Unabhängigkeit? Ich glaube, wir haben nicht sehr viel getan. Und auch nicht viel weitergegeben an die nächste Generation. Das ist sozusagen eine Humanismus-Radioaktivität, die deutlich abnimmt.
Die aktuelle Weltlage ist unruhig.
Wir erleben im Moment einen traurigen Rekord. Es gibt mehr als drei Dutzend sozusagen global anerkannte Kriege und mehr als 400 bewaffnete Auseinandersetzungen. Der Krieg wird immer ein Teil der Zivilisation bleiben. Da brauchen wir uns keinen Illusionen hinzugeben. Doch wir müssen etwas dagegen tun. Politisch, sozial und kulturell, aber auch in unseren Köpfen. Deshalb ist es, wie eingangs gesagt, Zeit für Anti-Kriegs-Filme. Und es ist Zeit, darüber nachzudenken, ob man die Banalisierung von Gewalt einfach so hinnehmen will.