J. C. Chandor


„All Is Lost“: Der Film, der Robert Redford in Seenot schickte

08.01.2014
Interview:  Anna Wollner

„All Is Lost“: Regisseur J.C. Chandor am Set mit Robert Redford © Universum Film

Keine Scheu vor großen Namen: Der US-Autor/Regisseur J. C. Chandor, 40, fragte Robert Redford, ob der bei seinem zweiten Kinofilm mitmachen wollte - als einziger (!) Schauspieler. Redford wollte. Jetzt kämpft er in „All Is Lost“ als einsamer Segler auf einer havarierten Yacht gegen die Naturgewalten ums nackte Überleben. In einer Mischung aus „Life of Pi“ ohne Tiger und „Gravity“ ohne Weltraum, die Redford eine Golden-Globe-Nominierung einbrachte.


FilmClicks: Mister Chandor, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Ein-Personen-Film zu drehen, der nur auf einer kleinen Yacht spielt?
J. C. Chandor: Als ich meinen ersten Film „Margin Call“ schnitt, bin ich viel Zug gefahren. Immer zwischen Rhode Island und New York. Der Zug fährt lange Zeit an der Küste entlang, direkt am Wasser mit einem traumhaften Ausblick aufs Meer. Dieses Panorama wird immer wieder von kleinen Yacht-Häfen unterbrochen. Da liegen die Boote der Mittelklasse. Mir schwebte sofort ein älterer Mann vor, der sein Boot da liegen hat und es viel zu selten benutzt. Ihm kam immer wieder etwas dazwischen. Der Job, die Familie, die Kinder. Eines Tages aber fährt er raus und übernimmt sich.
 
Das Boot also als Metapher auf unsere Zeit?
Wenn Sie so wollen, ja. Das Boot ist für mich Symbol eines gewissen Reichtums. Nicht zu viel, nicht zu wenig, aber ein Zeichen dafür, dass man es geschafft hat im Leben. Doch was macht man jetzt damit? Die Boote, die ich jeden Tag sah, lagen nur rum. Vergessen und nutzlos.
 
Haben Sie schon beim Schreiben darüber nachgedacht, dass „All Is Lost“ eventuell sehr schwer zu filmen ist?
Lachen Sie mich ruhig aus, aber gerade das hat mich gereizt. Ich habe Anfang der Nuller Jahre Werbung für Actionsport gedreht. Ausgerechnet ich, der größte Angsthase der Welt.  „All is Lost“ ist ein Film, bei dem ich mich selbst an meine Grenzen gebracht habe. Das klingt jetzt vermutlich nicht überzeugend, aber nach meinem ersten Drehbuchentwurf dachte ich wirklich, dieser Film ließe sich einfach realisieren. Heute würde ich sagen: ja, ich war verrückt.
 
Weltpremiere in Cannes: J. C. Chandor mit Robert Redford © Gunther Baumann

Wie schwierig waren die Dreharbeiten?

Im Grunde genommen eine Katastrophe. Aber im positiven Sinne. Robert Redford konnte bis zu den Dreharbeiten nicht segeln. Nur Motorboot fahren. Wir mussten also improvisieren. Wir haben auf insgesamt sechs verschiedenen Gewässern gedreht, unter anderem in Baja California in Mexiko, in James Camerons Pools für „Titanic“. Im Schnitt musste ich das alles zusammensetzen. Möglichst so, dass es keiner merkt. Ich hatte wirklich schlaflose Nächte.
 
Wie realistisch sind die Segelszenen?
Alles, was im Film passiert - das Kentern des Bootes und sein Verhalten im Sturm - ist hundertprozentig korrekt. Das Problem ist ja, dass Redford als Segler sein ganzes Navigations-Equipement verliert und auf sich alleine gestellt ist. Normalerweise umsegelt man einen solchen Sturm einfach. Du weißt, wo du bist und kannst deine genaue Position bestimmen. Aber er verliert ja komplett die Kontrolle. Über alles. Über sein Leben, über seine Umgebung.
 
Es wirkt fast schon klaustrophobisch.
Mein Trick hier ist, dass der Zuschauer alles miterlebt. Jeden Moment. Die Kamera ist immer mit ihm auf Augenhöhe, nie weiter als ein paar Meter von ihm entfernt. Das schafft ein Vertrauensverhältnis. Unsere Welt ist richtig klein. Genauso groß wie ein Segelboot eben.
 
Hatten Sie Angst, technische Fehler zu machen?
Ja, aber diese Angst musste ich überwinden. Ich habe schon von meinem australischen Verleih eine Liste mit allen Fehlern bekommen. Da scheint Segeln ein richtiger Volkssport zu sein.  Es gab eben Punkte, an denen wir ein wenig schummeln mussten. Dinge, die Nicht-Segler einfach nur verwirrt hätten. Bei allem anderen konnte ich mich darauf berufen, dass meine Figur ja alt und müde ist. Da macht man einfach Fehler.
 
Die Havarie beginnt damit, dass Redfords Yacht mit einem Frachtcontainer zusammenstößt.
So etwas ist realistischer, als Sie vielleicht denken. Die Dinger fallen ständig von Frachtschiffen runter und treiben durchs offene Meer. Die obersten fünf Containerreihen sind noch nicht mal festgemacht. Diese Plätze sind natürlich viel günstiger. Die Ware in den Containern ist so billig, dass das Versicherungsgeld nach einem Unfall vermutlich höher ist als der eigentliche Warenwert. Ich fand die Idee fast schon poetisch. Ein Typ, der sich voll und ganz auf seine digitale Navigation verlässt, erleidet Schiffbruch wegen eines Treibgut-Containers voller Billigschuhe.
          



Kritik
All Is Lost
Robert Redford ist der einzige Darsteller im fesselnden und klugen Hochsee-Abenteuer „All Is Lost“. Er spielt einen einsamen Segler, der in eine fast aussichtslose Situation gerät, als seine Yacht von einem herrenlosen Container gerammt wird. Mehr...