„Diana war ein Star wie die Monroe“
07.01.2014
Interview:
Gunther Baumann
„Dies ist eine Liebesgeschichte“, sagt Regisseur Oliver Hirschbiegel über seinen Film „Diana“, der die Herzen der Lady-Di-Fans höher schlagen lassen soll. Das Royals-Drama schildert die letzten zwei Jahre Dianas, in denen die Ex-Gemahlin von Prinz Charles hoffte, an der Seite ihres „Mr. Wonderful“ (des Arztes Hasnat Khan) ein neues Leben zu beginnen. Naomi Watts begeistert in der Titelrolle: Mit Lady Di hat sie, so Oliver Hirschbiegel, „die Burschikosität und einen sehr deftigen Humor“ gemein. FilmClicks traf den Regisseur, der mit dem Hitler-Drama „Der Untergang“ den Durchbruch schaffte, zum Interview in Wien. Hirschbiegel war hier in den frühen Phasen seiner Karriere Dauergast: Der Hamburger, der heute in London lebt, inszenierte 14 Folgen von „Kommissar Rex“.
FilmClicks: Herr Hirschbiegel, wie hat sich Ihre Sicht auf Lady Di durch die Arbeit an „Diana“ verändert?
Oliver Hirschbiegel: Ich habe ziemlich schnell begriffen, dass meine Ideen zu Diana komplett falsch waren, oder höchstens ein sehr oberflächliches und verkürztes Bild enthielten: Von einer Frau, die naiv, eitel, unoriginell und flach war. Ich begann dann zu recherchieren und fand heraus, dass das Gegenteil der Fall war. Ich entdeckte in Diana einen hoch komplexen, sich ständig widersprechenden Charakter. Ich war fasziniert von dieser Diana, in der ich viele Parallelen zu altmodischen Movie Stars wie Marlene Dietrich, Greta Garbo oder Marylin Monroe entdeckte. Verbunden mit dieser Präsenz, die man nie erklären kann: Was macht einen Menschen zum Star? Diana hat das gehabt, ohne dass sie je geschauspielert hätte. Aber ich bin sicher, dass sie ein Teil dieses Stammes der Schauspieler war.
Was hat Diana denn zum Star gemacht?
Das ist das, was wir nicht wissen. Kein Regisseur kann das jemals erklären. Es ist eine Energie, eine Präsenz, die diese Menschen haben. Doch das ist Metaphysik. Niemand weiß, wie das geht. Bei Diana war diese Eigenschaft verbunden mit einer tiefen Spiritualität, was ich vorher auch nicht wusste. Sie war, wie man im Esoterischen sagt, eine alte Seele. Sie wollte helfen und heilen. Das war keine Show – sie hat das so gemeint. Im einen Moment stand sie im Blitzlicht, liebte die Öffentlichkeit, war glamourös und eine Mode-Ikone. Und dann plötzlich stand sie bei den Geschlagenen, den Geknechteten und den Armen. Bei Menschen, die sterben oder die Hilfe brauchen. Das ist eine Kombination, die man sonst praktisch nie findet. Wie sie mit diesen Menschen umging, war richtig, da gab es keinen falschen Ton. Sie hatte das in sich; eine Naturbegabung, wie sie nur Heiler haben.
Besitzt Naomi Watts, die Diana spielt, auch solche Eigenschaften?
Nein. Da musste ich Naomi hintreiben. Naomi hat viel von Diana, wenn es darum geht, ein Querkopf zu sein; sie hat diese Burschikosität und einen sehr deftigen Humor. Sie ist sehr sportlich und athletisch. Aber die Spiritualität – das ist nicht so ihr Ding. Sie ist eher rational gesteuert. Die Spiritualität Dianas ist im Film sehr spürbar, aber da musste ich ein bisschen schubsen und nachhelfen.
Als Sie die Regie zu „Diana“ übernahmen – haben Sie da einfach das Drehbuch genommen und zu drehen begonnen?
Nein. Wir haben noch ein gutes halbes Jahr weiter am Drehbuch gearbeitet und drei weitere Fassungen des Skripts geschrieben, bis wir drehfertig waren. Ich wollte zum Beispiel die Rolle der Presse im Film stärker herausarbeiten. Im Sinne von Fellini bei „La dolce vita“: Wenn dort die Presse auftaucht, ist das fast immer wie so ein Pack, wie eine eigene Figur. Diesen Effekt wollte ich bei „Diana“ erreichen – das ist gleichzeitig eine Verneigung vor Fellini, der den Begriff Papparazzi erfunden hat. Zugleich wollte ich die Vertrautheit zwischen Diana und ihrem Mr. Wonderful – etwa die Selbstverständlichkeit und das Vergnügen, mit dem sie sich Streiche gespielt haben -, im Film sehen. Deshalb habe ich eine Sequenz mit den beiden an der Küste eingebaut. Das ist eine Erfindung, das hat es nicht gegeben. Aber die Szene steht dafür, wie die beiden waren. Alle anderen Szenen, die wir im Film sehen, haben sich auch in der Realität zugetragen – bis ins Detail.
In England ist „Diana“, um es höflich auszudrücken, nicht besonders gut angekommen.
Die Presse hat den Film hysterisch vernichtet. In einem Statement habe ich das so kommentiert, dass das Thema Diana dort ein kollektives, nicht verarbeitetes Trauma ist. Der Zeitraum, den wir behandeln – von 1995 bis 1997 -, markiert eine Phase, in der das Königshaus in einem absoluten Image-Tief war. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wollte, dass die Monarchie abgeschafft wird. Es gab einen schlüpfrigen Skandal nach dem anderen, woran natürlich auch Diana beteiligt war, teilweise in nicht sehr eleganter Form. In die teilweise exzessive Häme der Berichterstattung über Diana kam dann ihr abrupter Tod.
Und warum lehnten so viele Briten Ihren Film ab?
Der Engländer scheut die unverstellte Emotion wie der Teufel das Weihwasser. Das ist protestantisch komplett unterdrückt. Der Ausgleich liegt im Humor, in Satire und Zynismus. Das ist der wunderbarste Humor der Welt – aber auf der anderen Seite ist er auch ein Schutzschild. Unser Film ist total direkt, er ist nicht sentimental, aber er ist auch frei von Ironie. Denn wenn man anfangen würde, zu ironisieren, dann landet man bei einer romantischen Komödie. Dies hingegen ist eine wirkliche Liebesgeschichte, ein altmodisches Genre. Diese Nähe wollen die Engländer nicht.
Ich finde den Film vor allem dann interessant, wenn er auch politische Themen einfließen lässt.
Ich wollte zum Beispiel Dianas Kampagne gegen Landminen im Film zeigen. Das ist angesichts dieses ganzen Playboy-Zirkus rund um sie fast vergessen. Sie hat dieses Konzept erfunden, Berühmtheit zur Durchsetzung humanitärer Zwecke einzubringen. Gewiss, es gab Aktionen wie „We Feed The World“, aber das waren Konzerte. Die haben mit dem persönlichen Einsatz, wie es heute George Clooney macht oder Brad Pitt und Angelina Jolie, nichts zu tun. Das hat, wie gesagt, Diana erfunden. Sie wollte einen Fokus haben jenseits der Liebe zu ihren Söhnen. Menschen zu helfen, war immer ihr Ziel.
Die Royals kommen in „Diana“ nur am Rande vor.
Das Königshaus ist in den zwei Jahren unserer Geschichte nicht präsent. Diana genießt hier zwar noch die Vorzüge des Fahr-Service und der Bodyguards, die sie eh nicht so gern um sich herum hatte. Aber sie ist getrennt von Charles, sie hat keinerlei öffentliche Verpflichtungen mehr, was den Palast angeht, und hinter den Kulissen verhandeln die Anwälte die Modalitäten der Scheidung.
Der echte Mr. Wonderful, der Arzt Hasnat Khan, will den Film nicht sehen, stand zu lesen: Er finde alles daran falsch.
Das ist schon mal ein Widerspruch in sich: Wie kann er wissen, dass alles falsch ist, wenn er den Film nicht gesehen hat? Diese Aussage deckt sich blöderweise nicht mit dem Mann, den ich porträtiere: Der ist sehr klug und besonnen, sehr erwachsen. Da läuft jetzt etwas nicht synchron. Auch der Umstand, dass er jetzt den englischen Zeitungen „The Sun“ und „Daily Mail“ Interviews gibt: Das waren damals die bösartigsten Blätter, die damals auf Diana und ihn eingeprügelt haben. Und die gleichzeitig das meiste Geld damit verdienten. Das kann ich mir nicht erklären.
Naomi Watts spielt großartig als Diana.
Ich habe immer tief in meinem Herzen gewusst, dass sie diese Rolle spielen muss. Sie hat die Erfahrung, und sie hat das englische Gen in sich; ihre Eltern sind Engländer.
Reden wir über Ihre Karriere. Sie begannen im Fernsehen mit Serien wie „Kommissar Rex“, bekamen dann eine Oscar-Nominierung für das Hitler-Drama „Der Untergang“ und drehten anschließend „Invasion“, einen Film mit Nicole Kidman und Daniel Craig. Doch ausgerechnet der wurde zum Flop…
Diese Hochs und Tiefs passieren, glaube ich, in fast allen Regie-Karrieren
. Der Flop von „Invasion“ passierte in einem Jahr, in dem viele dramatische Produktionen Misserfolge wurden. Das ist ein Trend, der sich bis in die Gegenwart fortsetzt. Die wichtigsten Genres sind heute romantische Komödien oder Superhelden-Action. Die Zuschauer sind Gott und König – die bestimmen das. Mutige und spannende Geschichten werden heute in den USA vor allem im Fernsehen erzählt. Auf jemand wie mich bezogen, heißt das: Die Studios hätten im Moment gar nichts, was sie mir anbieten könnten, denn für „Iron Man“ bin ich nix. Und Romantic Comedies kann ich, glaube ich, auch nicht machen. Was ich regelmäßig angeboten bekomme, sind Independent Filme. Ich habe derzeit zwei englische Projekte und Anfragen aus Amerika für TV-Episoden. Ich finde Fernsehen momentan mindestens genauso spannend wie Kino.