Alan Rickman
über „Die Gärtnerin von Versailles“
„Vielleicht sollte ich etwas erwachsener werden“
01.05.2015
Interview:
Gunther Baumann
Alan Rickman. Die Figur des Severus Snape machte ihn zum Weltstar. Der Brite spielte in allen acht „Harry Potter“-Filmen den sinistren Lehrer, der seinen Schülern kräftig das Dasein vergällen konnte. Jetzt ist die „Potter“-Ära vorbei. Rickman hat wieder Zeit für andere Projekte. Derzeit sieht man ihn als Sonnenkönig Ludwig XIV. im feinen Kostümfilm „Die Gärtnerin von Versailles“. Nicht nur das: Rickman führte auch Regie. Zur Österreich-Premiere kam er nach Wien. Im FilmClicks-Interview erzählt er über den Film, über seine Hauptdarstellerin Kate Winslet und über seine Zeit mit Harry Potter.
Mr. Rickman, Ihr Film handelt von einer sehr selbstbewussten Gärtnerin, die am Hof von Ludwig XIV. einen Barockgarten anlegen will. So etwas ist definitiv nicht das erste Thema, das einem in den Sinn kommt, wenn man an einen neuen Film denkt.
Alan Rickman: Ist das nicht gut? Mich reizte die Tatsache, dass dieser Kostümfilm eine sehr moderne Geschichte erzählt. Denn ich muss Ihnen sicher nicht erzählen, dass die Gärtnerin, die von Kate Winslet gespielt wird, in der Männerwelt von damals nicht hätte existieren können. Weder im Beruf noch in der Liebe: Da ging es ihr darum, dass Mann und Frau auf gleicher Höhe stehen, bevor sie eine Beziehung eingehen. Diese Sabine DeBarra ist eine Fantasie. Aber so ist Film! Das mag ich!
Gab es Referenzen, auf die Sie sich bei Ihrer Inszenierung stützten?
Ich bin ein großer Fan von Sofia Copollas Film „Marie Antoionette“, der ungemein spielerisch und frisch geworden ist. Doch meine Entscheidung für diese Arbeit fiel ganz unbewusst. Ich fand etwas von den Eigenschaften der Sabine DeBarra in meinem Herzen, das sagte, ich will dieses Projekt unbedingt verwirklichen. Wäre es eine Kopf-Entscheidung gewesen, so hätte ich mir wohl gesagt, sei nicht verrückt. Ein Kostümfilm mit diesem Thema ist viel zu schwierig.
Wie wichtig war das Casting für das Gelingen des Films?
Das war das Um und Auf. Kate Winslet ist die Gärtnerin Sabine DeBarra. Sie liebt es, starke und unabhängige Frauen zu spielen. Sie macht sich gern die Hände schmutzig. Zugleich ist sie wunderbar subtil und eine großartige Zuhörerin als Schauspielerin. Das war mir alles extrem wichtig. Man braucht nur die Kamera auf sie zu richten und ihr zuzuhören – und man weiß, dass man dieses Material verwenden kann. Oder nehmen wir Matthias Schoenaarts als obersten Gartenarchitekten, der sich in Sabine verliebt: Er beeindruckte mich im französischen Film „Der Geschmack von Rost und Knochen“, doch ich dachte, wir könnten ihn nicht einsetzen, weil er sicher nicht gut Englisch spricht. Dann stellte sich aber heraus, dass sein Englich perfekt ist – mit einem amerikanischen Akzent. Also mussten wir nur diesen Akzent reduzieren.
Sie selbst haben als Ludwig XIV. ebenfalls eine wichtige Rolle übernommen.
Das tat ich sehr widerstrebend. Warum sollte man sich so eine Doppelbelastung antun? Aber so etwas gehört zur Mathematik einer Filmproduktion. Da sagt dann der Produzent: „Wenn du diese Rolle spielst, dann können wir das eingesparte Geld hier oder dort ausgeben.“ Wenn man beim Dreh voll mit der Regie beschäftigt ist, kann es aber eine Pein sein, wenn man sich plötzlich umziehen und schminken lassen muss.
Sie haben als Sonnenkönig eine große Dialog-Szene mit Kate Winslet in einem Garten. Wie ließen sich denn da das Regieführen und das Spielen unter einen Hut bringen?
Oh, das war eine der leichtesten Aufgaben. Man kann sich de facto nicht selbst inszenieren. In dieser Szene geht es um eine Unterhaltung zwischen zwei Menschen. So lange man sich gegenseitig vertraut, funktioniert das – und ich habe unendliches Vertrauen zu Kate Winslet. Ich hoffe, das gilt umgekehrt genauso. Ich glaube, Schauspieler wissen, ob sie in einem Dialog glaubwürdig wirken oder nicht. Bei den Aufnahmen gab es ein ganz anderes Problem. Der Wind hatte gedreht, und plötzlich flogen alle paar Minuten Flugzeuge über unseren Set. Wir mussten uns also voll darauf konzentrieren, die Szene trotz dieser Störungen wie geplant an einem Tag fertigzubekommen.
„Die Gärtnerin von Versailles“ ist, nach 18 Jahren Pause, Ihre zweite Arbeit als Filmregisseur. Warum haben Sie so lange gewartet, wieder zu inszenieren?
Kurz nach meiner ersten Regie, „The Winter Guest“, akzeptierte ich das Angebot, bei „Harry Potter“ mitzumachen. Damals sah das noch überschaubar aus; es gab erst drei „Potter“-Romane. Wenn man einen Film inszeniert, muss man anderthalb Jahre Zeit dafür reservieren, und die hatte ich dann nicht mehr. Jedes Jahr brauchte ich sieben Wochen für „Potter“. In den Pausen habe ich am Theater inszeniert und in anderen Filmen gespielt.
Hatten Sie bei „Harry Potter“ von Anfang an das Gefühl, dass die Serie ein so großer Welterfolg werden würde?
Durchaus. Wenn ein neuer „Potter“-Roman herauskam, warteten die Kids in Schlangen rund um den Häuserblock, um ihr Buch zu bekommen. Die Romane waren zu dieser Zeit bereits ein Phänomen. Die zehn Jahre, die ich mit den Verfilmungen verbracht habe, wurden dann eine sehr interessante Zeit, weil sich das Filmen so stark verändert hat. Zu Beginn drehten wir an den einzelnen Locations – im Finale entstand viel mit CGI, also am Computer.
Hat Ihre Rolle als Severus Snape bei „Potter“ auch Ihr Leben verändert?
Nun, „Potter“ hat es mir zum Beispiel ermöglicht, nebenbei in vielen kleinen Filmprojekten mitzumachen, von denen Sie vermutlich noch nie etwas gehört haben, weil sie keinen großen Vertrieb bekamen. Man kann es sich leisten, bei einer winzigen Produktion, bei der der ganze Film nur eine Million Dollar kostet, mitzuwirken – nur, weil es das ist, was man gerade tun will.
Möchten Sie bald wieder einen Film inszenieren?
Ich glaube schon. Aber warten wir einmal ab, wie „Die Gärtnerin von Versailles“ im Kino abschneidet – dann habe ich wieder Luft zum Atmen. Ich muss auch den Kopf erst wieder freibekommen. Denn es ist doch so: Bei einem Film geht es erst mal darum, das Geld aufzustellen, und dann um die Vorproduktion. Anschließend kommen die schönen acht Wochen, in denen man dreht und nur von kreativen Leuten umgeben ist. Das ist ein wundervoller Spielplatz. Doch danach geht es quasi zurück in Gefängnis, wenn man den Film schneidet und sich um die Distribution kümmern muss. Und wenn die Gedanken kommen, ob die Leute den Film auch sehen wollen. Da bleibt nicht viel Raum, sich mit neuen Storys zu beschäftigen. Wenn ich einen Film drehe, gehe ich voll in dem Projekt auf. Das ist vermutlich ungesund. Vielleicht sollte ich etwas erwachsener werden.